Protokoll der Sitzung vom 13.04.2011

Ich rufe Punkt 27 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung: Wahlfreiheit und Verbraucherschutz durch verbesserte Kennzeichnung - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/3516

Der Antrag soll von Frau König für die Fraktion DIE LINKE eingebracht werden. Ich werde ihr das Wort erteilen, sobald im Plenarsaal wieder eine gewisse Ruhe eingekehrt ist.

Frau König, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verbraucherinnen und Verbraucher haben das Recht zu wissen, was sie zu sich nehmen. Aus diesem Grund müssen alle gentechnisch veränderten Organismen gekennzeichnet sein. Wahlfreiheit und Transparenz bestehen aber nur, wenn diese Kennzeichnung verlässlich ist. Dazu gehört aus Sicht der Fraktion DIE LINKE, dass die Kennzeichnungslücke bei Produkten, die von Tieren kommen, die mit gentechnisch verändertem Futter gefüttert wurden, geschlossen ist.

Auch dem Ziel, dass Niedersachsen in das europäische Netzwerk „Gentechnikfreie Regionen“ aufgenommen wird, kommen wir dadurch näher, dass sich die Landesregierung dafür einsetzt, dass in Niedersachsen keine gentechnisch veränderten Pflanzen zu Futter und Lebensmitteln verarbeitet werden.

Unser Ziel muss es sein, auch ohne gentechnisch verändertes Saatgut und ohne gentechnisch veränderte Futtermittel die steigende Weltbevölkerung zu ernähren. Deshalb ist schon jetzt und sofort der Richtungswechsel in der Forschung zur Förderung

von heimischem eiweißhaltigem Tierfutter dringend erforderlich.

Lebensmittel, die aus Pflanzen bestehen, die gentechnisch verändert wurden, müssen gekennzeichnet sein. Das trifft auch zu, wenn nur ein kleiner Bestandteil des Lebensmittels aus einer gentechnisch veränderten Pflanze besteht. Zusatzstoffe und alle technischen Hilfsmittel von Futter- und Lebensmitteln müssen einer regelmäßigen Verträglichkeitsprüfung unterzogen werden.

Meine Damen und Herren, die Einbringung des Antrages von CDU und FDP zu diesem Thema im Januarplenum hat deutlich aufgezeigt, dass die Positionen sehr wenig gemeinsam haben und sich vor allem die Ziele sehr unterscheiden.

Die Fraktionen von CDU und FDP wollen Transparenz und eine Positivkennzeichnung für Produkte, die mit gentechnischen Verfahren hergestellt wurden. Aber dazu heißt es in der Entschließung: „Die Nutzung ist ethisch vertretbar und ökonomisch sowie ökologisch geboten.“ Die Fraktion DIE LINKE will die Kennzeichnungspflicht und die Wahlfreiheit für Verbraucher. Dazu gehört eine umfassende, differenzierte und objektive Aufklärung in allen Bereichen:

(Beifall bei der LINKEN)

im Bereich der grünen, der weißen und der roten Gentechnik. Dabei gibt es einen großen Unterschied: Grüne Gentechnik, die Produktion von gentechnisch veränderten Kulturpflanzen, die im freien Feld angebaut werden, und rote Gentechnik für die Medizin, z. B. Herstellung von Insulin in Laboren, sind einfach nicht miteinander zu vergleichen. Aus diesem Grund ist die Aufklärung notwendig. Es muss auch sehr differenziert gefragt werden, welche Art der Gentechnik wir befürworten. Dann muss auch noch hinterfragt werden, wo die Grenzen sind.

(Almuth von Below-Neufeldt [FDP]: Es gibt nur die gute Gentechnik!)

- Nein, garantiert nicht, Frau Below. Da fragen Sie mal die indischen Reisbauern. Auch wenn der Vatikan das befürworten sollte, so wie Sie das in der letzten Plenarsitzung behauptet haben.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Agrogentechnik bringt Gefahren für Mensch und Natur. Ein einmal freigesetzter gentechnisch veränderter Organismus kann nicht mehr zurückgeholt werden. Modifizierte Pflanzen können Allergien auslösen, z. B.

wenn der Träger oder Wirkstoff einer Salbe Bestandteile dieser gentechnisch veränderten Pflanze enthält oder die Pflanze als Nahrungsmittel verzehrt wird. Zudem werden bei der GVO-Produktion Gene eingesetzt, die ihre Träger resistent machen. Eine solche Resistenz kann sich auf Krankheitserreger übertragen, die dann nicht mehr mit Antibiotika behandelt werden können - also eine Gefahr für den Menschen.

Aber wo, wenn nicht in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelindustrie könnte besser eine Risikovorsorge betrieben werden? Unser Antrag soll der erste Schritt dazu sein: durch Wahrheit und Verbraucherschutz und eine verbesserte Kennzeichnung.

(Clemens Große Macke [CDU]: Das ist der zweite! Unser Antrag ist schon da!)

Im Ausschuss liegen mehrere Anträge zum Thema Gentechnik vor. Wir bleiben dabei: Wir wollen ein Niedersachsen, das frei von gentechnischem Anbau - auch zur Erforschung - ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu liegen immerhin in diesem Jahr Anmeldungen im Standortregister in der Nähe von Northeim vor.

Wir wollen auch einen Verbraucherschutz, der ganz klar auf die Bestandteile von gentechnisch veränderten Organismen in den Nahrungsmitteln hinweist. Wir wollen die gentechnisch veränderten Organismen nicht weiter ausbauen, so wie Sie das in Ihrem Antrag formulieren. Damit muss es ein Ende haben.

(Clemens Große Macke [CDU]: Wo steht das denn?)

Bei diesen vielen verschiedenen Positionen freue ich mich auf eine interessante Beratung im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Meyer zu Wort gemeldet. Herr Meyer, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Aus meiner Sicht gibt es sehr viele Gemeinsamkeiten zwischen dem

Einsatz der grünen Gentechnik und der Nutzung der Atomenergie: Die Folgen sind nicht beherrschbar, die Schäden sind nicht wiedergutzumachen, niemand braucht diese Technik, die Verwendung löst kein einziges Problem in den sogenannten unterentwickelten Ländern - und eigentlich warten wir jetzt auf die Gentechnikwende bei CDU und FDP.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der LINKEN)

Der Antrag ist inhaltlich zweigeteilt. Einmal geht es um die Kennzeichnung von Produkten, darüber haben wir schon im Januar gesprochen. Das werden wir im Ausschuss auch noch intensiver tun. In diesem Punkt fand ich die Begründung dieses Antrags sehr ausführlich.

Zu Nr. 3 des Antrages habe ich eine Frage, die ich im Ausschuss ansprechen werde.

Unter den Nrn. 4 und 5 sprechen Sie im Kern keine Kennzeichnungsproblematik an, sondern die grundsätzliche Frage der Zulassung von Gentechnik. Da sind wir inhaltlich bei Ihnen.

Für heute nur die Kurzform: Die Ziele sind richtig, die Details werden noch geklärt. Wir freuen uns auf die Beratung. Glück auf für den Antrag und einen schönen gentechnikfreien Abend heute!

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Große Macke. Bitte sehr!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Rolf Meyer, ich habe den Eindruck, weil der Tagesordnungspunkt vorgezogen worden ist, sind Sie mit Ihrer Rede nicht ganz fertig geworden.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich glaube, dass dieses Thema sehr wichtig sein wird, meine Damen und Herren, und ich denke, dass der Verbraucher in Deutschland sehr wohl wissen will, ob das, was auf der Verpackung steht, auch wirklich drin ist. Daher haben CDU und FDP schon im Januarplenum in der Drs. 16/3218 einen Antrag eingebracht, der eine umfassende Verbrauchertransparenz durch Positivkennzeichnung sicherstellen soll. Sie erinnern sich: Alle Produkte, die mit gentechnischen Verfahren hergestellt wur

den, sollen unserer Meinung nach positiv gekennzeichnet werden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Gleiches gilt für Fermentationsprodukte wie Enzyme, Vitamine, Aromen, Verarbeitungshilfsstoffe und Aminosäuren, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt wurden.

Darüber hinaus wollen wir, dass Lebensmittel, die von Tieren stammen, an die gentechnisch veränderte Futtermittel verfüttert wurden, entsprechend gekennzeichnet werden. Ich bin der Meinung, das ist ein sinnvoller Beitrag zur Verbraucheraufklärung und zum Verbraucherschutz.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist interessant: Die Oppositionsfraktionen haben sich ob ihrer inhaltlosen Redebeiträge zu unserem Antrag im Januarplenum anscheinend so viel Ärger eingehandelt, dass sie sich nach einigen Monaten zum Handeln genötigt sehen. Ausgerechnet die kleinste Oppositionsfraktion muss für einen Antrag herhalten! Ich bin schon jetzt auf Frau Königs Einlassung im Ausschuss gespannt. Denn nicht umsonst - Kollege Meyer war ja auch dieser Meinung - ist die Begründung des Antrags erheblich umfangreicher als der Antrag selbst. Klarer wird er dadurch jedoch nicht.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen: Die Landesregierung wird aufgefordert, „sich dafür einzusetzen, dass die sogenannte Nulltoleranz von gentechnisch veränderten Organismen (GVO), die nicht in der EU zugelassen sind“, bestehen bleibt - dort also null Toleranz. Gleichzeitig sagen die Antragsteller, dass GVO insgesamt so wenig wie möglich zum Einsatz kommen sollen. Wie geht das? Das geht nur dann, wenn die Antragsteller akzeptieren - und so schreiben sie es auch -, dass bei Biolebensmitteln z. B. Werte von bis zu 0,9 % gentechnische Verunreinigung zugelassen werden.

(Zurufe von der CDU: Hört, hört! - Frank Oesterhelweg [CDU]: Guck mal an!)

Ich fordere: Null Toleranz für Inkonsequenz, wie sie mit dem Antrag vorliegt.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)