Protokoll der Sitzung vom 13.07.2006

Meine Damen und Herren, ich könnte hier alle Punkte ein Stück weit aufarbeiten. Dafür reicht die Zeit aber nicht, sodass ich denke, dass wir das dann im Ausschuss tun sollten. In diese Diskussion sollten wir auch die Erfahrungen aus Bayern einfließen lassen. Nach meiner Kenntnis ist das mit den öffentlichen Ausschusssitzungen dort nicht gerade sehr positiv gelaufen. Wir sollten uns wirklich einmal informieren, welche guten bzw. welche schlechten Erfahrungen man dort gemacht hat. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Antrag unter Tagesordnungspunkt 34 soll vom Ältestenrat beraten werden. Wer dem zustimmen will, den bitte um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Der Antrag unter Tagesordnungspunkt 35 soll zur federführenden Beratung an den Ältestenrat und zur Mitberatung an den Petitionsausschuss sowie den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen überwiesen werden. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstim

men? - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich rufe nun auf

Tagesordnungspunkt 36: Erste Beratung: Lärmschutz als Gesundheitsvorsorge Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/3023

Der Antrag wird eingebracht von der Abgeordneten Frau Steiner. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lärm ist eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leiden darunter und fühlen sich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt.

(Unruhe)

Wir alle wissen: In der Ruhe liegt die Kraft. Das wird uns oftmals erst bewusst, wenn es an der Ruhe mangelt.

(Anhaltende Unruhe)

Einen Augenblick, Frau Steiner! Es ist hier noch nicht ruhig. - Jetzt haben Sie wieder das Wort.

Da sich das Ohr dem Lärm nicht verschließen kann, ist ihm der Mensch sowohl im wachen als auch im schlafenden Zustand ausgesetzt. Auch in Zeiten, in denen früher die Ruhe selbstverständlich war, wie in der Nacht und am Sonntag, werden die Menschen zusehends mit Lärm belästigt, ob sie wollen oder nicht.

Meine Damen und Herren, Lärm macht krank. Folgen von Lärmbelastung sind Stress und ein erhöhter Krankenstand. Lärmbedingter Stress erhöht das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Nach Auswertung von gut gesicherten Studien aus dem Jahr 2004 kommt das Bundesumweltamt zu der Einschätzung, dass sich rund 4 000 Herzinfarkte pro Jahr in Deutschland auf den Straßenverkehrslärm zurückführen lassen.

Während wir im Bereich der Luftreinhaltung in den vergangenen Jahrzehnten viel erreicht haben, war der Lärmschutz lange ein vernachlässigtes Thema. Umfrageergebnisse zeigen, dass ein großer Teil der Bevölkerung hier politisches Handeln erwartet. Und es ist kein Zufall, dass es viele Bürgerinitiativen gibt, die sich gegen Verkehrslärm gegründet haben, die für Lärmschutzwände oder für Flüsterasphalt auf Autobahnen kämpfen.

Lärmschutz ist auch ein gesamteuropäisches Problem. Die EU hat bereits vor einigen Jahren reagiert. Seit 2002 gibt es bereits die EU-Umgebungslärm-Richtlinie. Sie sieht vor, dass Umgebungslärm durch strategische Lärmkarten erfasst wird und dass unter Beteiligung der Öffentlichkeit Aktionspläne aufgestellt werden, in denen Maßnahmen zur Bekämpfung des Umgebungslärms festgelegt werden.

Im Bundes-Immissionsschutzgesetz wurde dies im Mai 2005 in deutsches Recht umgesetzt. Der § 47 des Gesetzes legt für die Erstellung von Lärmkarten und Aktionsplänen einen bestimmten Zeitraum fest.

Jetzt sind die Bundesländer und die Kommunen gefordert. Denn diese Lärmkartierungen und die Aufstellung der Aktionspläne für Belastungsräume, Hauptverkehrsstraßen und Großflughäfen sind von den Gemeinden oder den nach Landesrecht zuständigen Behörden vorzunehmen.

Wir sind der Auffassung, dass das Land die Verantwortung für die Lärmkartierung in den Kommunen unter 250 000 Einwohnern übernehmen und sie bei der Lärmminderungsplanung unterstützen muss. Das macht Sinn und ist insgesamt kostengünstiger. Wir können die Kommunen nicht allein lassen bei dieser Aufgabe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Stellen Sie sich einmal vor: 20 Kommunen beauftragen 20 Gutachterbüros, und jede Kommune zahlt einzeln, das Messverfahren ist nicht abgestimmt, und nachher gibt es auch noch leicht differierende Ergebnisse.

Andere Bundesländer machen das über ihre Landesumweltämter. Die haben ja aber auch noch welche. Niedersachsen leider nicht mehr - dank des Wirkens von Herrn Sander.

(Oh! bei der CDU und bei der FDP)

Dort, wo Landesumweltämter die Lärmkartierung übernehmen können, führt das auch zu Kostenminderung. Eine Untersuchung für NordrheinWestfalen kommt zu dem Ergebnis, dass die Kosten für den Aufwand pro Einwohner sich auf weniger als die Hälfte belaufen würden, wenn die Lärmkartierungen vom Land gemacht würden statt von den Kommunen. Im Übrigen würde dies auch den Bürokratieaufwand verringern. Das müsste doch in unser aller Interesse liegen.

Meine Damen und Herren, in Niedersachsen muss jetzt etwas passieren, und zwar pronto. Im Internet finden sich noch die alten, vom NLÖ erstellten Lärmbelastungskarten. Dort werden als Belastungsgebiete Hannover, Braunschweig und Bremen inklusive Umland dargestellt. Was das Umweltministerium jetzt aber als Belastungsraum gemeldet hat, ist lediglich die Landeshauptstadt Hannover mit den Nachbargemeinden Garbsen und Laatzen. Langenhagen, den Standort des Flughafens haben sie herausgelassen. Da frage ich mich: Gibt es da keinen Lärm?

Ich kann auch sagen, was dahintersteckt. Es gibt ein munteres Hickhack zwischen Wirtschaftsministerium und Umweltministerium, wer wofür zuständig sein soll. Als Folge dessen hat das Land noch keine Zuständigkeitsverordnung erlassen. Wir stellen fest, dass hier erstaunlicherweise das Umweltministerium die richtige Position einnimmt und die Grobkartierung der Belastungsräume und die Aktionspläne selbst übernehmen will - das haben wir jedenfalls gehört. Dabei unterstützen wir Sie, Herr Sander.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Machen Sie Herrn Hirche einmal darauf aufmerksam, dass auch in diesem Fall das Konnexitätsprinzip gilt und durch das Land diese Aufgabe kostengünstiger und effektiver durchgeführt werden kann.

Um die Lärmbelastungen in den Ballungsräumen realistisch zu erfassen, dürfen Belastungsräume nicht an Stadt- und Kreisgrenzen definiert werden, sondern sie müssen über diese Grenzen hinaus festgelegt werden. Besonders gilt dies für die Großräume Bremen und Hamburg. Hier ist besonders auf den Bremer Speckgürtel und die Einflugschneise des Bremer Flughafens hinzuweisen, die bekanntlich über Niedersachsen verläuft.

Ganz besonders wichtig, meine Damen und Herren, ist bei der Erstellung von Lärmaktionsplänen

eine breite und wirkungsvolle Beteilung der Öffentlichkeit, damit hier keine Planung den Menschen von oben übergestülpt wird. Von der Lärmbelastung sind viele Menschen betroffen. Die wollen mitreden und ihre Wünsche und Vorschläge einbringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch kurz darauf eingehen, ab welcher Grenze Lärmminderungspläne aufgestellt werden müssen. Die Bundesratsinitiative von Baden Württemberg sieht vor, dass erst ab 70 dB(A) am Tag und 60 dB(A) in der Nacht Lärmminderungsmaßnahmen notwendig werden sollen. Das ist gesundheitsschädlich. Nach Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung steigt das Herzinfarktrisiko oberhalb eines Tagesimmissionspegels von 60 dB(A) leicht an, oberhalb von 65 dB(A) stärker an. Wir wollen, dass das Land Niedersachsen diese Initiative ablehnt und sich an den Werten 65 dB(A) am Tag und 55 dB(A) in der Nacht orientiert. Ab dann müssen Maßnahmen zur Lärmminderung erfolgen.

Meine Damen und Herren, deswegen: Lärmschutz ist Gesundheitsvorsorge und muss ernst genommen werden. Das erwarten die Menschen von dieser Landesregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Bund darf nicht aus der Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen an den Fernstraßen und Schienen entlassen werden. Ein Bundessanierungsprogramm ist notwendig. Hiervon sind auch Beschäftigungswirkungen zu erwarten.

Als Letztes möchte ich noch darauf hinweisen, dass es sinnvoll ist, Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität mit Maßnahmen zur Minderung der Lärmbelastung zu kombinieren. Dort, wo die Luft stark belastet ist, meist durch den Verkehr, dort ist es auch laut; das ist die Alltagserfahrung. Aus Kostengründen und aus Effizienzgründen sollte man Maßnahmen hier zusammenfassen.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, um allen Debatten mit der beliebten Anti-EU-Stoßrichtung den Wind aus den Segeln zu nehmen, sage ich Ihnen: Wir müssen hier in Niedersachsen nicht handeln, weil sich vermeintliche EU-Bürokraten wieder einmal radikale Umweltschutzmaßnahmen ausgedacht hätten und die Bundesländer sie zähneknirschend umsetzen

müssen. So stellen Sie es ja immer gerne dar. Wir müssen handeln, weil die Gesundheitsgefährdung für Bürgerinnen und Bürger das notwendig macht.

Deswegen hoffe ich auf einen konstruktiven Umgang mit unserem Antrag im Ausschuss und bei der Beschlussfassung. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Miesner das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer fühlt sich heute nicht von Lärm belästigt? Wer genießt nicht die Ruhe, die eine Voraussetzung für erfolgreiche Erholung ist? Ich glaube, das Wochenende werden wir alle genießen.

Wir sind uns alle einig, dass Lärm die letzte wahrnehmbare Umweltverschmutzung ist. Wir sind uns auch über alle Fraktionen hinweg darüber einig, dass Lärm unser Wohlbefinden und damit unsere Gesundheit beeinträchtigt. Wir sollten uns alle darin einig sein, Lärm zu vermeiden.

Was die Grünen aber heute beantragt haben, hat nach meiner Einschätzung einen eher symbolischen Charakter. Was beantragen Sie eigentlich Neues, was nicht schon längst beschlossen wurde und sich in der Umsetzung befindet?

(Hartmut Möllring [CDU]: Wie üblich viel Lärm um nichts!)

Die Europäische Union hat bereits 2002 eine Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm beschlossen. Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates - übrigens einstimmig, auch mit den Stimmen der Länder, in denen die Grünen mitregierten - ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie beschlossen und das Bundes-Immissionsschutzgesetz dahin gehend geändert, dass nun eine Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung über die Lärmkartierung enthalten ist.

Sie wissen, dass die Lärmaktionspläne für die Ballungsräume, Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstrecken bis Juli 2008 aufgestellt werden. Es ist eben angeklungen: Der Bund ist bereits vorangegangen und hat im Haushalt dieses Jahres