Protokoll der Sitzung vom 21.03.2012

Zu der wirtschaftlichen Nutzlosigkeit dieser neunten Elbvertiefung habe ich schon mehrfach ausgeführt; das können Sie nachlesen. Aber auch die von Niedersachsen zu beurteilenden Belange der Wasserwirtschaft und der Landeskultur sind gravierenden Verschlechterungen ausgesetzt. Ich bin mir sicher, dass Sie es nicht schaffen werden, Ihre Zustimmung an eine absichernde Beweislastumkehr zu koppeln, die dann nicht durch Gefälligkeitsgutachten ausgehebelt werden kann.

Und wenn es dann wieder einmal passiert ist, wenn von den Entscheidungsträgern niemand mehr dingfest zu machen ist, weil die inzwischen ihre hohen Renten verwalten, dann beruft man wieder eine Begleitgruppe oder eine Ethikkommission ein, und die sollen dann die Suppe auslöffeln.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, es liegen noch zwei Wortmeldungen seitens der Landesregierung vor. Zunächst Herr Minister Dr. Birkner!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich schon darüber gewundert, dass wir auch diesmal wieder mit einer Aktuellen Stunde zu diesem Thema konfrontiert werden.

(Elke Twesten [GRÜNE]: Uns ist das wichtig, Herr Birkner!)

- Ja, aber wenn es Ihnen tatsächlich wichtig gewesen wäre, dann hätten Sie einen echten Beitrag zur Diskussion geliefert. Das, was Sie hier geliefert haben, Herr Wenzel, war aber reine Polemik und hatte mit der Sache nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Da Sie Ihre Argumente hier nicht ernsthaft vorgetragen haben, kann und will ich sie auch nicht ernst nehmen und mich mit ihnen auch nicht weiter auseinandersetzen.

Ich will für die Landesregierung deutlich machen, dass wir uns seit 2004, seit es um die Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan gegangen ist, intensiv für die Belange und Interessen der Menschen in der Region einsetzen. Wir haben der Aufnahme in den Verkehrswegeplan auch nur für den Fall zugestimmt, dass entsprechende Maßgaben vorgesehen werden, die dazu dienen, die Interessen der Menschen in der Region zu berücksichtigen. Seitdem die Anträge Ende 2006 vorgelegen haben, haben wir das kontinuierlich in den Prozess eingebracht. Wir haben - das ist hier gesagt worden - vielfältige Gespräche geführt.

Herr Herzog, ich bin natürlich auch in Kontakt mit den Bürgermeistern von Jork und Lühe. Ich war - das ist hier gesagt worden - auf Einladung des Abgeordneten Oetjen vor Ort. Wir haben dort Gespräche mit Vertretern der Deichbände geführt.

Diese Gespräche werden auch weiterhin geführt. Erst dieser Tage werden wir weitere Gespräche führen und auch darüber diskutieren, ob und inwieweit wir über die Belange, die dort geäußert werden, Einvernehmen erzielen können und inwieweit darauf fachlich zu reagieren ist. Insofern findet hier ein ganz konkreter Dialog mit den Menschen vor Ort statt, den wir im weiteren Verfahren natürlich auch fortsetzen werden.

(Zustimmung von Christian Grascha [FDP])

Wir haben - auch das ist hier in den Diskussionen bereits mehrfach erörtert worden - auch schon einiges erreicht. Ich will zu den Stichworten „Deichsicherheit“ und „Wasserwirtschaft“ darauf hinweisen, dass wir mit dem Ufersicherungskonzept am Altenbrucher Bogen und auch mit den Verträgen zur Uferunterhaltung an der Elbe Wesentliches erreicht haben. Ich will aber auch deutlich machen, dass im Bereich der Wasserwirtschaft noch nicht alles geklärt ist. Unsere Forderung, dass der Bund die Kosten für die ausbaubedingten Deichverstärkungen und -erhöhungen zu 100 % zu tragen hat, bleibt weiter bestehen und muss auch noch Berücksichtigung finden.

Meine Damen und Herren, wichtig ist, dass ich am Ende noch einmal darauf hinweise, dass es sich hier um ein rechtliches Verfahren handelt. Wir werden im Rahmen dessen, was wir einvernehmlich einbringen können, auch weiterhin im Interesse Niedersachsens und im Interesse der Menschen in der Region handeln. Wir werden uns aber auch an Recht und Gesetz halten. Die Prüfungen dauern an. Wir können dem Abschluss dieser Prüfungen nicht vorgreifen. Deshalb sind die weiteren Gespräche, die noch zu führen sind, zunächst einmal abzuwarten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt Herr Minister Lindemann. - Herr Lindemann, Sie hatten vermerkt, dass Sie als Letzter reden wollten. Wir haben das nicht gesehen. Es tut mir leid. - Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich trotz der Ernsthaftigkeit dieses Themas am Anfang eine scherzhafte Bemerkung machen. Herr Wenzel, wer Gummistiefel nicht von Puschen unterscheiden kann, der qualifiziert sich damit nicht unbedingt für die Beantwortung komplizierterer Fragen. Ich glaube, die Fragen, mit denen wir es hier zu tun haben, sind solche.

Meine Damen und Herren, durch die Elbvertiefung gibt es Veränderungen, die auch für Landwirte und Obstbauern von Bedeutung sind. Unter anderem verschiebt sich die Brackwasserzone flussaufwärts. Das ist unbestritten.

Es ist, meine Damen und Herren, aber nicht Aufgabe der Niedersächsischen Landesregierung, die Entwicklung Hamburgs zu verhindern. Vielmehr ist ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass hierdurch entstehende Nachteile für den Naturschutz, für die Deiche, den Obstbau und die Viehwirtschaft verhindert bzw. ausgeglichen werden. Ich kann Ihnen versichern, dass sich die Landesregierung ihrer Verantwortung bewusst ist und ihr auch gerecht wird.

Wir haben in den letzten Monaten deshalb konstruktive Verhandlungen mit den Beteiligten geführt und uns dabei nachdrücklich für die niedersächsischen Interessen eingesetzt. Verhandlungspartner waren neben den Obstbauern und den Verbänden der Bund, vertreten durch die Wasser- und Schifffahrtsdirektion, aber auch die Hansestadt Hamburg.

Diese wird in starkem Maße von der Elbvertiefung profitieren - wenn sie kommt. Noch, meine Damen und Herren, sind wir nicht am allerletzten Ende unserer Gespräche. Aber schon jetzt lässt sich sagen, dass wir es erreicht haben, dass vorsorglich Maßnahmen und Schutzauflagen für die Obstbauern im Alten Land und im Bereich Kehdingen getroffen werden. Wir werden es erreichen, dass die Obstbauern von einem potenziellen Anstieg der Salinität durch die Elbvertiefung weitgehend unabhängig werden: durch Wasserspeicherbecken, die für eine notwendige Frostschutzberegnung als Puffer fungieren sollen.

Die Landesregierung hat die Position der Obstbauern bei den Verhandlungen mit den Vorhabenträgern immer deutlich unterstützt, und die

Obstbauern haben den bisher erreichten Verhandlungsergebnissen bereits zugestimmt. In dieser Woche sind weitere Gespräche zum Einvernehmen des Landes geplant, um die noch offenen Punkte möglichst abschließend zu verhandeln. Bislang ist noch keine Entscheidung über das Einvernehmen im Bereich der Landeskultur getroffen worden. Dies wird erst möglich sein, wenn die letzten Gespräche geführt worden sind und die Verbindlichkeit der Absprachen sichergestellt ist.

Danke.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Wenzel hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Da die Landesregierung ihre Redezeit nur ganz kurz überschritten hat, bekommen Sie, Herr Wenzel, eine Minute.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Lindemann, Herr Minister Birkner, Sie fordern eine sachliche Debatte. Eine solche Debatte würde ich mir auch wünschen: auf der Grundlage vernünftiger und belastbarer Unterlagen.

Es irritiert mich schon, wenn Sie hier behaupten, Sie hätten eine Vielzahl von Gesprächen geführt, dann aber die Bürgermeister der Gemeinde Jork und der Samtgemeinde Lühe am 8. März an die Landesregierung bzw. an den Umweltminister schreiben - Zitat -:

„Unsere bisherigen Gesprächswünsche hierüber an den NLWKN als zuständige Einvernehmensbehörde wurden leider abgewiesen. Somit fühlen wir uns mit unseren Fragen und Wünschen alleingelassen.“

Dann wird darauf verwiesen, dass man sich wiederholt geweigert hat, unabhängige Gutachter heranzuziehen, um prüfen zu lassen, ob die Daten tatsächlich belastbar sind.

(Patrick-Marc Humke [LINKE]: Das hat Herr Herzog schon alles gesagt! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Musst du doch nicht wiederholen! Hatten wir doch schon!)

Es ist bei einer solchen Maßnahme mit solch weitreichenden Folgen meines Erachtens auch sinnvoll, dass man sich von unabhängiger Stelle eine

Zweit- oder Drittmeinung einholt. Das, meine Damen und Herren, erfordert auch zwingend, dass jetzt keine Entscheidung getroffen wird, wenn Sie sich nicht zu einem Nein durchringen können, was rechtlich geboten wäre - - -

Herr Kollege, letzter Satz, bitte!

- - - und wofür auch die Rechtsgrundlagen ausreichen würden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion hat ebenfalls um zusätzliche Redezeit gebeten. Herr Oetjen, Sie haben ebenfalls eine Minute.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Da der Kollege Wenzel nicht so oft in der Region präsent ist, kann er nicht wissen, dass der Brief der Bürgermeister der Gemeinde Jork und der Samtgemeinde Lühe dem Umweltminister persönlich am Rande eines Gespräches am 8. März übergeben wurde, dass in der Zwischenzeit die Gespräche mit dem Umweltministerium stattgefunden haben und dass auch die Vertreter der Gemeinden in dieser Woche noch einmal hier in Hannover sind.

Haben Sie insofern keine Sorge! Die Einbindung der Region wird von dieser Landesregierung gewährleistet. Das ist guter Stil. Dieser gute Stil wird von CDU und FDP hier unterstützt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 15 d:

Soziale Ausgrenzung nun wissenschaftlich bestätigt - CDU-Schulpolitik verhindert Chancengleichheit für die Kinder in Niedersachsen - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4613

Dazu hat sich als Rednerin Frau Kollegin Reichwaldt von der Faktion DIE LINKE gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Institut für Schulentwicklungsforschung der Technischen Universität Dortmund hat im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung einige Kennziffern des Schulwesens untersucht und die Ergebnisse am 12. März vorgestellt. Nun ist es mit Kennziffern und Vergleichen im Bildungsbereich ja immer so eine Sache. Meistens wird da etwas verglichen, was gar nicht so richtig verglichen werden kann. Entweder sind für einen sinnvollen Vergleich die konkreten Rahmenbedingungen vor Ort zu unterschiedlich, oder die Definition der Sache, die verglichen werden soll, ist viel zu unscharf. Deswegen möchte ich auf Aspekte wie Kompetenzförderung, die die Studie messen und danach die Länder vergleichen wollte, gar nicht näher eingehen.

Was jedoch durchaus messbar ist, sind die sozialen Rahmendaten. Hier sehen wir das ganze Drama an unseren Schulen. In Niedersachsen haben Kinder aus reichen Familien eine sechsfach höhere Chance, auf ein Gymnasium zu gehen, als Kinder aus ärmeren Familien. Das Gymnasium ist immer noch die Schulform, die mit dem Abitur den Schulabschluss anbietet, der mit Abstand die größte Anerkennung genießt, am höchsten bewertet ist und somit die besten Zukunftsoptionen eröffnet. Hier haben reiche Kinder eine sechsmal größere Chance als arme Kinder. Mit anderen Worten: Auch mit dieser Studie ist wieder einmal bewiesen, wie groß die soziale Schere an unseren Schulen ist. - Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, tragen dafür die Verantwortung.

(Beifall bei der LINKEN)