Diesem Ziel dient das Gesundheitsdienstgesetz, das die bisherigen mehr als 70 Jahre alten gesetzlichen Grundlagen für den öffentlichen Gesundheitsdienst ersetzt. Herr Schwarz, in Ihrer mehr als 13-jährigen Regierungszeit haben Sie es nicht geschafft, ein modernes Gesetz in Kraft zu setzen, das Ihre eben geäußerten Anforderungen erfüllt.
Meine Damen und Herren, was hat sich gegenüber der bisherigen Gesetzeslage alles verändert? Das Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst enthält zwei grundlegende Weichenstellungen. Da ist zunächst einmal der Bereich des Infektionsschutzes zu nennen. Seine Bedeutung ist in der Folge der weltweit gestiegenen Mobilität gewachsen. Wir sehen das an den Beispielen SARS, Tuberkulose, HIV oder aktuell beim Thema einer möglichen Influenza-Pandemie infolge der Ausbreitung der Vogelgrippe. Hier erfüllt der öffentliche Gesundheitsdienst sowohl auf Landesebene als auch auf kommunaler Ebene wichtige Funktionen
bei der Krisenprävention und bei der Krisenintervention. Diesen Gefahrensituationen müssen wir landesweit einheitlich begegnen. Deshalb wird auch der Bereich des Infektionsschutzes künftig von den Landkreisen und kreisfreien Städten im übertragenen Wirkungskreis zu erfüllen sein. Die Fachaufsicht des Landes bleibt also erhalten. Damit wird sich an der bewährten Praxis für diesen nach wie vor quantitativ größten Aufgabenbereich des öffentlichen Gesundheitsdienstes nichts ändern.
Anders verhält es sich mit dem zweiten großen Arbeitsbereich des öffentlichen Gesundheitsdienstes, nämlich der Prävention und Gesundheitsförderung im weitesten Sinne. Das Gesetz verlagert hier die Aufgaben vom übertragenen in den eigenen Wirkungskreis der Landkreise und kreisfreien Städte. Es setzt Grundstandards für die kommunale Gesundheitsförderung, die Kinderund Jugendgesundheit, den umweltbezogenen Gesundheitsschutz und die Gesundheitsberichterstattung.
Die Schuleingangsuntersuchungen, meine Damen und Herren, sind ein wichtiges Element. Erstmals wird die Verpflichtung zur Durchführung von Schuleingangsuntersuchungen gesetzlich verankert.
Damit werden die Kinder noch vor der Einschulung untersucht. Die Untersuchung auf gesundheitliche Beeinträchtigungen ist von den Landkreisen und kreisfreien Städten ärztlich durchzuführen. Für diese Untersuchung werden in Niedersachsen mit den Modellen SOPHIA und Weser-Ems bereits allgemein anerkannte Standards angewandt. Erfreulich ist, dass diese Modelle von den kommunalen öffentlichen Gesundheitsdiensten in eigener Initiative und eigener Verantwortung entwickelt und auch ohne gesetzliche Verpflichtung umgesetzt worden sind. Dies belegt eindrucksvoll die hohe fachliche Kompetenz der Kommunen, also des öffentlichen Gesundheitsdienstes vor Ort. Von daher ist es geradezu grotesk, wie Sie bei den hohen Standards, die wir in Niedersachsen haben, sagen können - dafür habe ich überhaupt kein Verständnis -, die Kinder seien die Verlierer.
Meine Damen und Herren, Sie sind davon überzeugt, dass die Prävention bei den Kommunen in guten Händen ist. Die örtlichen Angebote, Struktu
ren und Bedarfe sind so unterschiedlich wie unsere Kommunen selbst. So sind in rein ländlich strukturierten Landkreisen andere Präventionsmaßnahmen erforderlich als in industriell geprägten. In der Praxis erleben wir hier viele verschiedene Modelle, die alle hervorragend funktionieren und die in unterschiedlichen Kombinationen miteinander verbunden werden.
Auch vor diesem Hintergrund hat das Land in der Vergangenheit kaum von seiner Fachaufsicht Gebrauch machen müssen. Folgerichtig überträgt das Gesetz die Entscheidung nunmehr den Landkreisen und kreisfreien Städten. Sie entscheiden, welche Schwerpunkte sie setzen und wie sie vor Ort am besten vorgehen. Sie erhalten damit die Möglichkeit, mit dem optimalen Einsatz ihrer Ressourcen die optimale Wirkung zu erzielen. Dieses bedeutet jedoch nicht, dass sich das Land aus seiner gesundheitspolitischen Verantwortung für diese Bereiche zurückzieht. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass sich die Kommunen mit hohem Engagement für die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger einsetzen werden, auch wenn ihnen dies als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe übertragen wird. Ich sehe mich in dieser Überzeugung auch dadurch bestätigt, dass die bisherige erfolgreiche kommunale Praxis des öffentlichen Gesundheitsdienstes weitgehend auf Eigeninitiative der Kommunen beruht.
Die Schuleingangsuntersuchung, meine Damen und Herren, dient dem Zweck, gesundheitliche Beeinträchtigungen unserer Kinder so rechtzeitig zu erkennen, dass vor Schulbeginn auf gesundheitliche Beeinträchtigungen reagiert werden kann. Wir sind uns sicherlich einig, dass nichts schlimmer ist, als wenn ein Kind durch ein nicht erkanntes Handicap Probleme in der Schule hat, die man durch rechtzeitige Vorsorge hätte vermeiden können.
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, meinen, diese Fragestellungen könnten mit dem komplexen Sachverhalt „Schutz von vernachlässigten Kindern“ gelöst werden. Das widerspricht aber den Erkenntnissen aus den Expertenanhörungen. Denn die Diskussionen haben gezeigt, dass bei der Problematik der vernachlässigten Kinder ein differenziertes Vorgehen mit allen Netzwerkpartnern erforderlich ist. Auch wenn sich hinter diesen Kinderschicksalen tragische Fälle verbergen - jeder Fall ist einer zu viel -, sollten wir dennoch nicht so tun, als passiere in Niedersachsen überhaupt nichts zum Schutz der Kinder. Wir
haben in Niedersachsen die Jugendämter, wir haben die Vorsorgeuntersuchungen mit in Niedersachsen sehr hohen Teilnahmequoten, wir haben die Beratungsstellen, wir haben Mütterzentren, und wir haben ein modellhaft erprobtes Frühwarnsystem mit unseren Familienhebammen,
und wir haben weitere Initiativen auf kommunaler Ebene. Ich möchte hier nur die Präventionsräte nennen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die kommunalen Spitzenverbände und vor allem die Fachverbände im Anhörungsverfahren dem Gesetz im Grundsatz zugestimmt haben, hat mich in meiner Überzeugung bestärkt, dass wir auf dem richtigen Wege sind.
Das Gesundheitsdienstgesetz berücksichtigt einerseits die berechtigten fachlichen Interessen, andererseits aber auch die Grundsätze der Verwaltungsmodernisierung, der Deregulierung sowie der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Deshalb ist es folgerichtig, dass wir ein schlankes Gesetz auf den Weg gebracht haben, das genauso viel regelt wie nötig, aber den Handelnden vor Ort so viel Freiraum wie möglich einräumt.
Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Schwarz nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung zwei Minuten Redezeit. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie haben Recht. Wir haben das ÖGDGesetz in unserer Regierungszeit nicht gemacht. Wir haben stattdessen das Rettungsdienstgesetz, das PsychKG und das Krebsregister gemacht, weil auch das alles in der Albrecht-Ära liegen geblieben ist.
gab es auch die entsprechenden Eckpunkte, die Sie dann übernommen haben. Das, was Sie gemacht haben, sind Ankündigungen und im Ergebnis eine wirklich blutleere Gesetzeshülle, die niemandem hilft und nichts voranbringt, meine Damen und Herren.
Weitgehend alles das, was Sie hier soeben vorgetragen haben, steht in dem Gesetz nicht drin. Sie haben sich - wie ich finde: zu Recht - öffentlich festgelegt und darauf hingewiesen, dass wir aufgrund vielerlei Kriterien Schuleingangsuntersuchungen als Pflichtuntersuchung brauchen. Davon ist in diesem Gesetz nichts mehr übrig geblieben. Das ist herausgenommen worden. Die Vorschläge sind von Ihrer eigenen Fraktion abgelehnt worden. Sie müssen wissen, was Sie mit sich machen lassen! Ich finde aber, dass das erstens kein toller Start ist und zweitens auch nicht zu Ihrer Glaubwürdigkeit beiträgt, Frau Ministerin.
Drittens. Ich finde es, mit Verlaub, wirklich völlig daneben, um nicht zu sagen, schizophren, dass wir Jugendzahnärzte in die Kindergärten und in die Schulen schicken, Schulärzte allerdings nicht. Die Gewichtung, die wir hier bei Kindergesundheit setzen, passt doch hinten und vorne nicht!
In diesem Zusammenhang vertraue ich nicht auf den Kultusausschuss. Sie hätten jetzt, bei diesem Gesetz, die Chance gehabt, wirklich neue Merkmale und Impulse für Kinder- und Jugendgesundheit setzen zu können. Sie haben es nicht getan. Sie haben sich gegenüber den Kultuspolitikern und den Innenpolitikern Ihrer Fraktion nicht durchsetzen können. Erzählen Sie nicht das Ammenmärchen, dass Sie es beim nächsten Gesetz berücksichtigen werden! Sie haben es nicht im Kreuz, und Sie vertun hier eine Riesenchance im Interesse der Kinder, meine Damen und Herren.
Danke schön. - Ebenfalls nach § 71 Abs. 3 spricht für zwei Minuten Herr Kollege Böhlke von der CDU-Fraktion. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schwarz, Inhalt und Wortwahl insbesondere Ihrer Vorträge sind völlig unangemessen und unsachlich.
Kraftprotzende Ausführungen ändern nichts an den tatsächlichen Gegebenheiten. Die tatsächlichen Gegebenheiten sind und bleiben: Es gibt bei diesem Gesetz überhaupt keine Verlierer, es gibt nur Gewinner. Alle Bürgerinnen und Bürger des Landes Niedersachsen sind auf der Gewinnerseite, ob jung, ob alt;
denn bis heute gelten die Rechtsvorschriften aus dem Jahre 1934/1935. Diese Vorschriften wollen wir jetzt ändern. Das ist eine sehr gute Angelegenheit. Wir haben den Einsatz, wir haben die Kraft, wir haben die Kreativität, diese Regelungen entsprechend umzusetzen, und dieser Aufgabe werden wir auch in aller Sachlichkeit gerecht.
Auch Sie waren der Auffassung, dass Bürokratie und Administration vermieden werden sollen. Ihr Antrag macht es deutlich. Sie haben Anhörungen durchgeführt, und, Herr Kollege Schwarz, Sie mussten von den Experten zur Kenntnis nehmen, dass alle Ihre politischen Positionen nicht haltbar waren. Sie sind vor wenigen Wochen zurückgerudert, haben sich neu positionieren müssen und versuchen jetzt, mit kraftvollen Worten etwas darzustellen, ganz nach dem Motto: Erst einmal die Eier klauen und dann rufen: Haltet den Eierdieb! So geht es nicht, meine Damen und Herren.
37 von 39 Landkreisen haben einen Gesundheitsstandard, entweder das Weser-Ems-Modell oder das Modell SOPHIA. Die anderen zwei Landkreise haben ein Modell, das sich an diesen beiden Modellen orientiert. Wir sind sehr sicher, dass vor dem gesetzlichen Hintergrund in absehbarer Zeit
- Ich muss leider abbrechen. - Ich sage noch einmal deutlich: Inhaltlich sind wir hier auf einem guten Weg. Machen Sie die Positionen nicht schlecht. Sie sind gut und positiv zu bewerten.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Lautstär- ke ersetzt nicht Inhalt, Herr Kollege!)
Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Janssen-Kucz. Sie haben 1:30 Minuten Redezeit. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gesundheit bedeutet für Kinder und Jugendliche nicht nur die Abwesenheit von körperlichen Erkrankungen, sondern eine gesunde, altersgemäße Entwicklung. Das wissen wir alle. Wir alle wissen auch, dass hier der Grundsatz gilt: Je früher, desto besser! Genau das ist in diese Beratung im Rahmen der Anhörung eingeflossen. Herr Böhlke, ich verstehe Ihren Beitrag beim besten Willen nicht mehr.
Bis zum 8. März waren wir uns einig, und plötzlich diese Kehrtwende um 180 Grad. Es muss doch der Druck vonseiten der kommunalen Spitzenverbände gewesen sein, dem Sie nicht standhalten konnten, obwohl das überhaupt nichts mit Konnexität zu tun hatte. Es geht darum, Prioritäten in Sachen Kindergesundheit zu setzen. Das ist das eine.