Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Frau Kollegin Geuter von der SPD-Fraktion, jetzt haben Sie das Wort.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Wie er- klärt man ihm das jetzt richtig!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hochspannungsfreileitungen sind in Deutschland in größerem Umfang letztmalig Anfang der 1990erJahre als Folge der deutschen Wiedervereinigung gebaut worden. Seit der Zeit hat es einen großen Umbruch in der Energiewirtschaft gegeben, der sowohl durch starke Vorgaben und Wünsche der Europäischen Kommission zur Errichtung des Europäischen Binnenmarktes Elektrizität als auch durch unser gemeinsames politisches Interesse, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu forcieren, beeinflusst worden ist. Auf diese Herausforderungen, die also nicht nur aus dem Thema „Windenergie“ resultieren, sind die kontinentalen europäischen Verbundnetze, zu denen auch unsere deutschen Netze gehören, nicht ausreichend vorbereitet. Pläne von unterschiedlichen Netzbetreibern, insbesondere die Region Weser-Ems mit neuen Leitungstrassen zu durchziehen, haben nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei den betroffenen Kommunen zu erheblicher Verunsicherung geführt.

(Zustimmung bei der SPD)

Die widersprüchlichen Aussagen über die Anzahl der benötigten Trassen und die zugrunde liegenden Bedarfe waren wenig geeignet, diese Irritationen auszuräumen. Es hat sich in diesem Zusam

menhang sehr deutlich gezeigt, dass die einzelnen Antragsteller ihre Planungen ohne Abstimmung mit anderen verfolgt haben.

Aus diesem Grunde begrüßen wir die Entscheidung der Niedersächsischen Landesregierung, alle vorliegenden Anträge für Hochspannungsleitungen so lange zurückzustellen, bis im Rahmen der Novellierung des Landes-Raumordnungsprogramms eine Gesamtkonzeption und eine auf den tatsächlichen Bedarf abgestimmte optimierte Trassenführung für neue Netztrassen erarbeitet worden sind. Das war ja auch eines der Ziele unseres Antrages vom Februar letzten Jahres.

Nicht nachvollziehbar ist für uns allerdings die Entscheidung, die geplante 380 kV-Leitung von Ganderkesee nach St. Hülfe nicht in diese Gesamtkonzeption mit einzubeziehen,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

sondern entgegen den Anträgen der betroffenen Gemeinden - und das waren nicht nur SPDdominierte Gemeinden - das Raumordnungsverfahren für diese Trasse fortzuführen. Während der Ministerpräsident in einem Schreiben im März des letzten Jahres an einen Landtagskollegen der FDP, der heute bezeichnenderweise nicht gesprochen hat,

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Der Kollege ist entschuldigt!)

darauf verweist, diese Hochspannungsleitung sei auch ohne den beabsichtigten Ausbau der Windenergie erforderlich, wird aus dem Hause des Landwirtschaftsministeriums der Bedarf für diese Leitungen auch mit der erforderlichen Ableitung von Strom aus noch zu erstellenden OffshoreAnlagen begründet. Der Antragsteller selbst musste zugeben, dass er diese Leitung natürlich auch in nicht unerheblichem Umfange für den internationalen Stromhandel nutzen will.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Diese Unterschiede machen deutlich, wie wichtig es ist, auch diese Trasse mit in eine Gesamtkonzeption im Rahmen des Landes-Raumordnungsprogramms einzubinden.

Wir sind den vielen Bürgerinnen und Bürgern aus der betroffenen Region sehr dankbar für ihre umfangreichen Stellungnahmen und Einwendungen

im Laufe des ersten Raumordnungsverfahrens. Hatte der Landwirtschaftsminister in einem Schreiben vom 19. Januar 2005 noch dargelegt, der Antragsteller für die Trasse Ganderkesee - St. Hülfe habe hinreichend dargelegt, warum eine Ausführung der Leitung als Erdkabel nicht in Betracht komme - der Minister selbst führte dafür Kostengründe und die bessere Betriebssicherheit von Freileitungen an -, so haben ihn die Stellungnahmen der Bürgerinnen und Bürger zumindest zu der Erkenntnis gebracht, dass für eine Entscheidung über den vorliegenden Antrag ein weitergehendes Gutachten erforderlich ist. Im Rahmen dieser so genannten Vergleichsstudie sind die Übertragungsalternativen Freileitung, Erdkabel und gasisolierte Leitung untersucht worden.

Wir können heute feststellen, dass die jetzt vorliegende Studie zwar eine gute Grundlage für eine weitere intensive Bearbeitung bildet, dass sie aber gleichzeitig viele Fragen offen lässt. Zu begrüßen sind die Ergebnisse, dass entgegen allen vorhergehenden anders lautenden Hinweisen alle drei Leitungsalternativen technisch realisierbar sind und dass die Kostenunterschiede zwischen einer Freileitung und einer unterirdischen Verkabelung deutlich geringer ausfallen, als sie vorher prognostiziert wurden.

Es sind aber - darauf verweisen auch die Verfasser des Gutachtens - nur die Investitionskosten und die Betriebskosten miteinander verglichen worden. Leider fehlt eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung, die für eine abschließende Beurteilung erforderlich ist. Zu dieser abschließenden Beurteilung - darauf verweist auch der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund - gehören u. a. die Kosten für Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen für dauerhafte Umweltbeeinträchtigungen, die Wertverluste für die anliegenden Grundstücke, die Folgen für den Tourismus, für die dauerhafte Zerstörung des Landschaftsbildes und natürlich auch die Auswirkungen bei steigenden Energiekosten. Dem Kostenvergleich in diesem Gutachten sind nämlich Handelspreise für Strom zugrunde gelegt worden, die schon heute nicht mehr den tatsächlichen Zahlen entsprechen. Steigende Strompreise sind nicht hinreichend berücksichtigt worden.

Fehlerhaft ist in dem Gutachten auch, dass bei allen Ausführungsvarianten identische Genehmigungskosten zugrunde gelegt wurden. Planfeststellungsverfahren gibt es bekanntlich nur bei Freileitungen.

Die unterschiedlichen Verfahrensdauern haben überhaupt keine Berücksichtigung gefunden. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass die Sachverständigen im Rahmen der Anhörung im Mai des letzten Jahres darauf verwiesen, dass bei Genehmigungsverfahren für Freileitungen eine deutlich längere Verfahrensdauer einzuplanen sei, weil bei allen bekannten Planungen die betroffenen Bürgerinnen und Bürger alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um sich gegen diese von ihnen nicht akzeptierte Technik zur Wehr zu setzen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eine der wesentlichen Schlussfolgerungen des ForWind-Gutachtens lautet: Freileitungen seien deshalb zu bevorzugen, weil sie schneller zu bauen - ich erinnere an das, was ich gerade gesagt habe -, zuverlässiger im Betrieb und einfacher zu warten seien. Meine Damen und Herren, diese Aussage ist auch aufgrund der Ereignisse der vergangenen Wochen im Münsterland wohl mehr als widerlegt worden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Hans-Dieter Haase [SPD]: Schöne Bilder!)

Haben deutsche Netzbetreiber vor nicht allzu langer Zeit darauf verwiesen, dass Stromausfälle wie die, die wir vor einiger Zeit in den USA, in Italien oder Schweden verfolgen konnten, bei uns nicht vorstellbar seien, so haben uns die aktuellen Ereignisse eines Besseren belehrt.

Die inzwischen bekannt gewordenen Zahlen über die kontinuierlich zurückgegangenen Netzinvestitionen zeigen uns auch, was von der seinerzeitigen Begründung der Versorgungsunternehmen zu halten ist, die Versorgungssicherheit in Deutschland sei deshalb so hoch, weil die Netzbetreiber regelmäßig hohe Summen in die Netztechnik und die Netzsicherheit investiert hätten, und die damit auch ihre hohen Preise begründet haben. Auch da wissen wir heute mehr. Es reicht auch nicht aus, die Ereignisse im Münsterland auf ein nicht zu erwartendes Jahrhundertwetter zu schieben. Klimaforscher sind sich seit langem in der Prognose einig, dass schwere Wetterereignisse wie dieses sich zukünftig häufen werden.

Einige Energieversorger und Netzbetreiber haben im Zusammenhang mit dem Unwetter im Münsterland auch darauf verwiesen, dass ein Hauptgrund für ihre höhere Zuverlässigkeit in der Energiever

sorgung sei, dass sie ihre Leitungen nahezu vollständig unterirdisch verkabelt hätten. Ich stelle Ihnen die entsprechenden Presseinformationen gerne zur Verfügung. Wenn also schon nach den Aussagen derjenigen, die etwas davon verstehen müssen, mit Freileitungen keine Vertrauen erweckende Versorgungssicherheit zu erreichen ist, so können diese in einem Raumordnungsverfahren auch nicht mehr als Stand der Technik gelten.

Schon während der Anhörung im Niedersächsischen Landtag wurde deutlich, dass die jetzigen Grenzwerte der 26. BImSchV veraltet sind. Meine Damen und Herren, es wird gerne und oft darauf verwiesen, dass bundesdeutsche Regelungen und Grenzwerte deutlich restriktiver seien als die in den europäischen Nachbarländern. Hier müssen wir darauf verweisen - das hat mein Kollege Janßen schon getan -, dass der Vorsorgewert der WHO bei 0,2 Mikrotesla liegt, dass wir in Italien einen Grenzwert von 0,5 Mikrotesla verzeichnen und dass selbst in Nordrhein-Westfalen die Vorgabe gemacht wurde, dass im Rahmen der Bauleitplanung für Wohnbebauung ein Grenzwert von 10 Mikrotesla einzuhalten ist. Bei dieser Entscheidung, über die wir jetzt sprechen, gehen wir immer noch von einem Grenzwert von 100 Mikrotesla aus. Das kann ja wohl nicht wahr sein!

Wir sind der Überzeugung, dass eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung aller Faktoren, die ich hier nur teilweise anführen konnte, zu dem Ergebnis kommen muss, dass nur eine unterirdische Netzanbindung für zukünftige Netze der Regelfall sein kann.

Der vorliegende Antrag der Grünen, den wir in großen Teilen mittragen können, mag mit dazu beitragen, bei der Beratung der bereits vorliegenden Anträge zu dem gleichen Thema ein bisschen als Katalysator zu wirken, damit wir in dieser nicht nur für die Bevölkerung im Bereich von Ganderkesee und St. Hülfe so wichtigen Frage endlich zu einer Antwort kommen.

Meine Damen und Herren, die Politiker der CDU und FDP vor Ort haben sich mit Forderungen nach Erdverkabelung an den Ministerpräsidenten und an den zuständigen Minister gewandt. Ähnliches gilt für Landtagskollegen und Bundestagsabgeordnete der FDP. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Regierungsfraktion, Sie haben die Möglichkeit, Ihren eigenen Minister davon zu überzeugen, dass er im Rahmen der Raumordnung seine

Möglichkeiten nutzt, dieses berechtigte Anliegen auch umzusetzen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Geuter, Sie haben Ihre Redezeit bereits überschritten.

Ich bin fertig. Ich möchte für die SPD-Fraktion nur noch beantragen, dass neben den schon aufgeführten Ausschüssen auch der Umweltausschuss an der Beratung zu beteiligen ist.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Frau Geuter. - Für die CDUFraktion hat nun Herr Kollege Biestmann das Wort.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Der Lan- desverband Oldenburg!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Janßen, ich werde Ihr Glücksgefühl noch steigern, indem ich als Mitglied des Landesverbandes Oldenburg zu dieser Problematik spreche.

Meine Damen und Herren, wir beraten heute in erster Lesung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Ziele der Landesraumordnung einhalten - Erdkabel im Höchstspannungsbereich erproben!“. Man könnte glauben, der Landtag und die Landesregierung würden sich damit einer völlig neuen Thematik erstmalig stellen. In Wirklichkeit berät der Landtag nun schon seit genau einem Jahr über diese Problematik.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das ha- ben die Vorredner schon betont!)

CDU und FDP haben in einem Entschließungsantrag vom 15. Februar 2005 gefordert, niedersächsische Bürger vor unzumutbaren Beeinträchtigungen durch Hochspannungsleitungen zu schützen und die Bundesregierung nicht aus ihrer Verantwortung für den Netzausbau zu entlassen. Die SPD-Fraktion forderte in einem eigenen Antrag,

den Bedenken der Bevölkerung beim weiteren Netzausbau Rechnung zu tragen.

Lassen Sie mich noch einmal auf den Antrag von CDU und FDP eingehen. Die zentrale Forderung darin ist: Beim weiteren Ausbau unserer Stromnetze muss die Verlegung von Erdkabeln dem Bau von Hochspannungsfreileitungen vorgezogen werden, wenn dies technisch realisierbar und wirtschaftlich machbar ist. - Diese zentrale Forderung halten wir auch heute noch aufrecht.

Auch unsere Forderung an die Bundesregierung halten wir aufrecht, nämlich ihre Verantwortung in der Energiepolitik dahin gehend wahrzunehmen, ein realistisches Konzept für die zukünftige und, wie wir wünschen, preiswerte und sichere, aber auch umweltfreundliche Energieversorgung Deutschlands zu erstellen. Das hat auch etwas damit zu tun, dass Ihr Parteifreund Gabriel jetzt Umweltminister ist. Ihn können Sie jetzt ja auch nicht aus der Verantwortung entlassen. - Hier war eben nur von Frau Merkel die Rede. Ich will das nur nebenbei anmerken.

Wir fordern eine Minimierung der Belastung der Bevölkerung bei der Weiterleitung des Stroms und eine bundesweite Verteilung der Kosten für Netzverstärkungen. Darüber hinaus fordern wir eine Intensivierung der Forschung betreffend alternative Stromspeicher und Übertragungstechniken wie z. B. eine unterirdische Unterbringung von Stromnetzen.

Das bedeutet für uns auch eine stärkere Präferenz von Alternativen zum Freileitungsbau. Wir halten es für unverantwortlich, immer mehr Genehmigungen für Offshore-Windparks auszusprechen, wie es die alte Bundesregierung getan hat, ohne die grundsätzlichen Fragen künftiger Stromverbundnetze an Land zu klären.

(Beifall bei der CDU)

Auch künftig gilt: Die Landespolitik kann Genehmigungen von Anträgen für die Erweiterung der Stromverbundnetze nur nach raumordnerischen Gesichtspunkten, nur nach LROP begleiten. Nur falls die raumordnerischen Ziele in der Fläche durch Investitionsmaßnahmen infrage gestellt werden, kann die Landesregierung im Genehmigungsverfahren intervenieren. Das gilt auch für aktuelle Pilotprojekte im Nearshore-Bereich generell, nicht für Offshore-Windparks in der allgemeinen Wirtschaftszone.

In dem heute zur Beratung anstehenden Antrag von Bündnis 90/Die Grünen geht es vorrangig um einen Stromnetzlückenschluss zwischen Ganderkesee und Diepholz im Rahmen transeuropäischer Netze. Es geht hier - damit muss ich meinem Kollegen Oetjen etwas widersprechen - nicht um die Offshore-Technik. Es geht um eine 60 km lange Strecke, die - so sieht es der Antrag von E.ON vor - mit einer 380 kV-Freileitung bestückt werden soll. Städte und Gemeinden, Bürgerinitiativen sowie kommunale Spitzenverbände wenden sich gegen diese Freileitung und fordern eine Erdverkabelung dieser Strecke. Sie wenden sich gegen viele denkbare Beeinträchtigungen und Belastungen bis hin zum vermuteten Wertverlust von Immobilien.