Protokoll der Sitzung vom 30.06.2011

Sie alle kennen das bekannte Zitat

„Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“

(Wittich Schobert [CDU]: Ich kenne das nicht!)

- Dann kennen Sie es jetzt.

(Wittich Schobert [CDU]: Wer hat das denn gesagt?)

- Kommen wir wieder zum Thema! Lassen Sie doch einfach Ihre Zwischenrufe, und hören Sie an der Stelle einmal zu! Das wird doch möglich sein.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten - Wittich Schobert [CDU]: Von wem stammt denn das Zitat?)

Wir können die Sitzung kurz unterbrechen. Ob das im Interesse aller ist, die noch im Plenarsaal sind, daran habe ich leichte Zweifel. Das kann man aber verhindern, wenn es im Plenarsaal jetzt ruhiger wird. - Bitte!

Der Charakter des Internets ist ein grundsätzlich anderer. Abgesehen von Anschluss- und Zugangskosten kann jeder Mensch seine Meinung in gleicher Art und Weise verbreiten wie jeder andere Mensch.

(Zuruf von der CDU: Gut so!)

- Aus der CDU-Fraktion kam gerade der Zuruf „Gut so“. Das kann ich ausdrücklich bestätigen. - Das ist die Freiheit des Internets. Das ist die Neutralität im Internet. Jetzt aber gibt es Bestrebungen, aufgrund der Leitungsengpässe und aufgrund der Versuche,

als Betreiber aus dem Internet möglichst viel Gewinn zu erzielen, die Daten unterschiedlich schnell durch das Internet zu leiten, d. h. für diejenigen, die dafür ordentlich Geld bezahlen, die Daten schneller und bevorzugter durchs Netz zu leiten als die Daten von denjenigen, die dafür weniger Geld bezahlen. Das würde den demokratischen Charakter des Internets aber deutlich einschränken. Dann würde es nämlich wieder darauf hinauslaufen, dass diejenigen, die mehr Geld haben, ihre Meinung besser verbreiten können als diejenigen, die weniger Geld haben. Ich sage Ihnen ganz klar: Wir Linke wollen das nicht.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Helge Limburg [GRÜNE])

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir alle uns sicherlich gefreut haben, dass es in einigen nordafrikanischen Staaten Aufstände und Gegenwehr gegen Regime gegeben hat, die Menschen unterdrückt haben. Dazu haben auch das Internet und die Nutzung des Internets beigetragen, und zwar eine Nutzung durch Menschen, die nicht in der Lage gewesen wären, massiv viel Geld dafür zu bezahlen, dass ihre Daten schnell und bevorzugt durchs Internet geleitet werden.

Wenn wir zulassen, dass sich das verschiebt und es vom Geld abhängt, wer seine Meinung im Internet wie verbreiten kann, dann werden auch solche Bewegungen und solche Möglichkeiten eingeschränkt und geschwächt.

(Glocke des Präsidenten)

Ich denke, wir alle miteinander können das nicht wollen.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Helge Limburg [GRÜNE])

Und deswegen - - -

Müssen Sie jetzt zum Ende kommen.

- - - finden wir den Ansatz im Antrag der SPD gut, sich mit diesem Thema hier zu befassen. Über die Details werden wir in den Ausschüssen miteinander zu reden haben. Da schauen wir noch einmal genau drauf. Grundsätzlich ist das Ansinnen aber zu begrüßen und wird von uns ausdrücklich unterstützt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Mindermann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich sehe die wachsende Bedeutung des Internets in der Gesellschaft.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Dabei spielt die offene Struktur eine große Rolle; denn Sie trägt maßgeblich zum Erfolg bei.

(Wittich Schobert [CDU]: Richtig!)

Diese Offenheit erlaubt jedem, etwas Eigenes beizutragen und innovativ tätig zu sein, ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen. Nach meiner Ansicht muss das auch so bleiben.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist gut!)

Thematisch möchte ich zwei Beispiele aufführen, an denen man erkennt, wo die eigentliche Problematik liegt.

Erstens. Netzbetreiber könnten von Serviceanbietern für den Zugang ihrer Kundschaft Geld verlangen. Dabei bestünde technisch die Möglichkeit, den Zugang zum Internet exklusiv, also nur noch einem Serviceanbieter, zu gewähren. Der Netzbetreiber könnte die Zugangsrechte dabei an die meistbietenden Serviceanbieter versteigern.

Zweitens. Neue Technologien ermöglichen es den Netzbetreibern, Produkten, mit denen sie selbst auf dem Servicemarkt präsent sind, Marktvorteile zu verschaffen. Ein Netzwerkbetreiber, der beispielsweise einen Internettelefoniedienst betreiben will, könnte versucht sein, andere Anbieter von Internettelefonie von seiner Kundschaft fernzuhalten oder hinsichtlich der Übertragungsqualität zu diskriminieren. Dazu ein konkretes Beispiel: TMobile verhindert die Nutzung von Skype auf dem iPhone und begründet dies u. a. mit einer eventuellen hohen Netzauslastung.

Meine Damen und Herren, grundsätzlich vertrauen wir den Kräften des Marktes.

(Daniela Behrens [SPD]: Natürlich!)

- Ganz genau. - Eine hohe Qualität der Datenübertragung und der freie Zugang zu den Netzen haben höchste Priorität. Die christlich-liberale Koaliti

on beobachtet die aktuelle Entwicklung sehr genau.

(Wittich Schobert [CDU]: Genau!)

Darum unterstützen wir auch die Anstrengungen der Europäischen Union, eine Mindestqualität der Netzübertragungsdienste festzulegen, sollte die Entwicklung am Markt dies notwendig machen.

Die Qualitätssteigerung für einzelne Kunden darf jedoch nicht zulasten aller Nutzer gehen. Sie muss ein zusätzliches Angebot des Providers bleiben. Eine Einschränkung des Datenverkehrs ist nicht akzeptabel; denn sie behindert Innovation und freien Datenaustausch und bremst die wirtschaftliche Entwicklung. Die Einschränkung der Netzneutralität wäre hemmend und würde das wirtschaftliche Wachstum begrenzen. Darum setzt sich die CDU für einen freien Datenverkehr auf der Grundlage von Netzneutralität und gleichbleibendem Datenaustausch ein.

Regulatorische Maßnahmen sollten dann erfolgen, wenn sich zeigt, dass technische Neuerungen oder soziale Entwicklungen durch die Verletzung der Neutralität der Netze gefährdet sind. Dies haben die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag bereits festgeschrieben.

In den USA, quasi dem Mutterland des Internets, wurden bislang alle Gesetzentwürfe abgelehnt, die die netzneutrale Datenübermittlung hätten gesetzlich verankern sollen. Ich denke, dass wir zunächst die Ergebnisse der Arbeitsgruppe in der Enquetekommission abwarten sollten. Hier wird bereits in einer Detailarbeit über das Thema Netzneutralität gesprochen. Sie ist nämlich keine Frage von schwarz oder weiß allein. Es muss unterschieden werden, ob es um die Behinderung neuer Dienste geht oder um reine Technologien des Netzwerkmanagements.

(Wittich Schobert [CDU]: Der ist gut!)

Wir halten es nicht für sinnvoll, zeitunkritische Pakete wie z. B. beim Download einer PDF-Datei zwanghaft mit zeitkritischen Paketen wie beispielsweise der IP-Telefonie gleichzusetzen. Bereits dieses Beispiel zeigt, dass die Diskussion über Netzneutralität eine Menge Differenzierungen verlangt.

Ich bin der Meinung, wer jetzt mit pathetischen Papieren vorprescht und die Ergebnisse in Berlin vorwegnehmen will, erschwert damit eine unideologische Sacharbeit.

(Beifall bei der CDU)

Der Antrag der SPD behandelt ein wichtiges Thema, ist aber in meinen Augen verfrüht, da es hier nicht nur um niedersächsische Interessen geht, sondern das Thema bundesweit betrachtet werden muss.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wittich Schobert [CDU]: Sehr gut!)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Professor Zielke das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Internet wächst und wächst wie ein offener, immer weiterer Himmel. Doch da, am Horizont, ein Wölkchen! Nein, es geht nicht um Cloud Computing, obgleich das mit hineinspielt. Angeblich droht ein Engpass, ein Stau von Daten im Internet, und dann könnten böse Netzbetreiber auf die Idee kommen, Premiumübertragungen gegen Geld anzubieten, und Otto Normaluser stünde in der Warteschlange.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ja!)