Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

In einer Presseerklärung der CDU Göttingen begrüßen Sie, Herr Koch, gemeinsam mit Ihrem Kollegen im Kreis- und Landtag Herrn Güntzler die Ausnahmegenehmigung für die Schule.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Dort heißt es wortwörtlich von Herrn Kollegen Güntzler:

„Dieses Konzept berechtigt meines Erachtens dazu, hier eine Sonderregelung nur für die IGS Geismar zu schaffen, die das Abitur nach 13 Schuljahren auch weiterhin ermöglicht, da andernfalls das Konzept gefährdet ist“.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das Konzept dieser Schule ist für Niedersachsens Schulen wegweisend. Dieser Weg steht für das Erfolgsmodell der Integrierten Gesamtschule insgesamt, und die Bürger in Niedersachsen wollen dieses Erfolgsmodell. Fast 1 Million Unterschriften bis jetzt für das Volksbegehren für gute Schulen sind auch eine Viertelmillion Unterschriften für eine gleichberechtigte Zulassung von Integrierten Gesamtschulen und das Recht eines jeden Kindes auf eine solche Schule. Sie werden sich diesem Druck nicht mehr lange entziehen können. Spätestens 2013 ist Schluss!

Die Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule in Göttingen-Geismar braucht allerdings jetzt die Bestätigung ihres Modells.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Reichwaldt. - Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Dr. Althusmann.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Ausglie- derung Göttingens aus Niedersach- sen!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei dem Deutschen Schulpreis um einen Schulpreis einer Stiftung,

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Dann ist er nichts wert!)

der Robert-Bosch-Stiftung mit einer Ergänzung. Das Ganze nennt sich „Deutscher Schulpreis“. Hierbei handelt es sich übrigens nicht um die einzigen Schulpreise, die wir in Deutschland verteilen. Es gibt darüber hinaus - - -

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das ist ganz kleine Münze!)

- Nein, Augenblick! Sie wissen ja noch gar nicht, was kommt. - Es gibt darüber hinaus noch Stiftungen wie die Hertie-Stiftung, die auch einen Bildungspreis vergibt, z. B. für „Starke Schule“ in Deutschland. Insbesondere beim letzten Mal sind dabei überwiegend Haupt- und Realschulen für ihre berufsorientierenden Konzepte ausgezeichnet worden.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Gerade die wollen Sie doch abschaffen!)

Es waren auch Oberschulen dabei.

Insofern, meine Damen und Herren, will ich die Diskussion ein wenig auf den Kern zurückführen. Denn offensichtlich löst ein Schulpreis immer dann eine grundsätzliche Schulstrukturdebatte aus, wenn es sich dabei um eine Schule handelt, die Ihren Vorstellungen entspricht. Als es sich um eine Schule einer anderen Schulform handelte - vor einem halben Jahr hat ebenfalls aus dem Raum Göttingen das Max-Planck-Gymnasium den etwas kleineren Preis, nicht 100 000, sondern 50 000 Euro, bekommen -, habe ich niemanden gehört, der gesagt hat: Wir müssen im Raum Göttingen in Zukunft nur noch Gymnasien unserer traditionellen Art führen und die Gesamtschulen vielleicht doch in den Hintergrund rücken.

Meine Damen und Herren, ich möchte nur darauf aufmerksam machen - das gehört einfach zu den Fakten; wir haben in Deutschland ca. 40 000 Schulen -, dass die Zahl der Bewerbungen seit 2006 rückläufig ist.

Herr Dr. Althusmann, ich darf Sie unterbrechen. - Die Kollegin Körtner möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Ich möchte diesen Satz noch kurz zu Ende führen. - In Deutschland gibt es ca. 40 000 Schulen. Im Jahr 2006 haben sich 462 Schulen um den RobertBosch-Preis beworben. Diesmal waren es 119 Schulen, Frau Andretta. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es nicht immer gerechtfertigt ist, sofort von der Auszeichnung hinsichtlich eines pädagogischen Konzeptes den Blick auf die Leistungen bzw. Leistungsfähigkeiten oder womöglich auch spätere Leistungen und Leistungsfähigkeiten von Schülerinnen und Schülern zu richten, sondern zunächst geht es um das pädagogische Konzept, das dahintersteht, Frau Heiligenstadt.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sagen Sie einmal, wie viele Schüler mit Haupt- schulempfehlung dort ein Abitur ge- macht haben! Sagen Sie das mal!)

Ich bin der Meinung, dass wir den Preis der IGS Göttingen-Geismar in dieser Debatte nicht in irgendeiner Form kleinreden sollten. Wir dürfen ihn aber auch nicht überhöhen und daraus immer eine grundsätzliche Diskussion darüber machen, dass einzig und allein die Gesamtschule das überlegene System in Deutschland ist. Das ist wissenschaftlich nachweislich falsch. - Jetzt die Frage von Frau Körtner.

Herzlichen Dank. - Frau Kollegin Körtner!

Herr Minister, die Kollegin Heiligenstadt hatte im Zusammenhang mit der in Rede stehenden IGS in Göttingen von dem „beispielhaften Erfolgsmodell in Niedersachsen“ gesprochen. Können Sie mir sagen, ob die Göttinger Kollegin Frau Dr. Andretta ihr Kind auch in dieses beispielhafte Erfolgsmodell eingeschult hat oder nicht?

(Widerspruch bei der SPD - Christian Meyer [GRÜNE]: Die Frage kann man doch nicht zulassen! - Miriam Staudte [GRÜNE]: Da habe ich auch noch ei- ne Frage! - Weitere Zurufe - Unruhe)

Einen Augenblick noch. Ich bitte um Ruhe. - Herr Minister, Ihr Mikrofon ist noch nicht an. Wir warten zunächst einmal ab, bis Ruhe ist. - Die Uhr ist auch angehalten worden, sodass Sie noch genügend Redezeit zur Verfügung haben.

(Anhaltende Unruhe)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen mit dem Tagesordnungspunkt gern fortfahren. - Wenn Sie es hier nicht aushalten, Herr Kollege Watermann, dann verlassen Sie einfach den Raum. So einfach ist das. Zur Abstimmung können Sie dann wieder reinkommen. - Herr Althusmann, Sie haben das Wort.

Ich will versuchen, Ihre Frage etwas anders zu beantworten. Sie werden sich denken können, dass ich aus dem Raum Göttingen über die Reaktionen einzelner Politiker und über das Anwahlverhalten der örtlich handelnden Personen informiert worden bin. Frau Körtner, der für mich glaubwürdigste Vertreter in dieser Frage ist in der betreffenden Region der Abgeordnete Wenzel; denn er ist der einzige Vertreter der Oppositionsfraktionen, der sein Kind auf die IGS Göttingen-Geismar schickt. Alle anderen, die sich zu Wort melden, tun dies nicht. Damit habe ich Ihre Frage, glaube ich, beantwortet.

Meine Damen und Herren, es mag ein politisches Ritual sein, den jeweils politisch Andersdenkenden mit dem Vorwurf der Ideologie zu belegen, frei nach dem Motto: Sie, die Grünen, sind jetzt der richtigen Meinung, und ideologisch sind immer nur die anderen. - Dieser manchmal durchaus auch gegenseitig getätigte Vorwurf ist intellektuell wenig herausfordernd. Im Kern geht es hier nur um die Frage, ob zwölf Jahre bis zum Abitur mit dem pädagogischen Konzept einer Integrierten Gesamtschule vereinbar sind.

Mit Blick auf die Erfahrungen auch in anderen Ländern - ich habe vorhin z. B. auf Finnland hingewiesen -, mit Blick auf Mecklenburg-Vorpommern, wo es Gesamtschulen gibt, die schon heute nach zwölf Jahren, ihr Konzept umsetzend, zum Abitur führen können, stelle ich für mich fest, dass zwölf Jahre durchaus ausreichend sind, um ein pädagogisches Konzept der Integrierten Gesamtschule umzusetzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Rahmenbedingungen einer Schule so sind, wie sie von den Abgeordneten der Koalitionsfraktionen hier richtigerweise dargestellt worden sind.

Der Verzicht auf die äußere Fachleistungsdifferenzierung in den Kernfächern Deutsch, Englisch und Mathematik sowie in den Naturwissenschaften aufgrund der Sondervereinbarung der Kultusministerkonferenz ist ein Punkt, der es der Schule er

möglicht, eine zusätzliche Unterrichtsversorgung zu garantieren, insbesondere für das Tischgruppenmodell; denn für die Fachleistungsdifferenzierung erfolgt eine Stundenzuweisung, die dann zusätzlich in das Gesamtkonzept hineingegeben werden kann, sodass es phasenweise sogar zu einer Doppelbesetzung in bestimmten Fächern und in bestimmten Schuljahrgängen kommen kann.

Die Ausstattung dieser Schule als gebundene Ganztagsschule ist ausgesprochen gut. Auch wenn es vom stellvertretenden Schulleiter als unfair bezeichnet wurde, es ist nun einmal Fakt: Die besondere Zusammensetzung der Schülerschaft gilt es in diesem Zusammenhang auch im Vergleich mit allen anderen IGSen, die das dann auch für sich einfordern, zur Kenntnis zu nehmen. Es handelt sich nämlich um 10 % Hauptschulempfohlene und 25 % Realschulempfohlene. Der Rest, 65 %, sind Gymnasialempfohlene, die von dieser Schule ausdrücklich auch in diesem Verhältnis in den vergangenen Jahren ausgewählt wurden. Wer also behauptet, dass diese Rahmenbedingungen 1 : 1 auf alle anderen Gesamtschulen übertragen werden können - das ist ja Ihr Interesse, das bei Ihnen dahintersteht -, der wird schlechterdings feststellen müssen, dass in Niedersachsen seit Aufhebung des Gründungsverbots für Gesamtschulen immerhin 36 neue Gesamtschulen gegründet worden sind und dieses Verhältnis insbesondere bei diesen Schulen schlechterdings nicht festgestellt werden darf.

Was das besondere pädagogische Konzept betrifft, muss ich an dieser Stelle etwas korrigieren, was Frau Reichwaldt vorhin entweder missverstanden oder aber missverständlich dargestellt hat. Sie haben vorhin erklärt, die Ausnahmegenehmigung sei gestrichen worden, also der KMK-Sonderstatus des kompletten Verzichts. Das aber ist nicht der Fall. Wir haben die Ausnahmeregelung in keinem Fall gestrichen. Wir werden sie sogar fortsetzen, sofern es notwendig sein sollte; denn wir wollen ganz ausdrücklich, dass das pädagogische Konzept der Integrierten Gesamtschule GöttingenGeismar insgesamt fortgesetzt werden kann.

Ich darf Sie an Ihre Redezeit erinnern und auch an das Versprechen der Landesregierung. Herr Lothar Koch ist schon ganz empört, dass ich keine Zwischenfragen mehr zulasse. Sie haben Ihre Redezeit inzwischen aber erheblich überschritten.

Gut. Frau Präsidentin, dann möchte ich zumindest noch die Frage des Abgeordneten Koch zulassen. Danach werde ich zum Schluss kommen. - Bitte!

Herr Minister, Sie haben deutlich gemacht, dass die Situation der Gesamtschule Göttingen-Geismar eine ganz besondere ist. Dem wurde durch die KMK Rechnung getragen mit der Folge, dass wir jetzt im Rahmen von Zusatzstunden ein ganz besonderes Modell fahren, das Sie eben gut beschrieben haben. Ich frage Sie: Stimmen Sie mir darin zu, dass diese IGS ein Unikat ist? Rechtfertigt dieser Umstand die Vermutung, dass wir der besonderen Situation jener IGS unterhalb der Novellierung unseres Schulgesetzes mit einer Sonderregelung Rechnung tragen könnten?

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Minister!

Es wird abzuwägen sein, ob es sich aufgrund des KMK-Sonderstatus - das habe ich auch gegenüber den Eltern immer genau so gesagt - - - Diejenigen, die an den vertrauensvollen Gesprächen teilgenommen haben, werden dies auch bestätigen können. Ich werde im Übrigen auch morgen mit den Eltern noch einmal ausführlich darüber sprechen. Wir haben vereinbart, dass diese Sondersituation des KMK-Status, dass diese Sondersituation eines völlig anderen pädagogischen Ansatzes, der auch für die anderen Gesamtschulen dann, wenn sie den kompletten Verzicht auf 5 bis 8 würden übernehmen wollen, theoretisch grundsätzlich machbar wäre, zum Teil aber gar nicht angewandt werden soll. Es wird also zu besprechen sein, wie wir angesichts der Tatsache, dass der 5. Jahrgang bereits angelaufen ist - für den Sekundarbereich I sind 190 Jahreswochenstunden in den einzelnen Fächern sicherzustellen - damit umgehen.

Tun Sie mir aber bitte einen Gefallen: Wenn beim nächsten Mal womöglich eine andere Schulform einen Schulpreis welcher Art auch immer bekommt, können wir nicht immer anfangen, Schulkonzepte und grundsätzliche Weichenstellungen in Niedersachsen oder anderen Bundesländern zu ändern. Hierbei handelt es sich um ein pädagogisches Sonderkonzept und Sondermodell, dessen Auszeichnung gerechtfertigt ist, weil die Schule in

diesem Tischgruppenkonzept eine gute pädagogische Arbeit mit den Schülern leistet.

(Beifall bei der CDU)

In 36 Klassen wird dort innerhalb der Sekundarstufe I in Gruppen in der Größenordnung von fünf bis sechs Schülerinnen und Schülern zusammengearbeitet. Das geschieht nicht im Kleingruppenkonzept, sondern es ist eine pädagogische Besonderheit, die durch den KMK-Status gerechtfertigt ist. Es wird zu prüfen sein, ob daraus Schlussfolgerungen zu ziehen sind. Mehr gibt es meines Erachtens zu dieser Gesamtthematik nicht zu sagen.

Bitte verschonen Sie uns mit ewigen und ewig gestrigen Schulstrukturgrundsatzdebatten in den Grabenkämpfen des letzten Jahrhunderts.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Weitere Wortmeldungen zu diesem Punkt liegen nicht vor, sodass ich Tagesordnungspunkt d schließe.