Das, meine Damen und Herren von der Linken, ist in der Tat auch unsere Auffassung: Die Lohnbildung soll in diesem Staat weiterhin ganz ohne staatliche Einflussnahme erfolgen. Wir glauben an starke Gewerkschaften, an weitsichtige Arbeitgeber und daran, dass die Politik gute Rahmenbedingungen schafft. Dann steigen auch die Löhne!
Herr Schminke hat ja nicht umsonst zu Beginn seiner Rede diese Frage betont. Auch mir ist ein bisschen schummrig geworden, als ich das Thema Ihrer Aktuellen Stunde gelesen habe. Ich habe mich gefragt: Ist es nicht schon staatliche Einflussnahme, wenn wir uns mit einzelnen Sparten solidarisch erklären, mit anderen aber nicht?
Aber nachdem Sie das Tabu gebrochen haben, will ich auf eine Gruppe eingehen, die Frau Weisser-Roelle nicht genannt hat.
Darf ich Sie, bevor Sie darauf eingehen, fragen, ob Sie noch eine Zwischenfrage zulassen. Von Frau Weisser-Roelle?
Schönen Dank, Herr Präsident. - Herr Toepffer, Sie sprachen genau wie der Kollege Schminke davon, dass ich in meinem Bericht die Tarifautonomie infrage gestellt und sozusagen staatliche Einflussnahme gefordert habe. Ich würde gerne wissen, in
Frau Weisser-Roelle, offensichtlich haben Sie mir, als Sie sich Ihre Frage notiert haben, nicht zugehört. Ich habe gesagt, dass meines Erachtens bereits die Überschrift dieser Aktuellen Stunde, nämlich Solidarität mit einzelnen Arbeitnehmergruppen zu zeigen, eine teilweise staatliche Einflussnahme darstellt. Auf Ihren Bericht bin ich gar nicht zu sprechen gekommen.
Das aber werde ich jetzt tun. Ich möchte der Versuchung nachgeben, eine Gruppe anzusprechen, die Sie nicht genannt haben, nämlich die der Lokführer und der GDL. Da fällt mir als Niedersachse zunächst einmal der Metronom ein. Worum geht es bei den Tarifforderungen der Lokführer eigentlich? - Es geht nicht um das Lohnniveau. Das Lohnniveau dieser Lokführer ist bereits mit dem der DB vergleichbar. Das räumt die GDL auch ein. Die Lokführer haben auch einen Tarifvertrag. Nein, es geht einzig und allein darum, dass es, weil der GDL der bestehende Verbandstarifvertrag nicht ausreicht, einen Bundesrahmentarifvertrag geben soll. Nur weil diese Spartengewerkschaft also Angst hat, am Ende ihre Existenzberechtigung zu verlieren, werden Tausende von Niedersachsen Monat für Monat in Geiselhaft genommen werden. Wenn ich das sehe, wird mir ganz anders.
Meine Damen und Herren, nächster Redner ist der Kollege Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Weisser-Roelle, ich muss den Vorrednerinnen und Vorrednern Recht geben: Sie haben mit dem Titel Ihrer Aktuellen Stunde tatsächlich Tür und Tor geöffnet, um über alles Mögliche zu reden. Zu einer zielgerichteten Diskussion über die wichtigen Fragen, die im Augenblick tat
Herr Schminke hat schon darauf hingewiesen, dass in Deutschland die Tarifautonomie gilt. Sie hingegen suggerieren in der Überschrift Ihres Antrags, dass wir als Niedersächsischer Landtag in diese zum Teil bundesweit laufenden Tarifverhandlungen in irgendeiner Weise durch politische Solidarität eingreifen könnten. Aber erstens steht das nicht in unserer Macht, und zweitens wäre uns das auch untersagt; so verstehe ich jedenfalls das Grundgesetz. Das ist Sache der Gewerkschaften.
Damit komme ich zu Herrn Toepffer. Herr Toepffer, ich habe, gelinde gesagt, meine Zweifel, dass das, was Sie gesagt haben, tatsächlich die einheitliche Meinung der CDU ist. Ansonsten müssten wir ja gemeinsam dafür sorgen, dass sich die vielen tariffreien Räume in unserer Gesellschaft nicht weiter ausweiten.
Darin besteht doch auch gerade der Druck, der im Augenblick auf die Tarifverträge ausgeübt wird: Diesen Druck üben der stark angewachsene tariffreie Bereich mit seiner ausufernden Teilbeschäftigung und den dort gezahlten Minilöhnen und der Leiharbeitsbereich aus, weil immer mehr Arbeitgeber dazu übergehen, auch für eine reguläre Beschäftigung Leiharbeiter einzusetzen. Da sind wir als Politik gefordert, da müssen wir regulieren.
Wenn Sie das für die CDU also ernsthaft wollen - dass Sie persönlich das wollen, nehme ich Ihnen durchaus ab -, dann müssen Sie sich in Ihrer Partei dafür einsetzen. Dann müssen Sie dort entsprechende politische Initiativen ergreifen, und zwar erstens für einen Mindestlohn und zweitens für Regulierungen genau in dem Bereich des deregulierten Arbeitsmarkts ohne Tarifverträge. Dann könnte es tatsächlich gelingen, dass wir wieder starke Gewerkschaften bekommen und dass solche etwas exotischen Streiks, wie wir sie im Augenblick erleben - einen Streik haben Sie beschrieben -, möglicherweise überflüssig werden.
Man muss auch einmal mit den Beteiligten darüber reden, dass sie die Entwicklungen auf der Bundesebene eher in eine negative Richtung befördern. Ich halte die Koalitionsfreiheit von Spartengewerkschaften für ein hohes und durchaus verteidigungswürdiges Gut. Aber wenn dies in einer Art und Weise überstrapaziert wird, dass man eigentlich schon wieder ordnungspolitisch eingreifen müsste, dann muss man darüber reden, ob das
Aber am meisten hat mich heute wieder einmal die Rede von Frau König bewegt. Vielleicht, Frau Weisser-Roelle, war der Titel der Aktuelle Stunde also doch nicht so schlecht. Ich muss sagen: Wie Sie, Frau König, es geschafft haben, in so kurzer Zeit alle die Punkte zusammenzufassen, wegen derer die FDP im Augenblick abgewählt wird, hat mir wirklich imponiert.
Sie haben wieder einmal eine Wirtschaftsphilosophie vertreten, die von allem mehr verspricht, die aber gleichzeitig leugnet, dass es Ihre Partei war, die auf Bundesebene gerade im Gesundheitsbereich die Lohnnebenkosten erhöht hat, sodass weniger Netto vom Brutto übrig bleibt. Das ist doch gerade in Ihrer Regierungszeit passiert.
Wir wissen doch auch genau, wie Ihre Steuerpolitik bisher gewirkt hat. Zur Stärkung der Kaufkraft der Massen hat sie jedenfalls nicht beigetragen. In diese Richtung habe ich auch noch keine Initiativen von Ihnen gehört. Und ob es mit Ihren homöopathischen Ansätzen gelingt, den Progressionsbauch zu bearbeiten? Da warte ich erst einmal ab, wie diese Vorschläge am Ende finanziert werden sollen. Und auch Ihre wundersame Theorie, dass Steuererleichterungen am Ende Steuermehreinnahmen generieren, ist ja von allen mir bekannten wissenschaftlichen Untersuchungen ins Land Absurdistan verwiesen worden.
Ich habe das Gefühl, Sie leben auf einem anderen Planeten. Sie leben jedenfalls nicht in der Realität mit einem Verschuldungsverbot in der Verfassung und den tatsächlichen Herausforderungen im Mindestlohnbereich, wo wir dringend bundesweite Regelungen brauchen. Sie leben im freidemokratischen Nirvana, und darin werden Sie wahrscheinlich auch immer leben bleiben.
(Olaf Lies [SPD]: Vielleicht können Sie die Missverständnisse von Frau König aufklären! - Gegenruf von Hartmut Möllring [CDU]: Wir wollten doch nicht mehr dazwischenreden!)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schminke, Sie sind ja ein netter Kerl, gerade wenn man mit Ihnen gemeinsam unterwegs ist. Deshalb sage ich jetzt auch mal nichts zu der Rede, die Sie hier gerade gehalten haben. Sonst hätte man da auch mal im Ältestenrat drüberschauen können. Ein bisschen sind Sie vielleicht über das Ziel hinausgeschossen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es steht den Fraktionen des Landtages, auch der Linken, natürlich frei, sich mit Forderungen anderer, z. B. der Gewerkschaften, solidarisch zu erklären, auch wenn es sich um Tarifauseinandersetzungen handelt. Die Landesregierung wird sich hingegen davor hüten, für die eine oder andere Seite in einer Tarifverhandlung Partei zu ergreifen.
Wir achten nämlich - ich bin den Vorrednern, die das deutlich gesagt haben, auch Herrn Schminke z. B., sehr dankbar - das hohe Gut der Tarifautonomie, die - das sagt schon der Begriff selbst - eine grundsätzliche Zurückhaltung des Staates einfordert.
Zurückhaltung heißt natürlich nicht, dass uns das Tarifgeschehen gleichgültig ist. Ganz im Gegenteil: Das Ergebnis der Tarifverhandlungen ist uns sehr wichtig. Wir gehen nämlich davon aus, dass das Ergebnis eine den tatsächlichen Möglichkeiten und den Gegebenheiten der jeweiligen Branche angemessene, ausgewogene und insofern für beide Seiten - für Arbeitnehmer und für Arbeitgeber - gerechte Lösung sein wird, wie es bei Verhandlungen zwischen zwei gleich starken Seiten sein soll.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Parität und das Gewicht der Argumente zwischen Tarifvertragsparteien werden wir als Landesregierung also nicht beeinflussen. Das wäre falsch. Denn nicht wir als Landesregierung müssen uns hinterher für das Ergebnis verantworten; das müssen vielmehr auf der einen Seite die Arbeitgeber oder deren Verbände und auf der anderen Seite die Arbeitnehmer bzw. die Gewerkschaften. Sie tragen für die jeweilige Seite und vor ihren jeweiligen Mitgliedern die Verantwortung für das Ergebnis.
Die Überschrift der Aktuellen Stunde ist - in der Debatte ist es immer wieder gesagt worden -: „Der Aufschwung muss bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ankommen“. Der Hinweis von Herrn Toepffer war richtig: Einige Forderungen, die in den aktuellen Verhandlungen erhoben werden, werden nicht zu einem Aufschwung bei den jeweils Betroffenen führen, weil sie fiskalisch, im Portemonnaie, gar keine Auswirkungen haben. Das sollten Sie bedenken, wenn Sie das nächste Mal ein Thema für eine Aktuelle Stunde formulieren, und sich intensiver mit den verhandelten Forderungen auseinandersetzen.
Es ist uns aber nicht entgangen - darüber freuen wir uns, und das begrüßen wir -, dass der Aufschwung schon bei vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern angekommen ist, insbesondere bei denjenigen, die neu in Arbeit gekommen sind, die also durch den Aufschwung eine Arbeit gefunden haben. Das war für sie persönlich wahrscheinlich viel wichtiger als für einen anderen Arbeitnehmer die Frage, ob die Gehaltserhöhung um 0,5 % höher oder niedriger ausfällt. Seit Mai 2009 konnten 36 000 Menschen in Niedersachsen durch das Verlassen der Arbeitslosigkeit von diesem Aufschwung profitieren. Hierüber sollten wir alle uns tatsächlich freuen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sollten noch einmal darüber nachdenken: Es ist schon ein bisschen schwierig, wenn Sie jetzt sagen, durch die Tarifverhandlungen, durch die Tariferhöhungen kommt der Aufschwung bei den Beschäftigten an. Denn der überwiegende Teil einer Tariferhöhung landet nicht bei den Beschäftigten, sondern bei Herrn Schäuble, bei Herrn Möllring und bei den Sozialversicherungsträgern. Wenn Sie das ändern wollen, sollten Sie Ihre Position zu Steuern auf Bundesebene noch einmal arg überdenken.
Besprechung: Gründung der European Medical School mit Medizinischer Fakultät an der Carl-vonOssietzky-Universität Oldenburg - Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/3307 - Antwort der Landesregierung - Drs. 16/3698