Protokoll der Sitzung vom 18.03.2010

Ich schließe die Beratung.

Der Ältestenrat hat vorgeschlagen, den Antrag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres, Sport und Integration und wegen § 27 Abs. 4 der Geschäftsordnung an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen. Aus gegebenem Anlass weise ich darauf hin, dass es dem federführenden Ausschuss anheimgestellt bleibt, in Anwendung von § 28 Abs. 4 der Geschäftsordnung zu einzelnen Fachfragen des Antrages eine Stellungnahme des, wie hier naheliegend sein dürfte, Kultusausschusses und des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes einzuholen. Eines Abweichens von dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrates seitens des Plenums bedarf es daher nicht.

Ich gehe davon aus, dass der Überweisungsvorschlag akzeptiert wird.

Wer mit dem Antrag federführend den Innenausschuss und mitberatend den Haushaltsausschuss beschäftigten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Ich bedanke mich.

Meine Damen und Herren, wir sehen uns um 14.30 Uhr nach der Mittagspause wieder.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.23 Uhr bis 14.30 Uhr)

Es ist auf die Sekunde genau 14.30 Uhr. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen die Abarbeitung der Tagesordnung fort.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf:

Mündliche Anfragen - Drs. 16/2285

Ich setze die für die Fragestunde geltenden Regelungen als bekannt voraus. In unserer Geschäftsordnung ist alles dazu verankert. Ich bitte Sie ganz herzlich, wenn Sie Zusatzfragen stellen möchten, sich schriftlich zu Wort zu melden.

Ich stelle fest: Es ist 14.30 Uhr und 29 Sekunden. Insofern kann ich Frage 1 aufrufen:

Uneingeschränkte Sammlung privater Daten durch Wirtschaftsunternehmen?

Sie wird durch die CDU-Landtagsabgeordnete Frau Kollegin Jahns eingebracht. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Immer mehr persönliche Daten jedes Einzelnen werden durch das Internet gesammelt und von Unternehmen wie Google oder Facebook zu Persönlichkeitsprofilen zusammengestellt. Diese Profile können z. B. Auskunft geben über Wohnort, Kaufgewohnheiten, Interessengebiete, veröffentlichte private Bilder sowie die Onlinekommunikation der Internetnutzer. Wahrscheinlichkeiten zu Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen von Personengruppen werden daraus abgeleitet.

Das Unternehmen Google schätze anhand der gesammelten Daten seiner Mitarbeiter bereits deren Kündigungswahrscheinlichkeit ab, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. Januar 2010. Schlüsselbegriffe zu Jobsuche und Bewerbungsratgebern in Onlinesuchmaschinen in Kombination mit häufigen Krankschreibungen spiegelten demnach den Grad der individuellen Unzufriedenheit des Mitarbeiters wider.

Die zunehmende allgemeine Digitalisierung persönlicher Daten erleichtert Informationen sammelnden Unternehmen die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen. Besonders weitreichende Konsequenzen für den Einzelnen könnten aus einer Ver

knüpfung der im Internet zusammengestellten Daten und der im Verwaltungsalltag gespeicherten personenbezogenen Angaben entstehen. So könnte beispielsweise ein Gastronomiebetrieb statt aufgrund des Zufallsprinzips durch den Kauf von Mausefallen im Versandhandel überproportional häufig Überprüfungsmaßnahmen wie Hygienekontrollen ausgesetzt sein. Das aus der Wohngegend mit geringen Mietpreisen und der Kaufvorliebe für günstige Fertiggerichte ermittelte Persönlichkeitsmuster könnte eine über diese Daten verfügende Bank bei ihrer Kreditvergabe beeinflussen. Ursprünglich freiwillig preisgegebene Informationen der Menschen könnten ihnen im Falle uneingeschränkter Sammlung und unwissentlicher Weitergabe durch Wirtschaftsunternehmen zum Nachteil werden.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Maßnahmen zur Förderung eines bewussten Umgangs von Verbrauchern mit ihren persönlichen Daten gibt es in Niedersachsen?

2. Welche Auskunftspflicht über gespeicherte Informationen haben Daten sammelnde Unternehmen gegenüber ihren Nutzern?

3. Hält die Landesregierung zur Gewährleistung eines wirksamen Datenschutzes in Unternehmen die rechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Rechte und Pflichten der betrieblichen Datenschutzbeauftragten für ausreichend, oder sieht sie Verbesserungsbedarf?

Herzlichen Dank, Frau Jahns. - Für die Landesregierung hat Herr Minister Schünemann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen der Landesregierung beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Die Landesregierung sieht es als ihre Aufgabe an, Bürgerinnen und Bürger für einen sorgsamen und verantwortungsbewussten Umgang mit den eigenen Daten und den Daten anderer zu sensibilisieren und ihr Datenschutzbewusstsein zu stärken. Sie legt dabei den Schwerpunkt auf die Information und Beratung der Bürgerinnen und Bürger, die Aufklärung über die Gefahren bei der Datenpreisgabe, die insbesondere durch die neuen Medien stark zugenommen haben, und auf die Stärkung des Selbstdatenschutzes.

Deshalb hat die Landesregierung mit Beschluss vom 3. März 2009 auch den Bereich des nicht öffentlichen Datenschutzes beim Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen sowohl personell als auch organisatorisch ausgebaut. Ein Teil dieser Verstärkung soll der Sensibilisierung der Bevölkerung im Umgang mit personenbezogenen Daten zugutekommen. Der LfD leistet dabei insbesondere in Zusammenarbeit mit Schulen, Volkshochschulen, Verbraucherzentralen und anderen Einrichtungen Aufklärungs- und Beratungsarbeit, vor allem durch Medienpräsenz, Vorträge, aktuelle Internetinformationen und Broschüren. Er wirkt auf diesem Weg maßgeblich darauf hin, dass den Menschen die Bedeutung des Schutzes ihrer personenbezogenen Daten bewusst wird und sie verantwortungsvoll mit diesen Daten umgehen.

Darüber hinaus finanziert z. B. das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr für das laufende Jahr 2010 das Projekt der Verbraucherzentrale Niedersachsen „Fahrgastrechte, Datenschutz, Finanzmarktkrise“ mit einem Beitrag in Höhe von insgesamt ca. 211 500 Euro. Ein Schwerpunkt dieses Projekts ist u. a., die Verbraucher - insbesondere junge Menschen - in persönlichen Beratungen und öffentlichen Veranstaltungen darauf hinzuweisen, dass sie als Nutzer sozialer Netzwerke auch höchstpersönliche Daten preisgeben. Für viele Kinder und Jugendliche sind soziale Netzwerke wie Facebook, MySpace, SchülerVZ, StudiVZ, MeinVZ, Wer-kennt-wen.de, Xing usw. inzwischen ihr Hauptkommunikationsmittel. Aber auch immer mehr Erwachsene werden Mitglied in internetbasierten sozialen Netzwerken. Alleine SchülerVZ, StudiVZ und MeinVZ erreichten im Jahre 2009 nach Betreiberangabe mehr als 75 % aller Deutschen in der Altersgruppe zwischen 12 und 29 Jahren.

Hier gilt es zum einen, die Verbraucher - insbesondere Schüler und junge Erwachsene - zu sensibilisieren, mit der Preisgabe persönlicher Daten äußerst sparsam umzugehen. Zum zweiten steht die Verhinderung der Datenweitergabe auf rechtlicher Ebene, z. B. in Form des Widerspruchs bei Datenverwendungsklauseln, im Fokus.

Zu Frage 2: Den Betroffenen steht gemäß § 34 des Bundesdatenschutzgesetzes im nicht öffentlichen Bereich das Recht zu, Auskunft zu verlangen über die zu ihrer Person gespeicherten Daten sowie deren Herkunft, Empfänger oder Kategorien von Empfängern, an die Daten weitergegeben werden, und natürlich den Zweck der Speicherung.

Im Falle der sogenannten Auskunfteien ist bei einem Auskunftsverlangen hinsichtlich Herkunft und Empfänger der Daten zwischen den Interessen des Betroffenen und dem Geschäftsgeheimnis abzuwägen. Falsche Daten hat das Unternehmen zu berichtigen. Nicht mehr erforderliche Daten sind zu löschen bzw. zu sperren. Bestrittene Daten sind bis zur Klärung zu sperren.

Der Datennutzung für Zwecke der Werbung oder der Markt- oder Meinungsforschung können Kunden jederzeit widersprechen, sodass die Datennutzung für diese Zwecke unzulässig wird.

Die Regelung des § 34 des Bundesdatenschutzgesetzes zur Auskunftspflicht wurde im vergangenen Sommer um Auskunftsansprüche der Betroffenen zum Scoringverfahren ergänzt. Unternehmen müssen hiernach ab 1. April 2010 als verantwortliche Stellen den Betroffenen auf Verlangen die Scorewerte, die genutzten Daten und das Zustandekommen des Wertes nachvollziehbar darlegen. Den Betroffenen wird dadurch die Möglichkeit gegeben, die Berechnungen und Rückschlüsse zu überprüfen und gegebenenfalls auch zu korrigieren.

Darüber hinaus besteht nach § 42 a des Bundesdatenschutzgesetzes seit dem 1. September 2009 eine Informationspflicht für Unternehmen bei unrechtmäßiger Kenntniserlangung von Daten. Danach haben Unternehmen eine Informationspflicht gegenüber den zuständigen Aufsichtsbehörden und den Betroffenen, wenn ihnen gespeicherte, besonders sensible Daten wie z. B. Gesundheitsdaten, Bank- oder Kreditkartenkontodaten unrechtmäßig übermittelt oder auf sonstige Weise unrechtmäßig zur Kenntnis gelangt sind und schwerwiegende Beeinträchtigungen der Rechte oder schutzwürdigen Interessen der Betroffenen drohen. Eine solche Verpflichtung ist insbesondere anzunehmen, wenn anhand von tatsächlichen Anhaltspunkten, z. B. aus dem eigenen Sicherheitsmanagement oder durch den eigenen Beauftragten für den Datenschutz, die genannten Missstände festgestellt werden.

Zu Frage 3: Jedes Unternehmen, das personenbezogene Daten automatisiert erhebt, verarbeitet oder nutzt, hat gemäß § 4 f des Bundesdatenschutzgesetzes eine Beauftragte oder einen Beauftragten für den Datenschutz zu bestellen, wenn bei der automatisierten Datenverarbeitung mindestens 10 Personen oder bei Verarbeitung auf andere Weise mindestens 20 Personen beschäftigt sind. Die oder der Datenschutzbeauftragte ist Or

gan der Selbstkontrolle und unterstützt und berät das Unternehmen.

Die betrieblichen Datenschutzbeauftragten haben auf die Einhaltung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Vorschriften über den Datenschutz hinzuwirken, die ordnungsgemäße Anwendung der Datenverarbeitungsprogramme, mit deren Hilfe personenbezogene Daten verarbeitet werden, zu überwachen und die bei der Verarbeitung personenbezogener Daten tätigen Personen zu schulen. Darüber hinaus haben sie jedermann auf Antrag die Angaben über Verfahren automatisierter Verarbeitungen in geeigneter Weise zur Verfügung zu stellen und führen Vorabkontrollen nach dem BDSG bei besonderen Datenverarbeitungen durch. Mit der Änderung des BDSG im Jahr 2009 wurde die Position der betrieblichen Datenschutzbeauftragten gestärkt.

Der Kündigungsschutz der Beauftragten für den Datenschutz wurde erweitert, dem Schutz vergleichbarer Funktionsträger angepasst und auf ein Jahr nach Beendigung der Funktion ausgedehnt. Der Anspruch auf Fort- und Weiterbildung auf Kosten des Unternehmens wurde gesetzlich festgeschrieben. Hierdurch ist es gelungen, die fachliche Eignung des DSB zu gewährleisten. Soweit Unternehmen betriebliche Datenschutzbeauftragte nicht in der vorgegebenen Weise bestellen, kann dies mit einem Bußgeld bis zu 50 000 Euro belegt werden.

Die rechtlichen Vorgaben für einen wirksamen Datenschutz werden seitens der Landesregierung insoweit als ausreichend betrachtet.

Die Vorteile einer effektiven Selbstkontrolle durch betriebliche Datenschutzbeauftragte, durch präventive Maßnahmen datenschutzrechtliche Mängel erst gar nicht entstehen zu lassen, Abhilfe von Defiziten durch internes Beschwerdemanagement anstelle von Eingaben Betroffener an den LfD zu schaffen und Datenschutz als Qualitätskriterium im Rahmen des wirtschaftlichen Wettbewerbs anzusehen, liegen dabei auf der Hand. Gleichwohl gilt es auch weiterhin, in der Praxis diese Vorgaben in den Unternehmen wirksam umzusetzen und zu kontrollieren.

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Die erste Zusatzfrage stellt von der Fraktion DIE LINKE Herr Dr. Sohn. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schünemann, teilt die Landesregierung vor dem Hintergrund dieser doch neuen Qualität des Datenmissbrauchs und demzufolge auch des Datenschutzes die Forderung des niedersächsischen Datenschutzbeauftragten, dass diese Institution eine eigenständige Behörde - also nicht nur Teil einer Behörde - wird oder nicht?

Danke schön. - Herr Minister Schünemann, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Europäische Gerichtshof hat ein entsprechendes Urteil gefällt. Der Bund hat die Bundesländer für den 14. April eingeladen, um dieses Urteil zu besprechen und Konsequenzen daraus zu ziehen. Wenn man das Urteil genau liest, kann man die Forderung des Datenschutzbeauftragten in Niedersachsen durchaus nachvollziehen. Wie das Ganze allerdings mit der Verfassung insgesamt in Einklang zu bringen ist, muss noch genau geprüft werden. Denn wie z. B. beim Landesrechnungshof muss ja die Unabhängigkeit gegeben sein, aber gleichzeitig gibt es auch eine Anbindung; denn hier im Parlament muss z. B. der Finanzminister - natürlich die gesamte Landesregierung, aber insbesondere der Finanzminister - dazu Stellung nehmen. Wenn man das Urteil genau liest, dann stellt man fest, dass es sehr schwierig wird, es 1 : 1 umzusetzen; denn dann könnte ich im Prinzip gar nicht zu dem Thema Datenschutz reden und diese Frage auch gar nicht beantworten.

(Zustimmung von Angelika Jahns [CDU])

Es wird spannend, wie das Ganze umgesetzt wird. Aber wir müssen aufgrund des Urteils schon davon ausgehen, dass es zu einer Veränderung in dieser Richtung kommt. Etwas Konkreteres kann ich Ihnen dazu heute nicht sagen.

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt Herrn Briese eine Frage.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich frage die Landesregierung: Welche Wirkung würde nach Ihrer Auffassung hinsichtlich der Speicherung von per

sonenbezogenen Daten eintreten, wenn die Privatwirtschaft, die diese Speicherung vornimmt, verpflichtet wird, den Betroffenen alljährlich Auskunft darüber zu geben, welche Informationen über sie in den entsprechenden Unternehmen gespeichert sind? - Das ist meine erste Frage: Welche Wirkung würde also eintreten, wenn die Unternehmen dazu gesetzlich verpflichtet würden?

Zweitens. Wie bewertet die Landesregierung die Forderung von namhaften IT-Unternehmen oder -Organisationen nach einem sogenannten Datenschutzbrief, der die Unternehmen entsprechend verpflichten würde? Wie würden Sie dieses Instrument bewerten?

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Danke schön, Herr Briese. - Für die Landesregierung antwortet Herr Innenminister Schünemann.