Protokoll der Sitzung vom 19.02.2010

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN sowie Zustimmung von Christian Meyer [GRÜNE] - Jens Nacke [CDU]: Ich dachte, es ist etwas Ernstes!)

Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist Frau Reichwaldt für die Fraktion DIE LINKE.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Artikel 19 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung lautet:

„Die Fraktionen und die Mitglieder des Landtages, die die Landesregierung nicht stützen, haben das Recht auf Chancengleichheit in Parlament und Öffentlichkeit.“

(Björn Thümler [CDU]: Das haben sie!)

Durch die Änderung der Geschäftsordnung zu Beginn dieser Legislaturperiode sind diese Rechte in Gefahr geraten. Der vorherige parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Dr. Althusmann, führte damals in der Debatte zur Geschäftsordnungsänderung aus:

„Wir glauben, dass die Fortentwicklung der Geschäftsordnung ein richtiger und wichtiger Schritt ist, damit sich dieses Parlament … auf den Kern konzentriert, nämlich die Beratung von Gesetzentwürfen. Genau das wollen wir tun, wir sind das Gesetzgebungsorgan dieses Landes.“

Meine Damen und Herren, ich habe erhebliche Zweifel, ob der derzeitige Umgang vor allem mit parlamentarischen Initiativen der Opposition diesem Anspruch noch gerecht wird.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Wie ernst Sie seitens der Regierungskoalition die Beratung von Gesetzentwürfen der Opposition nehmen, zeigen die Debatten der letzten Tage. Ich bin sicher, hätten wir endlich z. B. öffentliche Ausschusssitzungen - in anderen Landesparlamenten eine Selbstverständlichkeit -, gäbe es die Chance, eine Behandlung oder eben Nichtbehandlung von Gesetzentwürfen wie letztens im Wissenschaftsausschuss zu vermeiden.

Artikel 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung lautet:

„Anfragen von Mitgliedern des Landtages hat die Landesregierung im Landtag und in seinen Ausschüssen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten.“

Doch die Fragen der Opposition werden immer schlechter und später oder eben nicht, dafür aber mit kurzen Regierungserklärungen am Anfang beantwortet.

(Björn Thümler [CDU]: Unfug!)

Die in beiden vorliegenden Anträgen vorgeschlagenen Änderungen sind daher sinnvoll.

Etwas Kritik sei erlaubt: Zweifel habe ich bei dem im Antrag der SPD aufgezeigten Weg. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, sind Sie sicher, dass Selbstverpflichtungen des Parlaments, wie in Ihrem Antrag vorgeschlagen, wirklich zielführend und hilfreich für eine Verbesserung des Umgangs miteinander oder zur Sicherstellung der Rechte der Opposition sind? - Natürlich wäre es schön, wenn sich alle Fraktionen verpflichteten, den anderen nicht mehr verfassungswidriges Bestreben vorzuwerfen. Gegen diesen völlig ungerechtfertigten Vorwurf muss sich ja gerade unsere Fraktion im

mer wieder wehren. Ich glaube aber, mit Selbstverpflichtungen ist das nicht zu erreichen.

Im Parlament fokussieren sich politische Machtauseinandersetzungen, es widerspiegeln sich die Kräfteverhältnisse der Gesellschaft. Der Tendenz der Landesregierung, die Fragen der Opposition immer schlechter zu beantworten, und der Tendenz, Gesetzentwürfe in nicht akzeptabler Geschwindigkeit durch das Parlament zu jagen, muss durch eine erneute Änderung der Geschäftsordnung Einhalt geboten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Regieren per Dienstanweisung und der Versuch, das Parlament als Kontrollinstanz der Regierung durch die Einschränkung der Rechte der Opposition zu entmachten, entspricht meinen Vorstellungen von parlamentarischer Demokratie nicht. Wir unterstützen den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Im Antrag der SPD-Fraktion gibt es einige sehr sinnvolle Vorschläge, gerade zur Verbesserung der Ausschussarbeit. Ansonsten haben wir damit einige Probleme.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion erteile ich nun Herrn Thümler das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Helmhold, eine Vorbemerkung zu dem, was Sie vorgetragen haben: Die Selbstgefälligkeit, die daraus gesprochen hat, ist nach meiner Auffassung unerträglich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Bartling, eine zweite Vorbemerkung: Ich glaube nicht, dass wir als CDU-Fraktion von Ihnen Belehrungen zum Verhältnis zur Demokratie brauchen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Offen- sichtlich doch!)

Das sollten Sie sich ein für alle Mal abgewöhnen, weil wir auf dem Boden des Grundgesetzes und der Landesverfassung stehen. Ich verbitte mir diese Belehrung ausdrücklich!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Jetzt geht das wieder los!)

Die Ausübung parlamentarischer Regierungskontrolle ist die zentrale Aufgabe des Landtags. Darin sind wir uns hoffentlich alle einig. Die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen nehmen dieses Kontrollrecht ernst. Gleiches gilt auch für das Fragerecht der Abgeordneten. Wir nehmen es sehr ernst und schränken kein Fragerecht ein, um das hier deutlich zu sagen. Das sollten Sie sich vielleicht einmal hinter die Ohren schreiben. Gucken Sie in die Geschäftsordnung! Da steht es nämlich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der Vorwurf, dass wir Minderheitenrechte einschränken, ist objektiv unhaltbar.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Man muss sich nur einmal ansehen, welche Veränderungen wir auch in Absprache mit Ihnen - mein Vorgänger Dr. Althusmann sitzt ja dort - 2003 und in der Weiterentwicklung 2008 vorgenommen haben. Da ist zum einen die Einrichtung des Petitionsausschusses zu nennen, zum anderen das Instrument der Kurzintervention. Weitere Instrumente sind in die Geschäftsordnung aufgenommen worden, um erstens den Parlamentsbetrieb lebendiger werden zu lassen und um zweitens einem Begehren der Opposition gerecht zu werden, nämlich Auskunft erlangen zu können.

Zu den Anträgen im Einzelnen.

Zunächst zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Bei der Lektüre Ihres Antrags bin ich auf einige grundlegende Widersprüche gestoßen, über die zu reden sich lohnt.

Erstens. Zu Beginn Ihres Antrages bemängeln Sie das öffentliche Erscheinungsbild des Parlaments:

„Seit geraumer Zeit gibt es Unmut bezüglich der Außendarstellung des Niedersächsischen Landtages.“

Auch die Grünen - Frau Helmhold, Sie haben es eingestanden - haben Grund, sich selbstkritisch zu fragen, was sie dazu beitragen können, die Außendarstellung dieses Hauses zu verbessern. Internetradio ist dafür leider nicht ausreichend. Wie verhält es sich z. B. mit der fortgesetzten Kritik am Landtagspräsidenten in Hintergrundgesprächen? Dazu ein Zitat:

„Immer wieder waren besonders rüpelhafte Auseinandersetzungen Anlass zu Gesprächen im Präsidium und Ältestenrat. Genützt haben sie wenig

bis überhaupt nichts. Wenn die Grünen in diesem Zusammenhang ein leuchtendes Beispiel abgegeben hätten, wäre vieles verständlich. So aber sind Ihre Vorwürfe eine Dreistigkeit besonderen Ausmaßes; denn sie verlangen vom Präsidenten die Bewältigung einer Verhaltensweise, die sie selbst mit zu verantworten haben.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ein Zitat aus dem rundblick vom 15. Februar 2010.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wer hat das geschrieben?)

Zweitens. Die Grünen wollen eine offene Auseinandersetzung mit der Frage, wie es gelingen kann, die Parlamente wieder zu stärken und zum zentralen politischen Forum der Diskussion über die entscheidenden Fragen der Zeit zu machen. Das ist gut so. Der frühere Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Landtag, Thomas Schröder aus Bad Münder, hat dazu in der Debatte um den Abschlussbericht der Enquetekommission zur Parlamentsreform im November 2002 etwas sehr Richtiges ausgeführt:

„Es liegt hauptsächlich an uns selbst, ob wir uns nachsagen lassen müssen, im Wesentlichen nur mit dem Schutz von Kormoranen und der Gestaltung von parlamentarischen Abenden befasst zu sein,“

(Ronald Schminke [SPD]: Was soll das denn?)

„ob wir uns als Entschließungs- und Anfrageparlament verstehen und ansonsten die Musik eben nicht beim Parlament, sondern bei der Exekutive spielt.“

Ich vermag nicht zu erkennen, dass die Grünen ihre eigenen Aussagen von damals, von 2002, bisher wirklich beherzigt hätten.

(Beifall bei der CDU)