Protokoll der Sitzung vom 23.11.2016

Im Übrigen: Wenn man sich die Homepage des Innenministeriums im Hinblick auf das Thema E-Government anguckt, wird man dort fündig. Dort wird man auf verschiedene Projekte verwiesen, die im Bereich E-Government heute schon durchgeführt werden: Beispielsweise edin-gewerbe hat die Landesregierung 2007 gemacht. Elektronischer Rechtsverkehr basiert auf einem Beschluss von 2011. E-Akte basiert auf einem Beschluss von 2012. Das alles hat die Landesregierung im Bereich E-Government schon auf den Weg gebracht. Aber halt - das war ja die Landesregierung davor von CDU und FDP, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

An neuen Projekten ist da nicht ganz viel zu finden. Im Moment habe ich, wenn man mit Mitarbeitern in den Ministerien spricht, den Eindruck, dass sie eher damit zu tun haben, eine ordentliche Telefonanlage für ihre Mitarbeiter auf den Weg zu bringen, sich aber über das Thema „Digitalisierung in der Verwaltung“ noch nicht so wirklich viel Gedanken gemacht haben.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich möchte den Kollegen Focke in zwei Punkten ganz deutlich unterstützen. Das eine ist - das hat ja Christian Dürr für uns gestern in der Aktuellen Stunde deutlich gemacht -: Wir dürfen uns nicht an denen orientieren, die genauso schlecht sind wie wir, sondern wir müssen uns an denen orientieren, die beim Thema Digitalisierung an der Spitze sind. Das sind die Staaten des Baltikums; das ist insbesondere Estland.

Herr Kollege Focke, Sie haben beispielsweise den sicheren Datenraum angesprochen, wo die Bürgerinnen und Bürger im Sinne von „einmal gemacht“ für den Staat, für alle Behörden zugänglich alle ihre Daten einpflegen können, wo man nachvollziehen kann, für wen das ist. Das ist auch gelebter

Datenschutz. Das ist beispielsweise etwas, woran wir uns hier in Deutschland orientieren sollten.

(Unruhe)

Einen Moment, bitte, Herr Kollege Oetjen! - Es ist doch ein sehr lautes Gemurmel im Plenarsaal. Daher möchte ich noch einmal um Ruhe bitten, damit der Kollege Oetjen auch Ihre Aufmerksamkeit hat. Das betrifft insbesondere die Beratungen am Rande des Plenums.

Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Das Zweite ist das Thema Zeitplan. Ich komme aus dem Landkreis Rotenburg. Das ist übrigens ein ganz hervorragender Landkreis mit einer ganz ordentlichen kommunalen Verwaltung.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Dort hat man sich des Themas digitale Verwaltung angenommen. Das Erste, was man gemacht hat, war, dass man einen Zeitplan erarbeitet und gefragt hat: Welche Geschäftsprozesse werden als Erstes angefasst? Welche Ämter sind schon am weitesten, in denen man beispielsweise das Thema Digitalisierung umsetzen und vom digitalen Posteingang bis zum digitalen Postausgang und der digitalen Aktenführung zwischendrin eigentlich alles im digitalen Ablauf haben kann?

Dafür macht man doch einen Zeitplan und sagt: Okay, wir gucken in dem Geschäftsbereich, in diesem Geschäftsbereich und in jenem Geschäftsbereich. - Das sind die Prozesse, die auch in diesem Papier stehen. Aber dann legen Sie doch bitte endlich einmal einen solchen Zeitplan vor, und sagen Sie uns, wie Sie das umsetzen wollen!

(Zustimmung von Ansgar-Bernhard Focke [CDU])

Ich habe bisher den Eindruck, dass Sie nur viel Papier bedrucken. Aber dass etwas Ordentliches dabei herumkommt, ist bisher noch nicht zu sehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Beratung schließe.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Inneres und Sport, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen sein. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Dann haben Sie so beschlossen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung: Erinnerung und Gedenken wahren - Stasiunterlagen als nationales Kulturgut sichern und zugänglich machen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/6896

Zur Einbringung erteile ich das Wort Frau Kollegin von Below-Neufeldt, FDP-Fraktion. Bitte, Frau Kollegin!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Freien Demokraten möchten die Landesregierung dafür gewinnen, dass sie sich dafür einsetzt, dass die Stasi-Unterlagen wiederhergestellt, als nationales Kulturgut gesichert und auch zugänglich gemacht werden.

Dem vorliegenden Antrag zufolge geht es uns dabei im Wesentlichen um zwei Punkte:

Die Dokumente der Stasi müssen einen besonderen Rang als Kulturgut haben und dauerhaft in der Verantwortung des Bundes stehen. Sie dürfen nicht einzelnen Bundesländern zugeordnet werden, nur weil sie dort zurzeit dezentral gelagert werden. Außerdem möchten wir, dass es ein einheitliches System des Zugriffs darauf gibt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ein zweiter ganz wesentlicher Punkt ist, dass die zerstörten Unterlagen mit Engagement - und zwar in nicht allzu ferner Zeit - wieder zusammengesetzt werden. Sie wissen: Die Unterlagen sind zurzeit nicht alle lesbar. Viele lagern in Papiersäcken und sind möglicherweise irgendwann dem Verfall preisgegeben. Das kann ich nicht beurteilen; das können nur Experten beurteilen. Aber auf jeden Fall möchte ich das in

den Raum stellen. Wir wissen, die Zeit drängt. Zudem gibt es auch das Interesse, die Unterlagen einsehen zu können.

Meine Damen und Herren, es ist gut, dass Niedersachsen eine Enquetekommission zu den Machenschaften der Stasi eingerichtet hat. Das ist ein Antrag der CDU-Fraktion, der genau in die richtige Richtung geht. Ich bin sehr froh, ihr anzugehören; denn es ist auch mir ein wichtiges Anliegen, die Zeugnisse der DDR-Diktatur, die Zeugnisse des DDR-Unrechts zu erfassen, einzuordnen und zu bewerten, und zwar immer mit dem Ziel, das Gedenken an die Opfer dieses Unrechts zu wahren, aber auch Strukturen dieser Machtapparate auszumachen, die eine ganz umfassende Unterdrückung, Bevormundung und Entrechtung umfassen. Dies darf es in Deutschland nie wieder geben.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU sowie Zustimmung von Jo- hanne Modder [SPD])

Meine Damen und Herren, wir haben umfangreiche Befragungen von Zeitzeugen in der Enquetekommission erlebt. Wir haben deren Beschädigung wahrgenommen - durch Unmenschlichkeit, durch Willkür. Das war unverkennbar bis heute, das war erschütternd.

Wir haben Bereisungen durchgeführt und uns u. a. mit dem System „Informationen über Bürger sammeln, Bürger ausspähen und ausspionieren“ und auch mit den Orten dieser systematischen Aufbewahrung von Dokumenten befasst. Auch das war erstaunlich und bedrückend zugleich.

Meine Damen und Herren, ich habe es schon erwähnt: Wir haben gesehen, wie zerrissene Dokumente, die in Papiersäcken lagern, sortiert und zusammengefügt werden. Das ist eine Sisyphusarbeit; sie erscheint fast nicht zu bewältigen. Wir sahen ganze Hallen mit Papiersäcken mit zerstörten Papieren.

Genau vor diesem Hintergrund haben wir Freien Demokraten diesen Antrag formuliert, der wahrscheinlich und hoffentlich ein Anliegen aller Fraktionen hier im Landtag sein dürfte. Die zerstörten Unterlagen dokumentieren den Unrechtsstaat. Sie dokumentieren Lebensverläufe, decken Spitzel auf und erhellen Hintergründe und Entscheidungen, die Menschen ertragen mussten. Diese Unterlagen möchten wir wiederhergestellt wissen. Sie müssen gut zugänglich werden.

Meine Damen und Herren, ich beantrage die Überweisung des Antrags in die Enquetekommission, damit er noch Eingang in den Abschlussbericht unserer Enquetekommission finden kann.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nun hat das Wort für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Mundlos.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 2007 war im Tagesspiegel zu lesen:

„Lange blieb das Leiden der Stasi-Opfer verborgen. Erst jetzt“

„beschäftigt man sich zunehmend mit seelischen Auswirkungen der Diktatur.“

Psychische Leiden, körperliche Leiden, Folgeerkrankungen, Angst, Depressionen und vieles andere mehr - das sind persönliche Auswirkungen. Das ist die eine Seite der Medaille und keine unerhebliche.

Außerdem gibt es Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, unseren Staat und unser Staatswesen sowie Auswirkungen auf unsere Zukunft. Das ist die andere Seite der Medaille.

Wer zum Thema Stasi recherchiert, hört viele Leidensgeschichten: über Jahre in politischer Haft, Fluchterlebnisse, Zerwürfnisse in der Familie und mit Freunden. Man hört von vermeintlichen Freunden, Vertrauensbruch, Verrat, vom Kampf der Betroffenen um Anerkennung und vom Kampf um ein Leben danach.

Immer wieder wird darüber gestritten: Wie konsequent und wie lange wollen wir aufklären und Material sichten? Was müssen wir, was wollen wir, wo und in welcher Form der Öffentlichkeit, den Opfern, unseren Kindern und Enkeln zugänglich machen und erhalten?

Anfang 2015 wurde mit einem Parlamentsbeschluss eine Enquetekommission hier in Niedersachsen eingesetzt: „Verrat an der Freiheit - Machenschaften der Stasi in Niedersachsen aufarbeiten“. Neun Themenfelder, befristet bis zum 31. März 2017. Uns war eigentlich sehr schnell klar, dass das eine riesige Aufgabe ist, die in dem

vorgegebenen Zeitrahmen nicht zu bewältigen sein dürfte. Der Zeitrahmen ist eng und knapp gesetzt.