Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

Auf der Grundlage weiterer Konzeptionen optimiert und intensiviert die Polizei u. a. den Schutz von Opferzeuginnen und Opferzeugen in Fällen von Menschenhandel. In Kürze wird eine Arbeitshilfe „Menschenhandel“ zur polizeilichen Ermittlungsunterstützung eingeführt.

Meine Damen und Herren, die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland ist ein herausragendes Ereignis von internationaler und nationaler Bedeutung. Nach Einschätzung des Organisationskomitees der WM 2006 werden insgesamt ca. 3 Millionen Besucher, davon ca. 1 Million Besucher aus dem Ausland, erwartet. In Hannover werden fünf Spiele ausgetragen. Wir werden die bundesweit zur Gewährleistung der inneren Sicherheit anlässlich der WM 2006 erstellten Maßnahmenkonzepte natürlich auch in Niedersachsen umsetzen. Der Erarbeitung spezieller Maßnahmen liegt dabei die fortlaufende Bewertung der Kriminalitätslage zugrunde. Die zu erwartende Kriminalitätsentwicklung lässt sich gegenwärtig jedoch nur auf der Basis einer bislang noch ungesicherten Informationslage beschreiben. Belastbare Aussagen können zurzeit nicht getroffen werden. Dennoch berücksichtigen die Polizeien des Bundes und der Länder bereits im Vorfeld bei ihren Einsatzplanungen eine mögliche Zunahme der allgemeinen, der organisierten sowie der politisch motivierten Kriminalität. Hierzu zählen die Menschenhandels- und Zwangsprostitutionsdelikte.

Ich möchte jedoch betonen, dass bislang keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine signifikante Zunahme der Kriminalität im Bereich des Menschenhandels bzw. der Zwangsprostitution vor dem Hintergrund der WM 2006 zu erwarten wäre. Meine Damen und Herren, gleichwohl halte ich Kampagnen zur Freiersensibilisierung und gegen Zwangsprostitution für wichtig und absolut unterstützenswert. Die Fußballweltmeisterschaft 2006 ist sicherlich auch eine geeignete Großveranstaltung, um auf diese menschenverachtende Kriminalität hinzuweisen und potenzielle Freier zu sensibilisieren und aufzuklären. So plant u. a. der Landespräventionsrat, wie schon mehrfach dargestellt worden ist, eine Aufklärungskampagne gegen

Zwangsprostitution. Diese Spots sollen auch auf Großbildleinwänden gezeigt werden. Es ist klar, dass auch wir uns dafür einsetzen, dass dieser Film dann eine breite Ausstrahlung erfährt. Insofern werden wir auch hierzu mit dem Organisationskomitee noch Gespräche führen.

Die angestrebte Zielrichtung entsprechender Kampagnen sollte in der Aufklärung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit und insbesondere von Freiern liegen. Diesen sollte deutlich gemacht werden, dass Frauen nicht selten aufgrund falscher Versprechungen nach Deutschland geschleust und gegen ihren Willen zur Prostitution gezwungen werden. Keineswegs sollen Opfer stigmatisiert werden.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung ist davon überzeugt, dass seitens des DFB Menschenhandel und Zwangsprostitution entschieden verurteilt werden. Die Entscheidung - das ist klar und das wissen Sie auch -, ob und mit welcher Intensität sich der DFB mit dem Thema Menschenhandel und Zwangsprostitution im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft 2006 befassen wird, ist natürlich allein Angelegenheit seiner zuständigen Gremien. Allerdings bin ich sicher, dass ein einmütiges Votum verschiedener Länderparlamente und auch verschiedener Landesregierungen den DFB zum Nachdenken und, ich würde es mir wünschen, auch zum Umdenken bewegen wird. Dafür werden wir uns einsetzen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wie angekündigt, schließen wir die zweite Beratung unmittelbar an. Wir stimmen nun also über den Antrag in der Fassung des interfraktionellen Änderungsantrages ab.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung: Ziele der Landesraumordnung einhalten Erdkabel im Höchstspannungsbereich erproben! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2531

Herr Kollege Janßen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Oberirdische Hochspannungstrassen stellen immer eine erhebliche Beeinträchtigung der von ihnen betroffenen Menschen dar. Sie sind keine Zierde für das Landschaftsbild und können auch die Vogelfauna zum Teil erheblich beeinträchtigen.

Diese Situation ist nicht neu und auch absolut nicht auf den Ausbau der Windkraft beschränkt. Wer sich die Umgebung bestehender Kraftwerke oder auch die Umgebung von Umspannwerken ansieht, weiß, wovon ich hier rede.

Wenn es gangbare Alternativen dazu gibt, muss man sie nutzen. Ich denke, meine Damen und Herren, da haben wir hier im Landtag heute durchaus auch ein gemeinsames Ziel. Die CDU- und FDP-Fraktionen haben zwar mit ihrem Antrag vom Februar 2005 vor allem gegen die OffshoreWindkraft polemisiert. Aber das halten Sie, wie ich annehme, wenn ich die Beschlüsse Ihres Landesverbandes Oldenburg richtig interpretiert habe, heute so nicht mehr aufrecht. So können wir uns hier auf sachliche Beratungen freuen.

(Zuruf von Jan-Christoph Oetjen [FDP])

- Ja. Aber wenn der CDE-Landesverband Oldenburg beschließt, dass er zu Offshore-Windkraft eine positive Einstellung hat, dann ist das doch immerhin schon ein sichtbares Ergebnis.

Die Hochspannungstrasse zwischen Ganderkesee und St. Hülfe ist bekanntlich im Raumordnungsverfahren. Wir haben in den Ausschüssen des Landtages bereits eine umfassende und intensive Diskussion darüber geführt, um die Möglichkeiten einer Erdverkabelung auszuloten.

Sowohl bei der Anhörung im Mai letzten Jahres als auch bei der Vorstellung des ForWind-Gutachtens zur Kostenrelation zwischen Freileitung und Erdkabel im September sind allerdings offene Fragen zurückgeblieben. Die Kostenkalkulation berücksichtigt keine volkswirtschaftlichen Schäden. Erhöhte naturschutzrechtliche Kompensationsanforderungen bei Freileitungen sind nicht mit einbezogen. Geringere Stromverluste bei erdgebundenen Leitungen sind nicht in den Verkaufspreis eingeflossen. Die Angaben zur Reparaturanfälligkeit von Erdleitungen sind mit Vorsicht zu genießen.

Meine Damen und Herren, in der Studie des ForWind-Instituts wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Erfahrungen mit einem Erdkabel über 380 kV bislang für eine Strecke von 50 km nicht vorliegen. Wenn dem so ist, muss so etwas im Rahmen eines Pilotvorhabens erprobt werden. An einem Pilotvorhaben müsste wegen der erheblichen Widerstände gegenüber Freileitungen auch anderenorts - ich erinnere hier nur an eine Freileitung im Raum Osnabrück - die Energiewirtschaft ein erhebliches Interesse haben. Auch für die Anbieter erdgebundener Leitungssysteme dürften diese Erfahrungen von immenser Bedeutung für ihr weiteres, auch weltweites Geschäft sein.

Ein solches Pilotprojekt, meine Damen und Herren, würde endlich Klarheit über die möglichen Mehrkosten bringen und eine vernünftige Diskussion nicht nur in Niedersachsen darüber erlauben, wie zukünftig neue Energietrassen gebaut werden. Erst valide Ergebnisse in der Praxis stellen eine vernünftige Grundlage für die weitere Diskussion dar.

Meine Damen und Herren, Sie können es bei dieser Trasse im Rahmen des Raumordnungsverfahrens auch durchsetzen. Die unterirdische Verlegung ist als Ziel im Landes-Raumordnungsprogramm festgeschrieben. Dort heißt es nämlich - ich zitiere -: „Sie“, also Hochspannungsfreileitungen, „sind, soweit technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar, zu verkabeln.“

Teile des Gebietes, die dort betroffen sind, sind zudem Bestandteil des Naturparks Wildeshauser Geest, eines Gebietes, das sich durch besondere landschaftliche Schönheit auszeichnet. Andere Bereiche haben eine besondere Bedeutung für den Vogelschutz. Es gibt also durchaus raumordnerische Gründe, in diesem Gebiet den Bau einer Freileitung zu untersagen. Nutzen Sie diese Chance! Beweisen Sie Mut!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unabhängig von diesem Einzelfall ist eine Reduzierung der Grenzwerte für elektromagnetische Strahlung dringend erforderlich, um gesundheitliche Gefahren im Sinne der Vorsorgepflicht tatsächlich ausschließen zu können. Der Vorsorgewert der Weltgesundheitsorganisation beträgt für das Magnetfeld 0,2 Mikrotesla, der Grenzwert in Deutschland beträgt zurzeit 100 Mikrotesla. Italien hat 3 Mikrotesla als Qualitätsziel seit 2003 festgeschrieben und daran den Bau neuer Freileitungen ausgerichtet.

Um gesundheitliche Gefahren von der betroffenen Bevölkerung abzuwenden, fordern wir die Landesregierung auf, zu handeln und sich im Bundesrat für eine Reduzierung des aktuell viel zu hohen Grenzwertes einzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, da die Änderung von Grenzwerten im Dschungel zwischen Bundesrat und Bundestag ein mühsames Geschäft ist und Zeit kostet, müssen wir schneller zu Ergebnissen kommen. Die Landesregierung kann hier durchaus selbst handeln, z. B. indem sie die Abstandsempfehlungen analog zu Nordrhein-Westfalen entwickelt und übernimmt. Bei 380-kV-Leitungen wird hier ein Abstand von 160 m zur Wohnbebauung empfohlen. Das können Sie allein in Niedersachsen umsetzen. Sie würden damit die von neuen Hochspannungsleitungen Betroffenen tatsächlich ernst nehmen und nicht nur davon reden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, natürlich sollen diese Punkte dazu beitragen, Freilassungstrassen unabhängig vom Fall Ganderkesee - St. Hülfe generell zu erschweren. Das, meine Damen und Herren, ist auch gut so. Bei erdgebundenen Lösungen gibt es erhebliche Vorteile für das Allgemeinwohl: Die Versorgungssicherheit wird erhöht, wie wir jetzt nach den Ereignissen vom Dezember letzten Jahres wissen. Die Gefährdung der Menschen wird deutlich verringert, keine Seilabrisse, keine Mastumbrüche, kein Eisfall und kaum Elektrosmog. Wertverluste für Immobilien fallen geringer aus. Die Landschaft wird weniger belastet. Naherholung und Lebensqualität bleiben erhalten. Risiken für Vögel werden ausgeschlossen, und, meine Damen und Herren, die Stromverluste sind geringer; das ist auch ein ökologischer Vorteil.

Liebe Kollegen von der CDU, hören Sie auf Ihre Kollegen aus dem Landesverband Oldenburg, die genau das, was wir jetzt hier beantragen, nämlich ein Pilotverfahren für die Trasse Ganderkesee St. Hülfe, letztes Wochenende in Friesland beschlossen haben. Nutzen Sie die Chance, erdgebundene Hochspannungstrassen voranzubringen. Sie können hier wirklich etwas bewegen.

Ihren Antrag vom Februar 2005 sollten Sie allerdings lieber zurückziehen. Sie hauen nämlich sonst die Regierung Merkel in die Pfanne

(Beifall bei den GRÜNEN)

und widersprechen im Übrigen natürlich auch wieder den Forderungen Ihres Landesverbandes Oldenburg.

Setzen Sie im Raumordnungsverfahren die Erdleitung als Pilotprojekt durch! - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön, Herr Janßen. - Für die FDP-Fraktion Herr Kollege Oetjen! Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Niedersachsen ist das Bundesland mit dem höchsten Anteil an Windenergie im Energiemix. Das klingt auf den ersten Blick sehr gut, wie ich von der linken Seite schon gehört habe. Was aber in der Windeuphorie vergessen wurde, war, ein schlüssiges Konzept für die Ableitung der anfallenden Mengen an Windstrom zu erstellen. Bis 2010, so die Pläne der alten Bundesregierung, sollen allein in Niedersachsen 3 000 MW Windkraftleistung im Offshore-Bereich fest installiert sein.

Mit dem Regierungswechsel hat sich an dieser Zielvorgabe - das hat der Kollege Janßen gerade schon gesagt - dank Trittins Erbe im Bundesumweltministerium noch nicht so viel geändert. Windparks auf See müssen sehr großzügig genehmigt werden. Nicht ausreichend ausgebaute Stromnetze sind ausdrücklich als Genehmigungshindernis ausgenommen. Das hatte zur Folge, dass seitens des Bundes weiterhin fröhlich Windparks im Offshore-Bereich genehmigt werden, und das ohne ein ausreichendes Netzkonzept.

Wir sind der Überzeugung, dass Windenergieanlagen im Offshore-Bereich erst dann genehmigt werden dürfen, wenn ein sicheres Ableitungskonzept für den anfallenden Strom besteht. Dieses muss erstellt werden, um überhaupt eine Entscheidungsgrundlage über die Notwendigkeit zukünftiger Trassen zu haben.

Meine Damen, meine Herren, der Bund muss in dieser Frage endlich handeln und darf Niedersachsen nicht einfach im Regen stehen lassen. Sinnbildlich für die Debatte ist sicherlich die derzeitige Diskussion um die geplante Trasse der E.ON Netz zwischen Ganderkesee und St. Hülfe. Diese Trasse ist ausschließlich für die Ableitung von Windstrom notwendig. Sie ist damit die direkte Folge der verfehlten Ausbaupolitik der alten Bundesregierung. Anstatt auf intelligente Lösungen und damit auf Energiemanagement und Speichertechnologien zu setzen, wird nach wie vor der Windstrom 1 : 1 ins Netz eingespeist. Das ist die direkte Folge der Vorgaben im EEG. Die FDP hat dazu eine sehr klare Position. Hier müssten schnellstmöglich Änderungen her.

In der Diskussion vor Ort stehen die Entscheidungen zwischen Freilandleitungen und Erdverkabelungen im Mittelpunkt. Entscheidungsgrundlage für oder gegen die eine oder die andere Technik müssen die Belange aller Beteiligten sein. Die Sorgen der Menschen vor Ort müssen wir sehr ernst nehmen. Gleichzeitig müssen wir den Stromkunden höhere Strompreise ersparen. Diese wirken sich im Privathaushalt vielleicht nicht maßgeblich aus, mag der eine oder andere denken. Anders sieht das allerdings in den energieintensiven Betrieben aus. An einer entsprechenden Entscheidung hängen dann nämlich letztendlich auch Arbeitsplätze.

Vor allem aber muss der Dialog mit den betroffenen Menschen vor Ort weiter geführt werden. Einen entsprechenden Antrag haben wir als Regierungsfraktionen von FDP und CDU schon auf den Weg gebracht. Es freut uns, dass auch die Grünen das Thema jetzt entdeckt haben - vielleicht mit etwas Verspätung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Erdverlegte Kabel sind im Vergleich zu Freilandleitungen die für Natur und Menschen bessere Lösung; das hat der Kollege Janßen aus meiner Sicht richtig dargestellt. Einschränkungen bleiben allerdings die Faktoren der Wirtschaftlichkeit und der technischen Realisierbarkeit; die Studie dazu

ist hier im Hause bekannt. Es stellt sich daher durchaus die Frage eines Forschungsprojekts in diesem konkreten Fall.

Ich kann durchaus verstehen, dass Sie aus Ihrer Rolle als Oppositionsfraktion heraus gerne den bequemen Weg vermeintlich populärer Forderungen gehen. Zurzeit verhindert aber der Bund selbst durch seine Vorgaben gegenüber der Bundesnetzagentur eine Erdverkabelung. Sie machen den betroffenen Menschen damit etwas vor, wenn Sie so tun, als ob das Land hier alle Hebel in der Hand hätte. Das kann am Ende nur als Täuschungsmanöver gewertet werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)