Meine Damen und Herren, wir brauchen dringend ein bilaterales Abkommen mit Polen, um einen unbürokratischen Einsatz polnischer Erntehelfer schnellstmöglich zu gewährleisten. Das sind wir unseren Betrieben in Niedersachsen schuldig. Wir dürfen sie nicht im Regen stehen lassen.
SPD und CDU in Berlin in dieser Frage über Wochen geleistet haben, muss endlich ein Ende haben. Wir brauchen praktikable Regelungen für unsere Betriebe. Herr Kollege Johannßen, nach den Ankündigungen von Herrn Seehofer kann man zwar etwas hoffnungsvoller sein als vor kurzem. Dennoch sollten wir ihn auf diesem Weg begleiten, damit wir zu guten Lösungen finden und nicht, wie in anderen Fragen, in großkoalitionärer Planwirtschaft enden. - Vielen Dank.
Als Nächstem erteile ich dem Kollegen HansJürgen Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem Herr Biestmann hier ausführlich die Überflüssigkeit dieses Antrages begründet hat
und auch der Kollege Oetjen dargestellt hat, wo die eigentlichen Probleme liegen, sollten wir uns jetzt über einen Antrag unterhalten, der die Landesregierung bittet, diese Eckpunkteregelung schlicht und einfach unterzupflügen, nämlich zu beseitigen.
Natürlich wollen wir alle, dass inländische Arbeitskräfte auch als Saisonkräfte in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Aber das Konzept, das die Bundesregierung entwickelt hat, ist nun wirklich nicht zu gebrauchen. Das ist ein Schnellschuss, der die leidvollen Erfahrungen der Vergangenheit überhaupt nicht berücksichtigt und der deshalb zu einem Zickzackkurs führt, der die landwirtschaftlichen Arbeitgeber um die Ernte ihrer Saisonkulturen fürchten lässt, bevor die Pflanzen überhaupt aus dem Winterschlaf erwacht sind.
Planungssicherheit ist eben nicht die Stärke der großen Koalition, meine Damen und Herren. Ob eine staatliche verordnete Erntehelferquote der richtige Weg ist, darf doch nach allen Erfahrungen nun wirklich bezweifelt werden. Eine Zwangsquote - nichts anderes ist das - ist mit dem Begriff der Freiwilligkeit schwer zu vereinbaren, auch wenn
das immer wieder beschworen wird. Motivation - das wissen wir alle - ist eine Grundvoraussetzung für jede Arbeit und ist auch für das Arbeitsergebnis entscheidend.
Wir kennen doch die Ergebnisse und die Erfahrungen der Vergangenheit. Trotz Trainingskursen, trotz sozialpädagogischer Betreuung war das Ergebnis früherer Projekte mehr als bescheiden. Die Eignung für die gesuchten Qualifikationen ist also ganz offensichtlich sehr viel begrenzter, als immer unterstellt wird.
Meine Damen und Herren, ein landwirtschaftlicher Betrieb ist kein Experimentierfeld und keine sozialpädagogische Einrichtung, sondern ein komplexes Unternehmen, das gerade während der Ernte auf qualifizierte, motivierte und zuverlässige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen ist.
In diesem Zusammenhang spreche ich insbesondere auch die FDP an. Denken Sie doch einmal an das Stichwort Bürokratie! Schon die ursprüngliche Regelung war mit Erfassung der Betriebe, Ermittlung der Quote, Kontrolle usw. völlig überbürokratisiert. Durch die jetzt so gefeierte Flexibilisierung treiben Sie das Ganze noch einmal auf die Spitze. Jetzt haben Sie eine Sollquote, jetzt haben Sie eine Mussquote, jetzt haben Sie allerhand in Aussicht gestellte Härtefallregelungen für den im Vergleich zum Vorjahr erhöhten Arbeitskräftebedarf.
Ich rate Ihnen: Schauen Sie mal in die Ausführungsbestimmungen der Bundesanstalt, die an die Arbeitsagenturen gegangen sind. Der erhöhte Arbeitskräftebedarf muss beispielsweise durch ein Fachgutachten der Landwirtschaftskammer nachgewiesen werden. Dann kann ich nicht einfach sagen „Ich habe 2 ha gekauft und brauche jetzt ein paar Leute mehr“, sondern die Landwirtschaftskammer muss ein Gutachten erstellen.
Dann gibt es natürlich auch noch die Ausnahme von der Ausnahme. Die kommt in Betracht - Herr Biestmann hat das schon angesprochen -, wenn - ich zitiere - trotz nachdrücklicher seriöser Anstrengungen aller Seiten die Inländerquote nicht erreicht wird. - Meine Damen und Herren, ich bin gespannt, wie dieses Kriterium nachgewiesen werden muss. Ich kann mir einiges vorstellen, was da auf unsere Landwirte zukommt, um eine vernünftige Regelung zu erreichen.
Wir haben schon seit einigen Jahren den Vorschlag gemacht, spezielle Personalagenturen für grüne Berufe im ländlichen Raum zu erproben, die
langfristig angelegt sind und ohne einen Quotendruck arbeiten. In enger Abstimmung mit den Arbeitgebern können sie dann eine Dienstleistung entwickeln, wobei dann die Arbeitskräftewerbung, ihre Qualifikation und eine unbürokratische Vermittlung aus einer Hand angeboten werden. Ich sage Ihnen: Das ist die Lösung. Das entspricht z. B. auch dem Beispiel Wittenberg, mit dem ja die BA wirbt, dass das möglich ist. Genau so macht die Personalagentur in Wittenberg das. Ich habe allerdings Zweifel, ob ihr das unter diesen Zwangsvoraussetzungen auch in diesem Jahr wieder gelingen wird.
Ein letzter Satz zur polnischen Sozialversicherung. Ich kann die Kosten und die Bürokratieprobleme der landwirtschaftlichen Arbeitgeber durchaus nachvollziehen. Aber man muss fairerweise auch sagen: Auch die Interessen der polnischen Sozialversicherung sind nachvollziehbar. Ein großes Problem habe ich an dieser Stelle - diesen Hinweis kann ich Ihnen nicht ersparen -: Ich habe Probleme, eine Forderung nach einer bilateralen Sonderregelung zum Gemeinschaftsrecht der Leute zu unterstützen, die sonst bei jeder Gelegenheit die 1 : 1-Umsetzung von EU-Recht fordern. Das kann ich nun wirklich nicht nachmachen. - Danke schön.
(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der SPD - Wolfgang Jüttner [SPD]: Der letzte Satz war gut!)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir von meinem Sitz aus die Wortbeiträge anhöre, dann stelle ich fest, dass wir eigentlich sehr nahe beieinander sind. Wir sind uns sicherlich alle darin einig, dass wir für die niedersächsischen Betriebe, die ausländische Saisonarbeitskräfte einstellen, Regelungen angehen müssen und da auch etwas bewegen müssen.
Meine Damen und Herren, wenn die Bundesregierung feststellt, dass der Anteil inländischer Arbeitskräfte erhöht werden soll, dann müssen wir alle doch dieses Vorhaben unterstützen. Ich bin Herrn Kollegen Klein dafür dankbar, dass er das Dilem
ma dargestellt hat. Ich bin es eigentlich gar nicht von ihm gewöhnt, dass er in unsere Richtung Stellung nimmt. Bei den Qualifizierungsmaßnahmen, die in den vergangenen Jahren durchgeführt worden sind, um beispielsweise 50 Apfelpflücker zu qualifizieren, standen am Ende noch fünf Arbeitskräfte zur Verfügung, die letzten Endes aber auch nicht durchgehalten haben. Das haben wir beim Spargel, bei den Erdbeeren, im Prinzip bei allen Früchten durchlebt bzw. durchlitten.
Wir haben nichts dagegen, diesen Ansatz noch einmal zu verfolgen. Ich meine, dass es angesichts von 5 Millionen Arbeitslosen gut ist, hier noch einmal anzusetzen. Letztendlich müssen wir aber sicherstellen, dass die Ernte - wertvolles Gemüse eingebracht werden kann. Deshalb haben wir im Bundesrat einen Antrag eingebracht. Herr Johannßen, wir haben den Antrag eingebracht. Es ist nicht so, dass der Antrag nicht beraten worden ist. Der Antrag ist lediglich einen Tag, nachdem das Bundeskabinett etwas beschlossen hat, beraten worden. Insofern befinden wir uns auch dort auf dem gleichen Wege. Eigentlich brauchen wir hier nur zu unterstützen, dass wir diese Maßnahmen nicht nur auf Regierungsebene beschließen, sondern im Sinne des Landes Niedersachsen und seiner Gemüse-, Spargel- und Obstanbauer auch durchsetzen.
Meine Damen und Herren, aufgrund dieser Intervention des Landes hat sich ja etwas getan. Wir machen dabei auch weiter. Nach den Gesprächen der Unionsfraktion im Bundestag mit dem zuständigen Minister Müntefering sollen beim verstärkten Einsatz von Arbeitslosen als Erntehelfer für expandierende Betriebe auch Ausnahmen zugelassen werden können. Das ist ein kleines Zeichen dafür, dass man sich bewegen kann. Mittlerweile hat die Bundesregierung die Härtefallregelung beschlossen. Das ist aufgrund der Intervention der Bundesländer und auch des Landes Niedersachsen bereits geschehen.
Meine Damen und Herren, wenn wir diese Öffnungsklauseln nutzen wollen und nutzen müssen, dann sollten wir auch schnell handeln. Wenn z. B. bei den Arbeitsämtern Diepholz oder Stade festgestellt wird, dass die 10 % nicht erreicht werden können, dann muss schnell gehandelt werden.
den, weil unsere Früchte im Boden, auf den Bäumen oder Sträuchern innerhalb kurzer Zeit verderben. Wir müssen daher die Möglichkeit haben, die Dinge schnell und unbürokratisch voreinander zu bekommen.
Ich stimme den Bedenken im Hinblick auf Polen als Mitgliedsland der EU zu. Wir müssen den Dingen ins Auge sehen, die sich auf dieser Ebene als EU-Mitgliedsland ergeben.
Liebe Herr Kollege Oetjen, wir müssen sicherlich die Möglichkeiten nutzen, die wir auf der Ebene der bilateralen Vereinbarungen haben. Ich glaube aber, dass da kaum großer Handlungsspielraum besteht, so schade das auch ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss bezüglich der Sozialversicherungsbeiträge unserer polnischen Erntehelfer noch eines hinzufügen. Wir haben in Deutschland fast nur ausländische Erntehelfer aus EU-Staaten. Deshalb fallen diese hohen Sozialversicherungsbeiträge ins Gewicht. Ich weiß z. B. von Erdbeeranbauern, dass ein polnischer Arbeitnehmer in Deutschland 9,62 Euro kostet, wenn er die 48 % als Sozialversicherungsbeitrag zahlt. Unsere Konkurrenten - ich will das ruhig so hart sagen - in Spanien, Süditalien und Griechenland beschäftigen Marokkaner, Albaner, Afghanen oder noch andere Arbeitskräfte aus nichteuropäischen Ländern und zahlen nicht die Hälfte der hiesigen Lohnkosten.
- Nein, die arbeiten schon richtig! - Das sind Konkurrenten am Markt. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier zu ordentlichen Abschlüssen und auch zu ordentlichen Gesetzen innerhalb der Europäischen Union kommen.
Vielleicht ist der Weg über eine ähnliche 400-Eurooder 800-Euro-Regelung möglich. Daran sollten wir arbeiten. - Danke schön.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Antrag soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie zur Mitberatung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, den Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit und auf Antrag von Herrn Johannßen von der SPD-Fraktion an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien überwiesen werden. Wer so verfahren möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 10: Einzige (abschließende) Beratung: Entwurf eines Niedersächsischen Verwaltungszustellungsgesetzes (NVwZG) - Gesetzentwurf der Landesregierung Drs. 15/2555 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport Drs. 15/2599
Zur Berichterstattung erteile ich Herrn Rudolf Götz von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Götz!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ausschuss für Inneres und Sport schlägt Ihnen vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung in geänderter Fassung anzunehmen. Dieser Empfehlung haben die Ausschussmitglieder der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion zugestimmt; die Ausschussmitglieder der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben dagegen gestimmt. Ebenso ist im mitberatenden Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen abgestimmt worden.
Mit dem Gesetzentwurf wird das Verwaltungszustellungsgesetz des Landes an die Neufassung des Verwaltungszustellungsgesetzes des Bundes angepasst. Über diese Fortentwicklung des Landesrechts bestand in den Ausschussberatungen
kein Streit. Wegen der Einzelheiten der Neuregelung darf ich auf die Begründung des Gesetzentwurfs verweisen.