Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

Und der Fraktionsvorsitzende der FDP, auch Nichtjurist, aber auch geschärft im Verstand, sekundiert ihm: „Rechtsstaatlich bedenklich und zur Terrorismusbekämpfung ungeeignet.“ - Recht haben die Herren, meine Damen und Herren. Ich hoffe, dass sehen alle hier im Parlament so.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir hoffen - das richte ich an die FDP -, dass Sie sich hier einmal durchsetzen werden, nicht mehr lavieren, sondern dem vorliegenden Entschließungsantrag zustimmen.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Die kippen doch wieder um!)

Meine Damen und Herren, der Pressesprecher des Ministers, ein ganz kluger Mann, äußert sich dann auch noch zu den Änderungen des Ausländer

rechts. Er sagt nämlich, für die elektronische Fußfessel reiche eine Änderung im Ausländerrecht.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Und der Verfassungsminister Schünemann nennt die elektronische Fußfessel für Menschen, die keine Straftaten begangen haben, auch noch „geprüft“ und „rechtlich einwandfrei“.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Herr Minister, Sie haben sich - das darf ich in aller Deutlichkeit sagen - ein Armutszeugnis allererster Güte ausgestellt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir sind beschämt über Sie.

Herr Ministerpräsident - er ist nicht da; ich richte diese Worte trotzdem an ihn -: Sie haben dem Innenminister zwei Staatssekretäre an die Seite gegeben. Das ist, wie wir wissen, ein teurer Spaß. Aber gebracht hat es auch nichts.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich empfehle dem Ministerpräsidenten, nicht nur die Staatssekretäre auszuwechseln, sondern in allererster Linie den Innenminister, damit uns Rechtspleiten und Peinlichkeiten wie die, die wir hier in der letzten Zeit bereits im Parlament diskutiert haben, zukünftig erspart bleiben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, wer auf die Verfassung des Landes und des Bundes den Eid geschworen hat, sollte sich der Verantwortung entsprechend auch bewusst sein. Er sollte die Verfassung einhalten und auch achten. Man spielt nicht mit Schlagzeilen, man jongliert nicht mit der Verfassung. Das gilt hier und überall.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Präventiv sollen mit der elektronischen Fußfessel freiheitsbeschränkende Maßnahmen auferlegt werden. Wer soll darüber entscheiden? Welcher Radius soll hier überhaupt kontrolliert werden, ganz zu schweigen von den dabei technisch auf

tretenden Schwierigkeiten, die die Justizminister in ihren Konferenzen schon mehrfach sehr breit erörtert haben? Deshalb läuft in Hessen derzeit auch nur der Versuch. - Das wissen Sie auch alles, Herr Minister. Dennoch posaunen Sie.

Wir haben es, wie Sie wissen, nicht mit Beschuldigten zu tun, sondern mit abstrakt von Ihnen Verdächtigten. Wo bleibt da die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, Herr Minister? Sie bleiben die Antwort schuldig. Es hat ja ausgereicht, zu posaunen.

Wie ist es denn mit dem Übermaßverbot? - Sie bleiben die Antwort schuldig.

Meine Damen und Herren, das Übrige hat in hervorragender Form mein Vorredner bereits gesagt. Ich fordere den Ministerpräsidenten auf: Greifen Sie diesem Herrn Innenminister ins Rad! Greifen Sie ein, und ersparen Sie es unserem Land und den Bürgern, weitere verfassungsrechtliche Blamagen wie die hier vorgelegte noch weiter zu erörtern.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Klaus Krumfuß [CDU]: Das darf doch nicht wahr sein!)

Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Schünemann das Wort.

(Axel Plaue [SPD]: Na, schon bei der Wurzel-Behandlung gewesen?)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin schon sehr verwundert. Ich habe den Eindruck, dass Sie sich mit diesem Vorschlag nicht intensiv befasst haben.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

Was nicht nur mich, sondern was alle Innenminister in dieser Frage bewegt, ist das Ziel, zu einer Verbesserung der Sicherheitslage zu kommen, indem man aktiv zu einer Weiterentwicklung des rechtlichen Instrumentariums beiträgt, das den Sicherheitsbehörden, den Ausländerbehörden und der Justiz zur Verfügung steht. So genannte aus

ländische Top-Gefährder, die ausgewiesen wurden und deren Abschiebung noch nicht durchgeführt werden kann, weil z. B. noch ein Pass beschafft werden muss oder andere Abschiebungshindernisse bestehen - beispielsweise weil im Herkunftsland Folter oder die Todesstrafe drohen -, können durch ausländerrechtliche Maßnahmen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Das ist übrigens schon jetzt rechtlich möglich. Frau Justizministerin a. D., ich meine, das müssten Sie auch wissen.

(Heidrun Merk [SPD]: Davon dürfen Sie ausgehen!)

Die Einhaltung dieser Auflagen könnte mit der elektronischen Fußfessel überwacht werden. Durch einen Richtervorbehalt wird erreicht, dass die Voraussetzungen für den Einsatz der elektronischen Fußfessel durch eine unabhängige Instanz überprüft werden. Es besteht also kein Anlass, Angst vor einem Überwachungsstaat zu schüren.

Meine Damen und Herren, es gab einen ganz konkreten Anlass, weshalb ich diese Forderung erhoben habe. Das war im Übrigen nicht zwischen Weihnachten und Neujahr, sondern schon sehr viel früher. Dieser konkrete Anlass war der Fall Kaplan, den Sie sicherlich alle noch in Erinnerung haben. Wir haben damals miterleben müssen, dass Herr Kaplan untergetaucht war und wir nicht wussten, wo er sich befand. Deshalb kam eine Diskussion auf, in der nicht die CDU, die CSU oder gar ich, sondern an erster Stelle Bundesinnenminister Schily gefordert hat, eine so genannte Sicherungshaft einzuführen.

(Zuruf von Heidrun Merk [SPD])

- Das entspricht dem, was ich gerade gesagt habe: Auf der gleichen Grundlage soll jemand in Haft genommen werden können.

(Heidrun Merk [SPD]: Da waren wir auch nicht einer Meinung!)

Ich gebe offen zu, dass es in diesem Zusammenhang auch Vorschläge aus der Union gab.

Wenn man es genau prüft, ist es zumindest verfassungsrechtlich sehr schwierig, dieses Vorhaben umzusetzen. Deshalb darf man aber nicht die Augen vor dem Problem verschließen. Wenn wir mit jemandem zu tun haben, der als Top-Gefährder eingestuft ist, den wir aber aus den Gründen, die ich gerade genannt habe, nicht abschieben kön

nen, dann muss dieser Rechtsstaat in der Lage sein, ihn wenigstens so im Blick zu haben, dass man nicht befürchten muss, dass er untertaucht und vielleicht sogar noch auf unserem Boden Anschläge planen kann. Genau darum geht es mir.

(Beifall bei der CDU)

Insofern frage ich mich schon, wie Sie, wenn wir Vorschläge unterbreiten, die hinsichtlich der Schwere des Eingriffs wirklich weit unter dem von Bundesinnenminister Schily zur Einführung der Sicherungshaft liegen, eine solche Rede halten können. Ich kann nur sagen: Dann hätten Sie hier so auftreten müssen, als Bundesinnenminister Schily genau dies gefordert hat. Ich habe hier einen Vorschlag unterbreitet, mit dem genau das erreicht werden soll: die Top-Gefährder wenigstens so weit im Auge zu haben, dass wir sicherstellen können, dass sie nicht unerkannt untertauchen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, dieser Vorschlag wird jetzt in der Innenministerkonferenz diskutiert. Übrigens hat auch Herr Wiefelspütz von der SPD gesagt, wir müssen diesen Vorschlag von Herrn Schünemann prüfen, weil auch wir diese Gesetzeslücke durchaus sehen.

Meine Damen und Herren, es ist schlichtweg völlig unangemessen, deshalb hier so einen Popanz aufzubauen.

(Heidrun Merk [SPD]: Popanz? Sol- che Einschränkungen der Freiheits- rechte sind kein Popanz!)

- Natürlich ist das ein Popanz: weil das, was Sie hier vorgetragen haben, in keiner Weise gerechtfertigt ist.

Wir versuchen lediglich - aus dem Ausländerrecht entwickelt -, die Einhaltung der Auflagen, die man schon jetzt einem Ausländer auferlegen kann, zu kontrollieren. Nicht mehr und nicht weniger beinhaltet mein Vorschlag.

Zu Herrn Lennartz kann ich nur sagen, dass die Maßnahmen im Anwendungsbereich des Polizeigesetzes, die dort beschlossen worden sind, außer Kraft gesetzt worden sind, sodass hier kein sofortiger Handlungsbedarf besteht. Die Maßnahmen, die notwendig sind, befinden sich jetzt schon in der Abstimmung. Mithin können wir im März einen Gesetzentwurf vorlegen, und das heißt, im Frühjahr dieses Jahres werden wir einen Entwurf zur

Änderung des Polizeigesetzes vorlegen. Also auch hier besteht kein Anlass, dieses Vorhaben in irgendeiner Weise anzugreifen, weil nämlich alle auf diesem Weg sind.

Also, meine Damen und Herren: keine Aufregung! Dies ist ein Vorschlag, der abgewogen ist und der im Kreis der Innenminister gerade ernsthaft diskutiert wird. Ich bin sicher, dass er eine vernünftige Alternative zur Sicherungshaft ist und insofern auch akzeptiert werden kann.

(Beifall bei der CDU)