Protokoll der Sitzung vom 22.06.2012

Ich eröffne die Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich der Kollege Heineking von der CDU-Fraktion. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf unseren Autobahnen, Bundesstraßen und Landesstraßen kommt es zunehmend zu Verkehrsbehinderungen bzw. Staus. Die Behinderungen auf den Straßen führen zu erhöhten Kraftstoffverbräuchen und zu ärgerlichen Zeitverlusten.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Ist die Landesregierung daran Schuld? - Weitere Zurufe von der SPD und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)

- Das ist so ähnlich, wie wenn Sie dazwischenreden.

(Beifall bei der CDU)

Das eine belastet die Umwelt und schadet dem Geldbeutel, und das andere führt zu volkswirtschaftlichen Nachteilen.

Ein intelligentes Verkehrsmanagement sorgt dafür, dass sich das Stauaufkommen auf Niedersachsens Straßen insgesamt verringert.

Entgegen dem Bundestrend standen die Autofahrer im Jahr 2011 auf Niedersachsens Straßen weniger als im Vorjahr. Der Staurückgang in Höhe von etwa 15 % ist ein Beleg dafür, dass viele von der Landesregierung angestoßene Projekte im Bereich Telematik bereits greifen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Regierungsfraktionen setzen sich daher mit ihrer Initiative für eine Erweiterung des Kriterienkatalogs bei Stauinformationen ein. Verkehrsteilnehmer sollen künftig über die Ursache des Staus oder den zu erwartenden Zeitverlust informiert werden. Das Stauerfassungssystem auf Autobahnen und Bundesstraßen soll dafür flächendeckend ausgebaut werden. Außerdem wird Niedersachsen vom Ausbau der länderübergreifenden Verkehrssteuerung und der Umsetzung des aktuellen Projektplans „Straßenverkehrstelematik“ des Bundesverkehrsministeriums profitieren. Bis Ende 2015 sollen 16 verkehrstelematische Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von etwa 30 Millionen Euro in Niedersachsen umgesetzt werden.

Verkehrsbeeinflussungsanlagen dienen dazu, die Verkehrsteilnehmer durch dynamische Regelung der zulässigen Geschwindigkeiten frühzeitig auf Gefahren und Störungsstellen hinzuweisen, den Verkehrsstrom gleichmäßig zu halten, wegweisende oder verkehrslenkende Hinweise zu geben oder die Leistungsfähigkeit der vorhandenen Infrastruktur durch temporäre Freigaben von Seitenstreifen zu steigern. Diese Anlagen tragen damit nicht nur zur Reduzierung und Vermeidung von Staus bei, sondern leisten durch die Verflüssigung des Verkehrs auch einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit.

Diese Kombination aus intelligenter Verkehrssteuerung, von Netzbeeinflussungsanlagen und der temporären Freigabe von Seitenstreifen auf Autobahnen bei erhöhtem Verkehrsaufkommen sorgt nicht nur für sichere Straßen und besser fließenden Verkehr, sondern ist auch für die Wettbewerbsfähigkeit der niedersächsischen Wirtschaftsräume lebenswichtig.

An dieser Stelle möchte ich auf die erfolgreiche Arbeit der Landesinitiative Telematik, durch die ein

Netzwerk von über 150 Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik initiiert wurde und zwischen 2004 und 2010 Projekte im zweistelligen Millionenbereich bearbeitet werden konnten, verweisen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Durch den aus der Landesinitiative hervorgegangenen Verein ITS Niedersachsen und die neue Landesinitiative Mobilität wird Niedersachsen auch weiterhin Schwerpunkte im Verkehrsmanagement und der Verkehrssicherheit setzen können.

Abschließend möchten wir eine Verbesserung bei der Anzeige der nächsten Rastplätze unter Einbindung der Verfügbarkeit bzw. der Auslastung erreichen.

In der Ausschussberatung ist deutlich geworden, dass die Opposition unsere Vorschläge nicht mittragen möchte bzw. ganz andere Absichten verfolgt als die, die die Regierungsfraktionen mit ihrem Antrag verfolgen. In der Begründung zu unserem Entschließungsantrag haben wir nachvollziehbar ausgeführt, warum unsere Vorschläge zu einer Verbesserung der Verkehrsleitsysteme führen. Die Konsequenz aus der Umsetzung unseres Entschließungsantrags ist mehr Sicherheit auf unseren Straßen.

Sicherheit, meine Damen und Herren, hat Vorfahrt! Ich bitte den Landtag um Unterstützung für unseren zielführenden Antrag.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Will.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Heineking, ich muss sagen: Begeisterung für innovative Verkehrspolitik klingt eigentlich anders.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Er gab sein Bestes!)

- Er hat mit voller Kraft für die Position geworben.

Ich will beim Thema Verkehrssicherheit beginnen. Die einseitige Ausrichtung des CDU/FDP-Antrages auf den straßengebundenen Verkehr wurde bei der Einbringung von uns schon hinreichend beleuchtet. Sie setzen eben auf ein „Weiter so!“ in der Verkehrspolitik, wollen jedoch die telemati

schen Entwicklungsmöglichkeiten eher noch ausbremsen. Auch das ist Bestandteil Ihres Antrages.

Ihr Antrag, der heute hier unverändert verabschiedet werden soll, macht Ihren politischen Autismus, den Sie bei den Beratungen im Fachausschuss an den Tag gelegt haben, noch einmal deutlich. Wir haben das mit Ihnen inhaltlich diskutieren wollen. Sie aber haben nur durchgestimmt. Ihnen ging es gar nicht darum, die inhaltliche Auseinandersetzung auch im Fachausschuss zu führen. Ihr Handeln ist und bleibt in erster Linie Lobbyarbeit für den ADAC. Das muss man hier festhalten.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von Gabriela König [FDP])

Dafür sollten Sie sich zu schade sein. Am Ende dieser Legislaturperiode muss man feststellen: Sie sind in Ihren Konzepten einer zukunftsorientierten Verkehrspolitik wirklich bescheiden und anspruchslos geworden. Ihnen reicht schon der Applaus der klassischen Verkehrslobby.

(Zuruf von Ernst-August Hoppenbrock [CDU])

Aber was viel entscheidender ist: Ihre Forderungen bringen uns beim Umsteuern zu einer zukunftsorientierten Verkehrspolitik kein bisschen weiter. Sie beschreiben nur den klassischen Straßenverkehr, und dabei in erster Linie den überregionalen Straßenverkehr auf Autobahnen und Bundesstraßen. Dabei vernachlässigen Sie die Sicherheit beim Ortsverkehr, die notwendige verstärkte sinnvolle Förderung des nicht motorisierten Verkehrs sowie die Erhöhung des ÖPNV-Anteils am gesamten Verkehrsaufkommen. So ließe sich eine wirksame Steigerung auch der Verkehrssicherheit erreichen, Herr Hoppenbrock.

Es muss doch eine gemeinsame Vision sein, die Vision Zero, auf die wir bei der Verkehrssicherheit hinarbeiten. Im Jahr 2011 ist die Zahl der Verkehrstoten erstmals seit 20 Jahren gestiegen. 3 991 Menschen starben, 343 mehr als im Jahr zuvor. Das zeigt, dass politisches Handeln gefordert ist, sowohl in der Präventionsarbeit als auch bei der Umsetzung konkreter Maßnahmen, um die Unfallursachen zu verringern.

Nun zu dem Thema Tempo 30: Die Arbeitsgruppe für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung der SPDBundestagsfraktion fordert die Bundesregierung folgerichtig auf, zu prüfen, ob Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit für mehr Sicherheit im Straßenverkehr sorgen könnte. Wer nicht einmal prü

fen will und das stattdessen sofort reflexartig ablehnt, stellt sich gegen alle fachlichen Stellungnahmen der Verkehrssicherheitsverbände.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die SPD-Bundestagsfraktion verweist darauf, dass das Unfallrisiko durch den verkürzten Bremsweg deutlich sinken wird und es bei Zusammenstößen zu weniger Verletzungen kommt. Gleichzeitig könnten Verkehrslärm und CO2-Ausstoß reduziert werden.

Meine Damen und Herren, der Projektplan für Straßenverkehrstelematik 2015 ist ein wichtiger Bestandteil einer Verkehrspolitik der nächsten Jahre. Automatisch gesteuerte Verkehrsbeeinflussungsanlagen erhöhen auf den besonders hoch belasteten bzw. unfallträchtigen Streckenabschnitten nachweislich die Verkehrssicherheit. Sie verbessern den Verkehrsfluss und steigern die Leistungsfähigkeit. Die verkehrs- und witterungsabhängige Steuerung des Straßenverkehrs trägt auch zur Verringerung der Umweltbelastung sowie von Zeit- und Energieverlusten bei.

Meine Damen und Herren, positive Wirkungen finden wir in der Streckenbeeinflussung zur Verbesserung des Verkehrsflusses, in der Netzbeeinflussung zur ausgewogeneren Auslastung verdichteter Autobahnnetze, bei der temporären Freigabe der Seitenstreifen zur begrenzten Kapazitätserhöhung und durch sinnvolle Zuflussregelungen, um den Verkehrsfluss auf Hauptfahrbahnen zu sichern. Das alles findet heute im Übrigen schon Anwendung, in Niedersachsen natürlich nicht in dem notwendigen Maße. Hier sind andere Bundesländer häufig viel weiter. Von ihnen könnten wir viel für eine gute fachliche Praxis übernehmen und Niedersachsen an die inzwischen innovativen Standards anderer Bundesländer heranführen.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Stuttgart 21?)

Ihr Antrag wird dem nicht gerecht. Er entspricht nicht unserem Ansatz einer integrierten Verkehrspolitik, sondern betrachtet nur einzelne Verkehrsträger. Sie haben sich auch in dieser Frage als beratungsresistent erwiesen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. Ab Januar 2013 werden wir Ihnen zeigen, wie das richtig geht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ernst-August Hop- penbrock [CDU]: Nur schade, dass Sie dann nicht mehr im Landtag sind!)

Wenn wir wüssten, wer dann im Landtag ist! - Für die FDP-Fraktion spricht nun die Kollegin König. Frau König, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Will, zu Anfang kurz zu Ihnen. Ich finde, Sie haben gerade Äpfel mit Birnen verglichen. Tempo 30 in den Kommunen ist eine kommunale und keine Landesangelegenheit. Also sollten wir das, bitte schön, auch bei den Kommunen belassen und uns in das Fachgebiet begeben, für das wir zuständig sind. - Das vorweg.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Das ist ein Prüfauftrag!)

Meine Damen und Herren, wer von uns hat nicht schon einmal im Stau gestanden? Wer von uns hat nicht schon einmal eine Stauansage im Verkehrsfunk gehört und dann erlebt, wie wenig aussagekräftig oder verlässlich sie war, dass der Stau kürzer war als angekündigt bzw. bereits aufgelöst oder dass die empfohlene Umleitung verstopft war?

Abgesehen davon, dass die Zeit im Stau großen volkswirtschaftlichen Schaden verursacht - Termine können nicht gehalten werden, Arbeitszeit wird vergeudet, Waren werden zu spät geliefert und vieles andere mehr -, werden die Menschen in den Staus nervös und gereizt und lassen sich, wenn die Straße wieder frei ist, zu Überreaktionen wie überhöhter Geschwindigkeit oder riskanten Überholmanövern verleiten, weil sie die verlorene Zeit wieder hereinholen wollen. Dabei bleibt die Sicherheit oft auf der Strecke. Dagegen wollen wir etwas tun, und dagegen haben wir auch schon etwas getan.

(Zustimmung bei der CDU)

Eine große Anzahl der Fahrer entscheidet sich, angekündigte Staus zu umfahren. Allerdings erleben sie auf den Umleitungsstrecken dann nicht selten das gleiche Desaster. Sie quälen sich durch Ortschaften und über Bundes- und Landesstraßen und gefährden dort die Anlieger und insbesondere die schwächeren Verkehrsteilnehmer.

Genau darauf zielt auch dieser Antrag; denn wir haben die Möglichkeit, durch intelligente Verkehrsleitsysteme nicht nur frühzeitig auf Staus hinzuweisen, sondern auch die Länge eines Staus realistisch zu bewerten und sogar die Ausweitung oder die Abnahme besser zu dokumentieren. So kann

jeder besser einschätzen, ob es sich lohnt, auf der Autobahn zu bleiben, oder ob er lieber abfährt.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])