Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Zukünftig sollte jedoch weniger über die Interessen einzelner Aktionäre und Vertreter von VW, Porsche oder das Land Niedersachsen, diskutiert werden. Vielmehr muss es darum gehen, das Gesamte zu sehen, damit VW im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und damit des gesamten Landes Niedersachsen weiter vernünftig wachsen kann und sich zum weltweit größten Autobauer weiterentwickelt. Dementsprechend sind wir gut aufgestellt. Es ist an uns, alle Beteiligten hier unter einem Schirm zu sammeln und dafür zu sorgen und zu kämpfen, dass VW hier in Niedersachsen für uns erhalten bleibt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Kollegin Zimmermann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den letzten Monaten spielte hier im Landtag die Situation bei VW immer wieder eine Rolle. Auch heute beschäftigen wir uns auf der Grundlage des vorliegenden SPD-Antrages damit - ein Antrag, der angesichts des wankelmütigen Verhaltens der Vertreter des Landes im Aufsichtsrat - namentlich will ich Herrn Ministerpräsident Wulff nennen - seine absolute Berechtigung hat.

(Zurufe von der CDU: Unverschämt- heit!)

Der Automobilbauer Porsche hat vor Kurzem angekündigt, seinen Anteil an Volkswagen im kommenden Jahr auf 75 % zu erhöhen. Das ist letztendlich ein erneuter Generalangriff auf die Rechte der mehr als 360 000 Beschäftigten von VW, welchen es abzuwehren gilt.

(Beifall bei der LINKEN)

Aus unserer Sicht muss mit aller Macht verhindert werden, dass Porsche Volkswagen beherrscht. Sollte Porsche sich durchsetzen, werden über Jahrzehnte erkämpfte Arbeitnehmerrechte beseitigt. Gerade die im VW-Gesetz verankerten Rechte machen jedoch den jahrzehntelangen Erfolg von Volkswagen aus.

Ich will an dieser Stelle auch noch einmal auf die Geschichte von Volkswagen hinweisen; denn ich meine, das kann man nicht oft genug tun. Vergessen wir nie, womit das Volkswagenwerk aufgebaut worden ist, nämlich mit den Spareinlagen der damaligen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der dortigen Beschäftigten, mit dem geraubten Vermögen der Gewerkschaften und mit der Kraft der Arbeit und dem Blut von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, die durch Porsche und seinen Schwiegersohn Piëch damals - neben IG Farben mit als Erstes - ins VW-Werk geholt worden sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie im Antrag richtig beschrieben wird, wurde mit dem vor Kurzem durch den Aufsichtsrat gegründeten Ausschuss für besondere Geschäftsbeziehungen - da kann man ja von Glück sagen, dass das überhaupt geklappt hat - ein Gremium gegründet, welches verhindern soll, dass Porsche auf die

Produktpalette des VW-Konzerns Einfluss nimmt bzw. Zugriff erhält.

Meine Damen und Herren, es geht ja nicht nur um Aktienmehrheiten, sondern auch darum, dass Porsche z. B. mit Audi einen missliebigen Konkurrenten von der Platte putzen will. Es geht auch um die Filetierung des Volkswagenwerkes. Gewinnbringende Dinge sollen erhalten bleiben, und andere werden einfach abgekoppelt. Das kann nicht sein.

Da helfen keine Lippenbekenntnisse, Herr Thümler. Ihren Aussagen müssen Taten folgen.

(Björn Thümler [CDU]: Das machen wir schon länger, als Sie glauben!)

Das ist das, was die Beschäftigten von VW jetzt von uns erwarten. Das muss sich auch in dem Abstimmungsverhalten unserer Vertreter im Aufsichtsrat widerspiegeln.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Was passiert denn nun? - Nunmehr sickern Informationen durch, dass Porsche in der nächsten Aufsichtsratssitzung dieses Gremium wieder abschaffen will. Dies muss verhindert werden. Das geht nur mit den Stimmen der Vertreter unserer Landesregierung in diesem Aufsichtsrat. Deshalb findet der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion unsere volle Unterstützung.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, aber nicht nur durch Porsche droht Ungemach. Auch aus Brüssel gibt es negative Nachrichten. Berichten zufolge - wir haben es schon gehört - wird die EU-Kommission einen erneuten Anlauf nehmen, das VW-Gesetz zu kippen. Das ist ein alarmierendes Signal. Damit wird einmal mehr deutlich, dass die EU einseitig Kapitalinteressen vertritt und nicht die Interessen der meisten Menschen in unserem Land. An dieser Stelle muss sich die Politik endlich wehren, und zwar deutlich. Eine Möglichkeit besteht darin, dass Bund und Land ihre Anteile an VW von 20 auf 25 % erhöhen. Zudem ist außerparlamentarischer Widerstand nötig. Wir unterstützen an dieser Stelle ganz besonders die IG Metall, in Brüssel laut zu werden. Ich sage es auch noch einmal für meine Fraktion: Wir stehen in der Auseinandersetzung fest an der Seite der Beschäftigten von VW.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Zimmermann. - Für die FDPFraktion hat Herr Kollege Rickert das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist unbestritten, dass VW ein erfolgreiches Unternehmen ist, das mit etwa 130 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Emden, Wolfsburg, Kassel, Braunschweig usw. gute Autos baut. Das sind wichtige Arbeitsplätze. Das gilt auch für die Arbeitsplätze der Zulieferindustrie, z. B. in Oldenburg. Wie wir gerade heute Morgen gehört haben, ist das Standing von VW so gut, dass wir guter Hoffnung sind, dass dieses Unternehmen der bevorstehenden Kapitalmarktkrise stark trotzen kann.

Dass der Kurs in den vergangenen Monaten so extrem rauf- und runtergegangen ist, hat sicherlich auch damit zu tun, dass die Börsenaufsicht in Frankfurt, gelinde gesagt, nicht genau hingeschaut hat. Dass der Kurs der VW-Aktie jetzt so positiv ist, sollte uns freuen, und wir sollten dies nicht beklagen.

Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass auch wir im Haushaltsausschuss zugestimmt haben, dass das Land zur Erhaltung des 20-prozentigen Anteils seinen Anteil aufstockt und dafür 80 Millionen Euro über die HanBG einsetzt, um die Sperrminorität zu halten.

(Zustimmung von Björn Thümler [CDU])

Den Mitgliedern der Landesregierung ist es nur in Ausnahmefällen erlaubt, ein Aufsichtsratsmandat auszuüben. Eine Ausnahme gilt für die Landesbeteiligungen. Dies wird dann von der Landesregierung bestimmt und dem Landtag entsprechend mitgeteilt. Für den Aufsichtsrat sind durch die Landesregierung der Ministerpräsident und der stellvertretende Ministerpräsident bestimmt. Die Stellung und Aufgaben des Aufsichtsrates sind in der Geschäftsordnung, dem Aktiengesetz und dem Mitbestimmungsgesetz geregelt. Die Vertreter des Landes Niedersachsen im Aufsichtsrat der Volkswagen AG werden durch die Hauptversammlung der Gesellschaft gewählt. Sie sind dann Vertreter eines Anteileigners im Aufsichtsrat, in diesem Fall des Landes Niedersachsen.

Aber die Aufsichtsräte sind nur den Interessen des jeweiligen Unternehmens verpflichtet. Dem Landtag ist es aus rechtlichen Gründen nicht möglich,

ihnen - wie von der SPD gefordert - Weisungen zu erteilen. Selbstverständlich - das tun sie auch - können die Vertreter Anregungen und Überlegungen zum Abstimmungsverhalten entgegennehmen. Aber noch einmal: Weisungen sind nicht möglich.

(Björn Thümler [CDU]: Eben!)

Ausgangspunkt dieser Debatte ist die vom Aufsichtsrat beschlossene Geschäftsordnung, nach der ein Ausschuss für besondere Geschäftsbeziehungen eingerichtet wurde, der festlegt, dass die Kooperation zwischen der VW-Tochter Audi und Porsche künftig vom Aufsichtsrat gebilligt werden muss. In Ihrem Antrag heißt es u. a.:

„Nur der Erhalt des ‚Ausschusses für besondere Geschäftsbeziehungen’ sichert dem Land als Minderheitsgesellschafter und den Vertretern der Beschäftigten den nötigen Einfluss zum Schutz des Unternehmens und der Arbeitsplätze im Volkswagenkonzern.“

Ich will hier nicht darüber befinden, ob dieser Ausschuss nicht eine unzulässige Einflussnahme auf das operative Geschäft des Vorstands ist, für den allerdings gleichermaßen die Verpflichtung besteht, die Interessen des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze zu wahren. Ich bin nahezu davon überzeugt, dass gerade die Vertretung dieser Interessen bei Ministerpräsident Wulff und Wirtschaftsminister Hirche in guten Händen ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir hoffen, dass der VW-Konzern seinen Weg als erfolgreiches Unternehmen im Weltmarkt fortsetzen kann. Alle - Anteilseigner, Arbeitnehmervertreter und Politik - sollten sich darauf konzentrieren, für VW alle Hindernisse auf diesem Weg wegzuräumen - im Interesse des Unternehmens, seiner Beschäftigten und des Landes Niedersachsen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön, Herr Rickert. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Hagenah. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was nützen das VW-Gesetz und eine faktische Mehrheit niedersächsischer Interessen

im Aufsichtsrat durch Arbeitnehmervertreter und Landesregierung, wenn sie letztendlich nicht ausgeübt werden? Ministerpräsident Wulff zumindest strebt das „hohe Gut“ der einmütigen Entscheidungen im Aufsichtsrat bei VW an. Das hat er uns in einer Aktuellen Stunde im September-Plenum vorgetragen. Ich bezweifle, Herr Wulff, dass diese Vorgehensweise im Aufsichtsrat bei VW bei der derzeitigen, weit auseinanderliegenden Interessenlage der Anteilseigner Porsche und Land Niedersachsen tatsächlich vernünftig ist.

Auch wenn sich der Ministerpräsident hier im Landtag bei der Frage nach seinem Abstimmungsverhalten zum neuen Ausschuss für besondere Geschäftsbeziehungen hinter der nach seiner Meinung notwendigen Klärung von rechtlichen Fragen verstecken wollte: Tatsache bleibt für uns, dass Sie dabei nicht die Interessen des Landes vertreten haben, sondern klar für die Gegenseite votiert haben - offensichtlich im Sinne des Versuchs einer Herstellung von Einmütigkeit. Aber das geht eben nicht in jedem Fall.

(Björn Thümler [CDU]: Er begeht aber nicht wissentlich Rechtsbruch!)

Geradezu grotesk wird diese Taktiererei, weil wir parallel von zweistündigen Wortgefechten im Gerichtssaal zwischen Finanzminister Möllring und den Anwälten von Porsche in den Zeitungen lesen. Vor dem Landgericht Hannover wurde am 6. November über die Rechtmäßigkeit des auch vom Ministerpräsidenten immer wieder verteidigten Vetorechtes ab 20 % Aktienbesitz auf VW-Hauptversammlungen gestritten. Was nützt aber diese klare Kante vor Gericht, wenn Sie im Aufsichtsrat Porsche quasi den freien Durchmarsch aufs Eingemachte von VW erlauben? Angesichts dieser Ambivalenz in der Haltung des Landes ist auch aus grüner Sicht der Antrag der SPD-Fraktion völlig richtig, um hier endlich Klarheit zu schaffen.

Sie haben mit Ihrem Abstimmungsverhalten einmal mehr versucht, sich als Managerversteher darzustellen, Herr Wulff. Das haben Sie kürzlich ja auch bei einer Debatte im Fernsehen getan, als Sie denen den Rücken stärken wollten, die die Finanzkrise verursacht haben: die Manager gegen Häme abschirmen, für Verständnis werben. - Herausgekommen ist ein äußerst verunglückter Vergleich, den ich nicht wiederholen will. Mit diesen unsäglichen Spielchen haben Sie inzwischen vielen Menschen klargemacht, dass Sie bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage Niedersachsens den Wiedekings und Sinns offensichtlich generell viel

näher stehen als z. B. einem Herrn Osterloh. Das wird für das Land Niedersachsen natürlich problematisch. Denn wir sind gerade auf die enge Kooperation der Landesvertreter auch mit den Personalvertretern im Aufsichtsrat angewiesen. Wenn es in diesem Bereich Berührungsängste gibt, haben wir ein Problem.

(Beifall bei der LINKEN)

Für Sie als Ministerpräsident dieses Landes und Vertreter im Aufsichtsrat unseres größten Industrieunternehmens dürfen anstehende Entscheidungen aber keine Neigungsfragen sein, sondern dabei geht es um vitale Interessen des Landes hinsichtlich der Zukunft von VW, der wirtschaftlichen Effizienz des Unternehmens und der Arbeitsplätze in Niedersachsen. Wenn die Interessen der VW AG und die Interessen der Porsche AG nicht deckungsgleich sind - das ist häufig der Fall bei diesen unterschiedlichen Produkten und insbesondere bei den Produkten, die im Markt sehr ähnlich positioniert sind -, wie positionieren Sie sich dann, Herr Ministerpräsident? Was ist dann mit Ihrem Harmoniestreben? Dann kann es nicht mehr nur an der Seite von Herrn Wiedeking weitergehen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Der gegen Ihr Votum eingerichtete Ausschuss für besondere Geschäftsbeziehungen ist genau das richtige Regulierungsorgan. Helfen Sie jetzt mit Ihrer Stimme in der kommenden Aufsichtsratsitzung, dass diese notwendige Einrichtung durch den neuen Einheitskurs bei den Porschevertretern nicht wieder abgeschafft wird! Jetzt brauchen nur Sie sich zu enthalten, dann bleibt alles gut.

Vielen Dank.