Kanalisierung ausschließlich vom Kampf gegen die Sucht wegzukommen, weil das vom Europäischen Gerichtshof nicht akzeptiert würde. Wir wissen doch, warum all diese Zwiespältigkeiten in diesem Staatsvertrag stehen: weil auf der einen Seite die inhaltlichen Interessen unterschiedlich sind und weil auf der anderen Seite die europäische Rechtsprechung unterschiedlich ist. Das Bundesverfassungsgericht drängt ausschließlich auf den Kampf gegen die Suchtgefahr. Der Europäische Gerichtshof ist zufrieden, wenn das Prinzip der Kohärenz hergestellt ist, und wird im Übrigen, weil er sich genauso verhält wie die deutsche FDP, weiter drängen, Wettbewerb zuzulassen und Marktradikalität zur Anwendung zu bringen, mit all den fatalen Konsequenzen in Bezug auf die Zunahme der Zahl von Süchtigen durch die Glücksspielindustrie in Deutschland, was wir gegenwärtig auch schon feststellen.
(Beifall bei der SPD - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Das ist so ein Unsinn! - Christian Dürr [FDP]: Die Leute spie- len das Spiel doch! - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Die Leute spielen doch!)
Ich sage Ihnen: Das ganze Paket ist rechtlich hoch zweifelhaft. Es ist ein politischer Kompromiss. Wir werden dem Staatsvertrag zustimmen wohl wissend um dessen Gefahr. Meine Prognose lautet: In fünf Jahren wird es ihn nicht mehr geben, weil er vom Gericht weggeputzt wird. Wir stimmen aber übrigens deshalb zu - auch das sage ich Ihnen, Herr Dürr -, weil Sie als einziges Bundesland vor vier Wochen ein Vorschaltgesetz beschlossen haben,
das noch schlimmere Regelungen hinsichtlich der Suchtgefahren beinhaltet, weil Sie Erlebniswetten bei Sportwetten bundesweit als einzige durchsetzen wollen.
Das ist eine total vertane Entwicklung, meine Damen und Herren. Demgegenüber ist der Staatsvertrag schon wohlwollend. Deshalb stimmen wir zu.
Wir werden der Umsetzung im Landesrecht übrigens aus mehreren Gründen nicht zustimmen. Ich will vier Dinge nennen, die man wissen muss, bevor man gleich abstimmt, weil diese uns einholen werden.
Erstens. Mit diesem Paket delegieren wir Verantwortlichkeiten des Landes an eine zwischenstaatliche Verwaltungsorganisation, die sogenannte Glücksspielkommission, also an die Glücksspielreferenten der Länder, die dann abschließend über Landeskompetenzen entscheiden. Das ist - um es vorsichtig zu formulieren - rechtlich mindestens zweifelhaft, meine Damen und Herren.
Zweitens. Herr Toepffer hat auf ein Beispiel hingewiesen. In dem Staatsvertrag und auch in der Landesumsetzung wird in die Berufsfreiheit nach Artikel 12 GG eingegriffen. Ob man das gut findet oder nicht, ist eine ganz andere Frage.
Es gibt uneingeschränkte Betriebsgenehmigungen, von kommunaler Seite an Spielautomatenbetreiber erteilt. Jetzt beschließen wir eine Übergangsfrist von fünf Jahren. Die kommunalen Spitzenverbände haben in ihrer Stellungnahme darum gebeten, dass das Land haftungsrechtlich eintritt, wenn irgendetwas passiert. Das ist nicht in das Gesetzespaket aufgenommen worden. Deshalb fordern die kommunalen Spitzenverbände, dass das alles zunächst gründlich diskutiert wird, ehe man das umsetzt. Das war auch der Grund, warum wir der Beratung des Glücksspielgesetzes nicht zustimmen wollten, sondern es erst noch gründlich beraten wollten.
Dass das nicht ganz unkompliziert ist, wissen wir auch. Von daher habe ich nachvollziehen können, dass Sie das so machen, obwohl es an vielen Stellen problematisch ist.
Drittens. Der § 27 des Staatsvertrags enthält eine Regelung zu Pferdewetten. Meine Damen und Herren, die ausschließliche Kompetenz, Pferdewetten zu regeln, hat der Bundestag. Dieser hatte beabsichtigt, von dieser Kompetenz Abstand zu nehmen.
Aus taktischen Gründen übrigens, die mit dem Thema nichts zu tun haben, ist das in der letzten Woche von der Tagesordnung genommen worden, was zur Folge hat, dass sich der Landesgesetzgeber anmaßt, eine Bestimmung aufzunehmen, für die er keine Kompetenz hat.
Die Juristen streiten sich, ob in der Folge § 27 oder das gesamte Gesetzespaket nichtig ist. Dieser Streit ist nicht abschließend entschieden. Ich will
nur darauf hinweisen: Wir beschließen heute Rechtswidriges, und es ist heute schon klar, dass die erste Korrekturnovelle zum Glücksspielgesetz im nächsten Monat für den Fall auf der Tagesordnung stehen muss, dass der Bundestag bis dahin entschieden hat.
Der vierte Punkt, meine Damen und Herren: In § 4 d steht, dass in Zukunft eine Konzessionsabgabe in Höhe von 5 % fällig wird. Bisher gibt es, auf der Bundesebene geregelt, eine Konzessionsabgabe von rund 16,7 %. Auch hierzu hat der Bundestag noch keine Entscheidung getroffen, die Regelungskompetenz den Ländern zu überlassen.
Das heißt, in einer zentralen finanzpolitischen Frage maßt sich der Landtag heute an, einen Sachverhalt zu klären, für den er überhaupt nicht zuständig ist, meine Damen und Herren. Sie müssen doch zugeben, dass das nicht ganz unproblematisch ist, was wir hier gerade machen.
- Herr Dürr, Sie haben recht: Um Schlimmeres zu verhüten, stimmen wir diesem Staatsvertrag zu, aber - ich sage das ausdrücklich dazu - in dem Wissen, dass wir einen politischen Kompromiss mittragen, dessen rechtliche Anfechtbarkeit dramatisch hoch ist. Das wollte ich nur ausführen.
Jetzt komme ich zu dem Entschließungsantrag der beiden Regierungsfraktionen. Herr Toepffer hat etwas zu dem Verfahren gesagt. Um das Chaos zu vervollständigen, kommen Sie hier mit einem Entschließungsantrag als Tischvorlage an. Warum, meine Damen und Herren? - Ich weiß nicht, ob die Führungsspitze Ihnen den Grund genannt hat. Herr Dürr und Herr Thümler haben dem niedersächsischen Sport in den letzten Wochen die Zusage gegeben, dass im Glücksspielgesetz die Summe für den Destinatär Sport erhöht wird. Er möchte gerne 35 Millionen Euro erhalten, wofür er, wie ich finde, gute Gründe hat. Vor einer Woche war der organisierte Sport sehr erschrocken, als sich nach Abschluss der Beratungen im federführenden Ausschuss herausstellte, dass diese Zusage im Ausschuss mit keinem Wort angesprochen worden war. Der Sport ist über die Landesregierung und die Regierungsfraktionen sehr ungehalten.
Er ist so ungehalten, dass die Herren - weniger die Damen - überlegt haben, wie man diese missliche Situation irgendwie glätten kann. Dieser Antrag ist der Versuch zu glätten. Was steht in dem Antrag? - Unter Nr. 1 lobt sich der Landtag, weil er den Staatsvertrag verabschiedet. Das kann man machen, ist aber eigentlich nicht nötig, weil wir das beschlossen haben.
Unter Nr. 3 geht es um Mehreinnahmen. Dazu hat Herr Toepffer gesagt, dass es nahe liege, weil erhebliche Mittel fließen, diese auszuschütten. - Herr Toepffer, das brauchen wir hier gar nicht zu beschließen; denn das steht im Staatsvertrag und ist der Handlungsauftrag an den Landesgesetzgeber.
Bis hierher handelt es sich also nur um Punkte, deren Beschlussfassung im Kern eigentlich gar nicht notwendig ist, weil sich all das bereits aus dem Gesetz ergibt.
Unter Nr. 4 wollen Sie eine Regelung für einen neuen Mittelempfänger einführen. Was ist da beabsichtigt? - Die Verbraucherzentrale erhält schon jetzt Geld aus dem Landeshaushalt. Das zuständige Fachministerium fragt: Warum sollen wir denen Geld aus dem Landeshaushalt geben? Die nehmen wir in das Glücksspielgesetz auf; dann haben wir als Finanzierungsquelle dies nicht mehr auf der Tagesordnung.
Meine Damen und Herren, was heißt das eigentlich? Werden diese Mittel dem Sport abgezogen? Werden sie den Wohlfahrtsverbänden abgezogen? Erhält sie der Verbraucherverband, wenn mehr hereinkommt? Was passiert aber, wenn nicht mehr hereinkommt? - Das sind interessante offene Fragen, meine Damen und Herren. Vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung, dass es zu diesem Entschließungsantrag, für den es gute Gründe gibt, einen riesigen Beratungsbedarf gibt.
Unter Nr. 5 formulieren Sie, dass ein Sportgesetz eingebracht werden soll, welches seit Jahren diskutiert wird, und wird das jetzt in einen Zusammenhang mit dem Glücksspielgesetz gebracht. Meine Damen und Herren, wo bleibt denn die Freie Wohlfahrtspflege? Auch sie müsste in einem Gesetz abgebildet werden. Denn ansonsten widersprechen Sie dem, was Sie zuvor gesagt haben,
dass die Destinatäre in gleicher Weise aus Bevorteilungen dieses Gesetzes bedient werden, meine Damen und Herren.
Letzter Satz: Diese Entschließung gehört in den Fachausschuss, weil es gute Gründe für sie gibt, aber intensiv beraten werden muss. Deshalb hoffe ich, dass Sie einsichtig sind und diesem Verfahren zustimmen.
Herzlichen Dank. - Zu einer Kurzintervention auf den Kollegen Jüttner hat sich von der CDUFraktion Herr Toepffer gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön!
Herr Kollege Jüttner, was ich erstens als misslich empfinde, ist, dass man in diesem Parlament - ohne, dass ich einen Vorwurf erheben will - auch mal die Unwahrheit sagen darf. Das Problem ist: Sie behaupten hier, es habe Gespräche und Zusagen von Herrn Thümler gegenüber dritten Personen gegeben, die heute nicht anwesend sind. Ich weiß nicht, ob Sie dabei gewesen sind. Sie sollten zumindest so ehrlich sein und darstellen, dass Sie das vom Hörensagen wissen, aber selbst nicht genau wissen, ob das wirklich so gewesen ist. Herr Thümler stellt das anders dar.
Zweitens. Ich will hier nicht belehrend wirken, lieber Kollege Jüttner. Aber Sie haben in der Tat das Problem der Gesetzgebungskompetenz angesprochen. Wenn wir hier ohne Gesetzgebungskompetenz beschließen würden, dann würden wir immer noch nichts Rechtswidriges beschließen, sondern eben ohne Gesetzgebungskompetenz - mit den möglichen Folgen. Dazu gibt es diverse Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die unterschiedlich interpretiert werden. Wir sind guter Hoffnung, dass wir die Gesetzgebungskompetenz haben bzw. - soweit wir sie noch nicht haben - trotzdem rechtskräftig beschließen. Das sehen wir schlichtweg anders.
Im Übrigen, Herr Jüttner, da ist der gedankliche Fehler: Wenn Sie dem Artikel 1 zum Glücksspieländerungsstaatsvertrag auf jeden Fall zustimmen wollen, dann aber problematisieren, dass uns die Gesetzgebungskompetenz möglicherweise fehlt, und deshalb dem Ausführungsgesetz nicht zustimmen wollen, dann ist das schlichtweg unlogisch. Da haben Sie, muss ich sagen, juristisch irgendetwas noch nicht richtig verstanden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Nichtzustimmung zum Glücksspielgesetz des Landes resultiert daraus, dass es eine Reihe von Stellen gibt, an denen wir nicht sicher sind, wie der Staatsvertrag umgesetzt wird, und dass es Beratungsbedarf gibt. Insbesondere aus dem Schreiben der kommunalen Spitzenverbände ist das deutlich geworden. Aber wir wissen auch: Wenn das nicht sofort mitberaten würde, gäbe es Rechtslücken. Darauf habe ich hingewiesen. Das Problem ist auch an dieser Stelle hochkompliziert, aber meine Begründung war etwas anders.
Zu dem Thema „Umgang mit dem Sport“ kann ich nur sagen: Ich habe mit dem Gesprächspartner von Herrn Dürr und Herrn Thümler geredet.
Ich kann für mich davon ausgehen, dass mir Herr Rawe nur Dinge erzählt, die sachgerecht sind. Wenn Herr Thümler und Herr Dürr nun erklären, das stimme nicht, dann nehme ich das zur Kenntnis. Es würde mich dann aber nicht wundern, wenn auch Herr Rawe das in geeigneter Weise zur Kenntnis nimmt.