Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

Dass die FDP für dieses Modell ist, wundert mich überhaupt nicht. Sie haben es schon in NordrheinWestfalen eingeführt. Auch dort haben Sie es mit großen Worten angekündigt und gesagt, das werde schon gut gehen. Ziel war auch dort, 8 % der Studierenden mit einem Stipendium zu fördern.

Was ist dort in der Zwischenzeit erreicht worden? 0,3 % der Studierenden ist dieses Stipendium bisher gewährt worden. Spitzenreiter ist die RWTH Aachen. Das ist die Eliteuniversität in NordrheinWestfalen. Es werden also die besten Hochschulen zusätzlich begünstigt. Aber auch dort sind es nur 0,6 %. Das ist ein Witz. Das Geld, das dort nicht ausgegeben wird, ist faktisch schon für die globale Minderausgabe vorzusehen, weil man das Geld einsparen können wird, weil das Geld nicht ausgegeben wird.

Die FDP tritt doch immer für den Bürokratieabbau ein. In diesem Fall wird jedoch den Hochschulen ein riesiger Bürokratiemoloch überlassen, die dafür zuständig sein werden, erstens das Geld reinzuholen und zweitens das Geld zu verteilen.

Die Bundesregierung sagt, ungefähr 5 % der Kosten flössen in die Verwaltung. Das ist sehr niedrig angesetzt; denn man möchte nicht nur die Besten fördern, sondern möchte auch noch ein paar andere Kriterien berücksichtigen. Das muss man dann noch genauer untersuchen.

Das heißt für Niedersachsen, dass bei der höchsten Auslastungsstufe über 2 Millionen Euro von den Hochschulen über ihre eigenen Globalhaushalte zu finanzieren sind. Das ist dort völlig falsch angelegt. Dieses Geld brauchen wir dringend zur Verbesserung von Forschung und Lehre.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Es antwortet Frau von Below-Neufeldt.

Besten Dank! Die Frage beantworte ich natürlich gern. Das BAföG

(Zuruf von den GRÜNEN: Gießkan- nenprinzip!)

und das Stipendium haben vom Grundsatz her nichts miteinander zu tun. Das BAföG sichert den Lebensunterhalt der Studierenden. Das Stipendium hingegen bewirkt, dass Leistungsträger für ihre Leistung und für ihren Erfolg eine besondere Anerkennung monetärer Art erfahren.

Daher wird mit dem Stipendium eine Leistungselite gefördert. Das bejaht die FDP. Ich hoffe, dass Ihre Frage damit beantwortet ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt hat Frau Ministerin Professor Dr. Wanka das Wort. - Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, alle in diesem Raum sind sich einig - so habe ich es zumindest gestern und vorgestern hier vernommen -, dass wir in Deutschland eine Förderung von Studenten brauchen, damit die soziale Herkunft nicht über die Chancen entscheidet. Das ist die eine Komponente.

Außerdem brauchen wir in Deutschland Spitzenleistungen. Herr Toepffer hat es bereits angesprochen. Wenn wir langfristig BAföG oder andere Zahlungen leisten wollen, dann müssen wir gut sein. Dann müssen wir dafür sorgen, dass die innovativsten Köpfe nicht z. B. in die USA gehen, sondern hier bleiben und hier ihre Preise bekommen.

Diese beiden Aspekte sollte man nicht einfach vermischen.

Zunächst zum BAföG. Das BAföG in Deutschland orientiert sich an der sozialen Bedürftigkeit der Studenten. In anderen Ländern wie beispielsweise in Finnland, das bei vielen als PISA-Vorzeigeland gilt, orientiert man sich auch an der sozialen Bedürftigkeit. Gezahlt wird aber nur dann, wenn Leistungen nachgewiesen werden.

Bei uns in Deutschland wird jedoch BAföG in Abhängigkeit von der sozialen Bedürftigkeit gewährt. Ich verstehe natürlich den Unmut gerade bei der SPD-Fraktion. Bei den BAföG-Sätzen gab es unter Rot-Grün eine ganz lange Durststrecke. In den vergangenen zwei Jahren wurden unter der neuen Regierung die 22. und die 23. Novelle auf den Weg gebracht, die für ein wirklich besseres BAföG sorgten. „Besser“ heißt nicht nur mehr Geld, also höhere Beträge und höhere Freibeträge. Frau

Andretta, auch höhere Freibeträge sind nun gegeben. Es wurden auch strukturelle Aspekte geregelt, die wir alle brauchen und wollen.

Nach dieser BAföG-Novelle bekommt man beispielsweise BAföG in Masterstudiengängen bis zum 35. Lebensjahr. So kann man aus dem Beruf wieder herausgehen und studieren. Ferner ist die Förderung von Familien neu geregelt worden. Nur 6 % unserer Studenten haben Kinder oder Familie. Das ist also ein Punkt, der sehr wichtig ist.

Wenn unter Rot-Grün irgendjemand aus Niedersachsen Lust hatte, nicht in Oldenburg, sondern in Spanien oder irgendwo anders zu studieren, dann hatte er Pech, wenn er kein finanzstarkes Elternhaus hatte. Er bekam zwar Geld, wenn er mal ein Semester im Ausland studierte. Jetzt kann er aber sein gesamtes Studium in Spanien absolvieren. Wenn er BAföG-berechtigt ist, bekommt er auch dann BAföG, wenn er sich für einen Studienort dort entscheidet. Ich denke, das sind Dinge, die in Richtung Bologna - das haben Sie alle abgefeiert und so gewollt - gehen und sehr wichtig sind.

Wenn sich bisher ein junger Mensch nach drei Semestern überlegte, dass das Studium, das er begonnen hatte, nicht das richtige Studium für ihn sei und er wechseln müsse, dann gab es finanzielle Einschränkungen, und das BAföG wurde reduziert. Nach dieser Novelle zeigt sich die Situation folgendermaßen: Wenn er nach drei Semestern merkt, dass er etwas ändern möchte, dann wird ihm das Studium noch einmal komplett finanziert.

Das ist insbesondere für junge Menschen aus bildungsfernen Schichten wichtig, die bei dieser Entscheidung unter Umständen eine stärkere Unterstützung brauchen oder vielleicht nicht so gut vorinformiert sind, wie das bei anderen der Fall ist.

Ich glaube, dass diese BAföG-Novelle nicht nur an den prozentualen Steigerungen zu messen ist. Vielmehr ist auch von Bedeutung, dass inhaltlich genau die Dinge gefördert werden, die für uns wichtig sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe von formalen Vereinfachungen, sodass das BAföG in der Form, in der es jetzt angeboten wird, weniger bürokratisch und auch zukunftsfähig ist. Deswegen verweigere ich mich nicht einer Diskussion. Es gibt viele interessante Vorschläge, wie man das BAföG ganz anders gestalten könnte. Das ist heute aber nicht das Thema.

Was die Frage angeht, dass sich junge Leute vom Studium durch die Nichtfinanzierbarkeit abschrecken lassen, so ist ein großes Maß an Unkenntnis dabei. Wissen Sie, wie das ist, wenn jemand den BAföG-Höchstsatz bekommt? Die Hälfte bezahlt der Staat. Dieser Teil wird einfach erlassen. Die andere Hälfte, die zurückzuzahlen ist, beläuft sich nach einem kompletten Studium in Regelstudienzeit auf 10 000 Euro. Für das Zurückzahlen hat man 20 Jahre lang Zeit. Das entspricht in etwa 50 Euro pro Monat. Das ist wirklich keine Riesenhürde.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es sind aber sehr viel Unkenntnis und sehr viel Sorge dabei. Deswegen bin ich der Meinung, dass alle in diesem Hause verpflichtet sind, dafür zu werben und nicht Hürden aufzubauen und die zu dramatisieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die zweite Säule, die wir brauchen, bezieht sich auf Stipendien für gute und herausragende Leistungen. Frau Andretta, Sie haben vollkommen recht. Als Studiengebühren eingeführt wurden, haben wir Wissenschaftsminister gefordert, dass sich die Wirtschaft am Aufbau einer Stipendienkultur beteiligt, die es in anderen Ländern, aber noch nicht in Deutschland gibt.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Perli?

Später.

Das heißt, an dieser Stelle ist unsere Forderung nicht erfüllt worden, die Wirtschaft dazu zu bewegen, Stipendien zu finanzieren. Das hat nur partiell funktioniert. Was uns derzeit von der Bundesregierung vorliegt, ist ein erneuter Versuch, durch Anreize die Wirtschaft dazu zu bringen, sich intensiver zu beteiligen. Ob das funktioniert, kann man noch nicht sagen. Die bisherigen Erfahrungen sind nicht allzu ermutigend.

Eines muss ich aber deutlich sagen: Sie dürfen nicht nur Überschriften lesen. Vorhin habe ich unkorrekte Bemerkungen gehört, es würden nur Hochleistungen gefördert. Das ist nicht der Fall. In den Bedingungen der Bundesregierung steht explizit, man solle die Mittel für Leistung gewähren. Dabei soll aber beachtet werden, dass diese Leis

tungen von Kindern mit Migrationshintergrund unter schwierigeren Umständen erbracht werden. Außerdem soll dabei berücksichtigt werden, dass ein bildungsferner Hintergrund die Erbringung der Leistung erschwert. Diesen Aspekten soll bei dem Stipendienprogramm besonders Rechnung getragen werden. Ich denke, das muss man auch honorieren.

Ich habe gehört, Niedersachsen sei dabei eingeknickt. Herr Ministerpräsident, es ist aber noch nicht im Bundesrat beraten worden. Wie kritisch wir das sehen oder was wir ändern wollen, das sind Dinge, die noch diskutiert werden. Es wurde ein Entwurf der Bundesregierung vorgelegt. Die Wirtschaft soll sich daran beteiligen. Meine Güte, warum soll der Staat das alles machen?

(Zuruf von der LINKEN: Weil es staat- liche Aufgabe ist!)

Im OECD-Durchschnitt werden 24 % der Bildungsausgaben privat getragen. In Deutschland liegt dieser Wert bei 15 %. In Japan liegt dieser Wert bei 70 %. An dieser Stelle zu sagen, dann würden nur Fächer gefördert, die von besonderem Interesse seien, ist also absurd. Sie haben mit Sicherheit darüber diskutiert, was die Landesregierung unternimmt, damit mehr für Mathematik und naturwissenschaftliche Fächer getan wird, damit mehr junge Menschen diese Fächer studieren. Sie haben Maßnahmen der Landesregierung erwartet. Weshalb soll aber nicht auch die Wirtschaft dafür einstehen, die auch davon profitiert?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich glaube, es ist nicht das Nonplusultra, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir brauchen bedarfsgerechtes BAföG, und wir brauchen hohe Leistungsorientierung. Darum müssen wir uns bemühen. Das sind Kernelemente einer zukunftsträchtigen Studienfinanzierung.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Wanka, Sie haben ausgeführt, dass wir verstärkt dafür werben sollten, dass junge Menschen das BAföG in Anspruch nehmen, weil die Rückzahlungspflichten - bezüglich des hälftigen Darlehens - sehr fair gestaltet seien. Ich hatte in meiner Darstellung aber ausgeführt, dass in der neuesten HIS-Sozialerhebung nachgewiesen worden ist, dass selbst bei denjenigen Studierenden, die aus der niedrigsten sozialen Herkunftsgruppe kommen,

also den sogenannten ärmsten Studierenden, der BAföG-Anteil an ihrem Einkommen nur 29 % beträgt. Deshalb müssen über 80 % von ihnen zusätzlich arbeiten gehen, was sich auf die Zeit, die sie real für das Studium zur Verfügung haben, auswirkt und dazu führt, dass sie bezüglich der Regelstudienzeit in Sorge kommen. Bei Überschreiten der Regelstudienzeit verfällt der BAföGAnspruch.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert über- nimmt den Vorsitz)

Mich würde interessieren, wie Sie junge Leute aus der niedrigsten sozialen Herkunftsgruppe zusätzlich zu fördern gedenken, damit bei ihnen der BAföG-Anteil am Gesamteinkommen auf weit über 50 % steigt.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Frau Ministerin!

Ich habe vorgestern hier gesagt, dass in Deutschland der Anteil derjenigen aus bildungsfernen Schichten, die studieren, über ganz viele Jahre konstant geblieben ist. Also gibt es keine einfache Antwort, um das zu ändern. Aber es ist auch ein Stück deutsche Mentalität. Ich denke, hier ist Werbung nötig.