Protokoll der Sitzung vom 21.03.2012

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sorgen dafür, dass hier Kinder im Alter von zehn Jahren auf unterschiedliche Schulformen aufgeteilt werden und damit unterschiedlichen Bildungs- und Zukunftschancen zugeteilt werden. Ich wiederhole: Es geht um zehnjährige Kinder.

Meine Damen und Herren, um Ihr Argument gleich vorwegzunehmen: Die Oberschule ändert daran nichts. Auch mit der Oberschule gibt es eine Trennung zwischen Gymnasium und dem Rest. Und die Oberschule, die eigentlich „Darunterschule“ heißen müsste, ist nun einmal eine Schule unter dem Gymnasium, an der man kein Abitur machen kann und in der es im Regelfall auch kein gymnasiales Angebot wie in der Sek I gibt. Ich kann zwar

nicht verhindern, dass wir gleich nach meinen Ausführungen von der Oberschule reden. Aber ich darf Sie doch herzlich bitten, die Oberschule hier nicht als die Lösung für alle Probleme hinzustellen. Das ist sie nun wahrlich nicht.

(Beifall bei der LINKEN - Editha Lor- berg [CDU]: Genauso wenig wie die Gesamtschule!)

Ein zentrales Problem in unserem Schulsystem ist nicht, wohin wir die Kinder wegsortieren, sondern ganz grundsätzlich, dass wir sie überhaupt wegsortieren. Jedes Aussortieren im Alter von zehn Jahren ist falsch. Kinder, die mehr Zeit für ihre individuelle Entwicklung brauchen, werden benachteiligt, und ebenso Kinder, die aus schwierigen Verhältnissen kommen und daher zu Hause nicht entsprechend gefördert werden können. Durch das Aussortieren bekommen sie im Alter von zehn Jahren die Rechnung dafür präsentiert. Es ist eine Rechnung, die sie später kaum noch rückgängig machen können; denn - auch das hat die Studie der TU Dortmund erneut bestätigt - in unserem Schulsystem gibt es nur eine Richtung: nach unten. - Die Durchlässigkeit beispielsweise von der Realschule auf ein Gymnasium ist faktisch nicht existent. Es geht immer nur in die andere Richtung. Einer Hochschulung stehen elf Abschulungen gegenüber. Ihre Schulpolitik, meine Damen und Herren von CDU und FDP, trimmt die Kinder ab der ersten Klasse auf Leistung und Konkurrenz. Wer schwach ist, hat Pech gehabt und wird aussortiert.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Frau Reich- waldt, was reden Sie da eigentlich für ein Zeug! Das ist ja abenteuerlich! Wie kann man so einen Unsinn erzäh- len! Das tut ja weh! Wo leben Sie denn? - Gegenruf Olaf Lies [SPD]: In der Realität!)

Das wiederum betrifft insbesondere Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Gesellschaftliche Aufstiegsmöglichkeiten durch gute Bildungsangebote werden für arme Familien erschwert, die soziale Spaltung in Niedersachsen von Generation zu Generation fortgeschrieben.

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Der Anteil von Hartz-IV-Empfängern an Gymnasiasten beträgt gerade einmal 4 %, an Hauptschulen sind es 29 %, und an Förderschulen sind es sogar 44 %.

Meine Damen und Herren, auch deshalb brauchen wir die inklusive Schule in Niedersachsen ohne ein paralleles Förderschulsystem.

(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Mehrfach schwerstbe- hinderte Kinder auch noch dabei!)

Durch Aussieben und Abschieben lassen sich diese Probleme nicht lösen. Wir müssen alles tun, damit die individuelle Förderung verbessert wird, die Kinder mehr Zeit zum Lernen haben und die Bildungswege so lange wie möglich offen bleiben. Wir müssen das gemeinsame Lernen aller Kinder forcieren, und - ja! - wir müssen daher endlich Schluss machen mit der absurden Diskriminierung der Integrierten Gesamtschulen.

(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU] lacht)

Meine Damen und Herren, die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Dr. von Danwitz von der CDU-Fraktion.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Erkläre ih- nen mal, dass wir keine DDR mehr haben!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich im Rahmen dieser Aktuellen Stunde einige Erfolge der niedersächsischen Schulpolitik darstellen kann;

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

denn seit den ersten PISA-Zahlen hat sich sehr viel getan. Die Leistungen sind überall besser geworden, und die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der Herkunft hat sich abgemildert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Frauke Heiligenstadt [SPD] lacht)

Beides ist wichtig: faire Chancen auf der einen Seite, aber auch eine hohe Leistungsfähigkeit unserer Schülerinnen und Schüler. - Es kann ja nicht sein wie in Berlin, dass man das System dort als gerecht bezeichnet, wir aber feststellen müssen, dass die Schüler sehr, sehr wenig leistungsfähig sind. Das kann nicht unser Ziel in Niedersachsen sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, auch wenn die Studie auf veraltetem Erhebungsmaterial basiert und zum

Teil widersprüchlich ist, so kann man doch Folgendes ablesen: Niedersachsen hat zum Teil sehr gut abgeschnitten. Niedersachsen hat eine der niedrigsten Quoten bei Schulabgängern ohne jeglichen Abschluss.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben eine der niedrigsten Exklusionsquoten. Das heißt, wir sind bei der gemeinsamen Beschulung von Kindern mit und ohne Handicap schon sehr weit fortgeschritten. Bei der Möglichkeit, ein Ganztagsangebot zu nutzen, sind wir im Mittelfeld. Aber wenn man aktuellere Zahlen heranziehen würde, wären wir sehr weit vorne.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Woher kennen wir denn die anderen?)

Auf Seite 23 der Studie steht ganz klar: In der Primarstufe ist der Einfluss des sozialen Hintergrunds auf die Leistungen in Niedersachsen sehr gering. - Liebe Kolleginnen, das müssen Sie auch einmal lesen!

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Hier wer- den sie noch gemeinsam beschult, Herr von Danwitz! Das ist doch kein Wunder! - Kreszentia Flauger [LIN- KE]: Sie müssen den Zettel richtig herum halten!)

Im Sekundarbereich I - Zitat - gelingt es Niedersachsen sehr gut, diesen Einfluss zu reduzieren.

Auf Seite 26 ist zu lesen, dass Niedersachsen im Bereich der Lesekompetenz sehr weit vorne liegt. - Ich verstehe ja, dass Sie diese Zahlen nicht gerne hören. Aber Sie müssen die Realität hier zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auf Seite 27 wird zum Stichwort „soziale Herkunft und Kompetenzerwerb“ als Resümee festgestellt: Niedersachsen ist in der Primar- und in der Sekundarstufe vergleichsweise sehr erfolgreich. - So sieht es aus, meine Damen und Herren: Wir sind in Niedersachsen gut aufgestellt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD - Olaf Lies [SPD]: Vergleichsweise!)

Ansonsten wird in der Studie die Frage der Gerechtigkeit meiner Meinung nach allzu sehr auf den Besuch des Gymnasiums reduziert.

(Beifall bei der CDU)

Über die Vielzahl der Abschlüsse, die hohe Durchlässigkeit und die tollen Möglichkeiten an den berufsbildenden Schulen wird überhaupt nicht geredet. Stellen Sie, liebe Frau Reichwaldt, sich einmal vor, Sie würden regieren - ich kann mir das nicht vorstellen; aber Sie träumen ja davon -,

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Aber so viel Fantasie sollten Sie haben!)

die Gymnasien würden abgeschafft, es würde kein Gymnasium mehr geben, und die Studie würde dann feststellen: kein Einfluss mehr durch das Elternhaus, alle wären gleich - schlecht!

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ha, ha, ha! - Gegenruf von Karl-Heinz Klare [CDU]: Ja, das ist leider die Folge!)

Das kann doch kein Ziel der niedersächsischen Bildungspolitik sein.

Meine Damen und Herren, die Frage der Gerechtigkeit nur anhand der Abiturquote festzumachen, ist zu kurz gesprungen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das wis- sen Sie doch besser, Herr von Dan- witz! - Ralf Borngräber [SPD]: Schwarzweißmalerei!)

Eine Hochschulzugangsberechtigung bekommt man doch nicht nur über den Weg des Gymnasiums. Wir haben berufsbildende Schulen. Wir haben in Niedersachsen mittlerweile auf den Weg gebracht, dass man als Meister studieren kann, mittlerweile auch im Rahmen der dualen Ausbildung. Das sind doch auch Möglichkeiten, wie man sich weiterentwickeln kann.

Rund die Hälfte aller Studienberechtigten hat gar kein Gymnasium besucht, sondern die Berechtigung auf anderen Wegen erworben. Unter diesen jungen Menschen sind sehr, sehr viele aus den sogenannten bildungsfernen Schichten. Sie sind dort sehr stark vertreten. Man sieht auch hieran: In Niedersachsen ist der Aufstieg möglich!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Entscheidend ist doch nicht die Abiturquote, sondern entscheidend ist, dass junge Menschen durch die Schule so gut auf das Leben vorbereitet werden, dass sie einen Ausbildungsplatz, einen Studienplatz oder einen Arbeitsplatz bekommen. Dafür sorgen wir in Niedersachsen.

Sie sehen anhand meiner Ausführungen: Wir sorgen für eine hohe Chancengerechtigkeit aller Kinder. Wir sorgen aber auch dafür, dass unser Bildungssystem leistungsgerecht ist. Die Behauptung einer angeblich sozialen Ausgrenzung, die auch noch wissenschaftlich bestätigt worden sein soll, habe ich heute hier klar widerlegt. Resümee: CDU und FDP sorgen hier in Niedersachsen für eine vernünftige Schulpolitik.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ralf Borngräber [SPD]: Grotten- schlecht!)

Meine Damen und Herren, die nächste Rednerin ist die Kollegin Heiligenstadt für die SPD-Fraktion.

(Ralf Borngräber [SPD]: Jetzt kommt wenigstens einmal Qualität ins Spiel!)