Protokoll der Sitzung vom 24.03.2006

(Zustimmung bei der CDU)

Insofern glaube ich nicht, dass das Ihre wahre Ansicht ist, sondern ich glaube, dass Sie nur eines wollen, nämlich Ängste schüren, um den Ausstieg aus der Kernenergie zu beschleunigen.

Was von niemandem angesprochen wird - weder von Rot noch von Grün -, ist, dass nach dem Unfall in Tschernobyl auch in Deutschland gewaltige Anstrengungen zur Nachrüstung unternommen worden sind. Die Reaktorsicherheitskommission hat Ende 1988 ihren Bericht vorgelegt. Es ist reagiert worden. Es ist doch nicht so getan worden, als ob uns all das nichts angeht. Ich muss Sie wirklich bitten: Bleiben Sie bei diesem Thema sachlich!

(Beifall bei der CDU)

Eines ist ganz klar: Bei der Kerntechnologie geht es in erster Linie um Sachverhalte. Sachverhalte sind keine Ansichtssache. Deshalb ist das einzig Interessante an beiden Anträgen eigentlich nur der dritte Spiegelstrich im SPD-Antrag, unter dem vorgeschlagen wird, in Schulen zur Kernenergie aufzuklären. Interessant allerdings wäre, zu erfahren, was Sie unter einem „entsprechenden Bildungsangebot“ verstehen. Sachverhalte sind nämlich keine Ansichtssache. Ich möchte Sie wirklich bitten, zu einer sachlichen Diskussion zurückzukehren und uns nicht zu unterstellen, dass wir Katastrophenfolgen wegreden wollten. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Dürr, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Kollegin Frau Zachow sehr dankbar dafür, dass sie hier gerade einige Dinge richtig gestellt hat. Herr Dehde, Sie haben hier gerade wieder einmal mehr kräftig in der Gerüchteküche gerührt und Ihr Halbwissen dazu genutzt, die Menschen in Niedersachsen zu verunsichern.

Ich halte das für unredlich. Ich möchte Ihnen das ganz deutlich sagen.

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, wir müssen endlich damit aufhören, die Welt in Gut und Böse zu unterteilen.

(Zustimmung von David McAllister [CDU])

Die Windenergie ist eben nicht immer automatisch gut, und die Kernenergie ist nicht immer automatisch schlecht. Genauso ist es umgekehrt. Es kommt eben immer darauf an, verantwortungsvoll mit Technologien umzugehen. Das ist im Jahr 1986 in Tschernobyl nicht geschehen. Im Rahmen eines Experiments - Herr Kollege Meihsies hat das vorhin zu Recht dargestellt - sind Sicherheitssysteme - darunter das Notkühlsystem - außer Betrieb gesetzt worden. Die Art, in der dieses Experiment durchgeführt worden ist, entsprach in keiner Weise den deutschen Standards. Es war nicht nur sehr schlecht vorbereitet, sondern es hat insbesondere zusammen mit den vorhandenen Sicherheitsmängeln des Reaktors zu diesem Unfall geführt. Es ist von daher nicht nur fahrlässig, sondern schlicht unredlich, zu behaupten, die Katastrophe von Tschernobyl könne auch in Deutschland passieren.

(Beifall bei der FDP - Hans-Dieter Haase [SPD]: Und Harrisburg?)

Deshalb ist es so wichtig, dass Deutschland die Technologieführerschaft beim Thema Sicherheit behält. Es ist eben zu einfach gedacht, wenn man glaubt, man könne einen Ausstiegsbeschluss fassen und brauche sich hinterher um das Thema Sicherheit keine Gedanken mehr zu machen.

Ich möchte das SPD und Grünen hier im Landtag nicht unterstellen. Ich halte es aber für eine Schande, meine Damen und Herren, wie einige Politikerinnen und Politiker die Katastrophe von Tschernobyl und das Schicksal der Menschen dort missbrauchen, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Das ist unanständig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Werner Buß [SPD]: Das hat etwas mit Sorgen zu tun! Frecher Bengel! - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Eine ge- künstelte Aufregung! - Weitere Zurufe von der SPD)

- Herr Kollege Buß, ich habe Ihnen gerade deutlich gesagt - ich möchte darauf gern reagieren -, dass ich das den beiden Fraktionen hier nicht unterstelle. Ich habe nur deutlich gemacht, dass ich es für unredlich halte, wie es in Deutschland passiert.

(Widerspruch bei der SPD)

Einen Punkt im Antrag der SPD-Fraktion - jetzt sollten Sie vielleicht zuhören - kann ich ausdrücklich unterstützen. Es ist wichtig, dem Informationsbedürfnis von Kindern und Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen zur Kernenergie Rechnung zu tragen. Dazu, meine Damen und Herren, zählt auch die Endlagerfrage. Ich habe dem Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz, Herrn König, in dieser Sache einen Brief geschrieben und ihn darum gebeten, dass der interessierten Öffentlichkeit verstärkt die Möglichkeit gegeben werden möge, das Erkundungsbergwerk in Gorleben zu besuchen. Nach dem Regierungswechsel im Jahr 1998 ist diese Möglichkeit eingeschränkt worden. Ich habe bis heute keine Antwort auf mein Schreiben erhalten. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich gemeinsam mit uns beim Kollegen und Umweltminister Gabriel dafür einsetzen würden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Helmhold hatte sich in Bezug auf die Einlassungen von Frau Zachow zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Zachow und auch Herr Dürr, Sie arbeiten hier mit Unterstellungen, die ich so nicht stehen lassen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie unterstellen durch die Wahl Ihrer Worte unter anderem, dass sowjetische Techniker offensichtlich wohl dümmer sind als unsere und dass das besagte Unglück deshalb nur dort passieren konnte, weil die aus Ihrer Sicht wohl blöd genug waren, um dort nicht richtig zu arbeiten. Genau so haben Sie das behauptet. Das werden wir nach

zulesen haben. Ich frage Sie: Was ist mit Sellafield? Was ist mit Harrisburg? Wollen Sie auch den dort tätigen Technikern unterstellen, dass sie es nicht richtig können? - Das ist doch wohl nicht wahr, was Sie hier tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Dann unterstellen Sie sozusagen, bei uns gebe es kein Gefährdungspotenzial, weil „unsere“ Reaktoren besser und unsere Techniker offensichtlich schlauer sind. Ich frage mich natürlich: Warum kriegt die Bevölkerung im Umkreis von Atomkraftwerken Jodtabletten, wenn es überhaupt keine Gefährdung gibt?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich will Ihnen noch eines sagen: Sie reden über Politik für zukünftige Generationen. Das finde ich geradezu unerhört, Frau Zachow. Wollen Sie zukünftigen Generationen tatsächlich noch mehr Risiko hinterlassen? Wollen Sie denen noch mehr Atommüll hinterlassen? Wenn Sie an dieser Technologie festhalten und über Laufzeiten sowie über sichere Atomkraftwerke reden, finde ich das unerträglich.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das Wort hat noch einmal Frau Kollegin Zachow.

Frau Helmhold, ich glaube, ich habe in einem sehr ruhigen und sachlichen Ton gesprochen. Ich habe auch deutlich gemacht, dass es in der Sowjetunion einige Fachleute gegeben hat, die um die Schwächen des Systems wussten. Ich habe nicht gesagt, dass das nur ein einzelner Techniker vor Ort wusste.

(Zuruf von Ursula Helmhold [GRÜNE])

- Nein, ich habe nicht gesagt, dass die falsch gehandelt haben. Ich habe nur gesagt, dass einige Fachleute um die Risiken wussten, von diesem Wissen aber keinen Gebrauch gemacht haben. Es ist verwerflich, um Risiken zu wissen, die Menschen aber trotzdem da hineingehen zu lassen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben mir unterstellt, ich hätte Einzelnen vorgeworfen, dass sie dümmer seien. Wissen Sie, für wen das spricht? - Für Sie!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt Herr Umweltminister Sander. Bitte sehr!

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Jetzt kommt der Energiemix!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie es mit der Zielsetzung dieser Anträge ernst meinen, dann sind wir uns wohl alle darüber einig, dass wir damals wie heute von dem Leiden der Menschen aufgrund dieses Unfalls betroffen sind. Das sollte für uns alle Anlass sein, gemeinsam in die Zukunft zu blicken und unter Umständen auch die Kernenergie kritisch zu beurteilen. Kritisch sein heißt aber nicht, diese Technologie abzulehnen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie haben diese Anträge in erster Linie nicht deshalb gestellt, um hier wieder einmal über das Für und Wider der Kernenergie zu streiten, sondern deshalb, um auf diese Katastrophe hinzuweisen und um uns dazu zu verpflichten, alles Mögliche zu unternehmen, damit so etwas nicht wieder passiert.

Meine Damen und Herren, wir sollten nach 20 Jahren auch darüber nachdenken und uns daran erinnern, dass es in dieser Frage zwischen den politischen Kräften in diesem Lande nie einen Unterschied und einen Streit über die Verpflichtung gegeben hat, zu helfen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meiner Meinung nach sollten wir einmal ein Signal aus diesem Landtag nach draußen geben, dass es wichtig ist, dass dieses Mitgefühl für die Menschen, die heute noch unter den Folgen leiden, weiterhin erhalten bleibt. Diese Landesregierung hat die Stiftung „Tschernobyl“ weiter am Leben erhalten. Wir sehen darin ein Zeichen dafür, dass wir es ernst meinen und auch weiterhin helfen müssen. Meine Damen und Herren, es ist immer gefährlich, mit dem Leid von Menschen zu spielen.

Sehr geehrter Herr Dehde, hier geht es nicht um den Bau von neuen Kraftwerken, auch nicht um

die Verlängerung von Laufzeiten, sondern darum, dass wir uns an dieses Ereignis erinnern und alles tun, damit sich so etwas nicht wiederholt. Außerdem geht es um die Verpflichtung, den Menschen in dieser Region auch weiterhin zu helfen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Meihsies, Sie möchten nach dem Minister noch einmal sprechen? - Bitte schön, Sie haben anderthalb Minuten.

Wir beantragen als Fraktion die sofortige Abstimmung über unseren Antrag und möchten von Ihnen heute ein Bekenntnis abgelegt bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)