Protokoll der Sitzung vom 01.03.2017

Wir brauchen keine Vorschläge, die nur dafür da sind, die öffentliche Debatte zu befeuern, sondern wir brauchen eine klare Schwerpunktsetzung fi

nanzieller Art für die Polizei und für die Gerichte. Das ist das beste Signal für unseren Rechtsstaat.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Auf Ihre Rede gibt es den Wunsch nach einer Kurzintervention. Der Kollege Limburg, Bündnis 90/Die Grünen, hat für 90 Sekunden das Wort. Bitte!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Oetjen, Sie haben sehr viel Richtiges gesagt und dementsprechend zu Recht auch Applaus von großen Teilen des Hauses bekommen. Aber an einem Punkt Ihrer Rede habe ich nicht verstanden, was Sie meinen.

Sie haben davon gesprochen, dass die Dauer der Gerichtsverfahren in Niedersachsen teilweise katastrophal sei. Ich würde Sie bitten, zu konkretisieren, welche Gerichtsverfahren oder welches Gericht Sie meinen. Ich kenne nur Zahlen, nach denen die Dauer der Gerichtsverfahren in Niedersachsen seit Jahren kontinuierlich sinkt. Das ist das Verdienst dieser Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen, weil wir nämlich die Zahl der Stellen im Justizbereich, bei den Richterinnen und Richtern und bei den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, seit Jahren verstärken. Das war eine Kraftanstrengung, die Schwarz-Gelb in dem Ausmaß nie fertiggebracht hat.

Insofern würde ich Sie schon bitten, diesen Vorwurf entweder zu konkretisieren oder zurückzunehmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Herr Kollege Oetjen möchte erwidern. Er hat für ebenfalls bis zu 90 Sekunden Gelegenheit hierzu.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Limburg, Sie wissen ganz genau, dass der Richterbund hier in Niedersachsen seit Jahren darauf hinweist, dass Personal bei den Gerichten fehlt. 99

Stellen sind unbesetzt, und die Verfahren zu VW in Braunschweig werden weitere Kapazitäten binden.

Wir müssen beim Thema Gerichte nachsteuern. Unser Ziel ist es tatsächlich, sehr geehrter Herr Limburg, in der PEBB§Y-Berechnung auf 1,0 zu kommen und damit die Staatsanwaltschaften und die Gerichte ordentlich auszustatten.

(Beifall bei der FDP)

Derzeit haben wir, je nach den Gerichtsbezirken, bei den Staatsanwaltschaften und den Richtern einen Bedarf von 10 bis 20 % an zusätzlichen Stellen zu verzeichnen. Insofern haben wir einen Nachsteuerungsbedarf.

(Anja Piel [GRÜNE]: Vorausahnen konnten wir VW nicht, wollte ich nur sagen!)

- Verehrte Kolleginnen und Kollegen, darf ich das zu Ende führen?

Es muss doch in unser aller Interesse sein - - -

(Anja Piel [GRÜNE]: Wir sind keine Wahrsager!)

- Frau Kollegin Piel!

(Helge Limburg [GRÜNE]: Welches Verfahren denn jetzt?)

- Frau Kollegin Piel!

Herr Kollege Oetjen, wir halten die Zeit kurz an. Ich war bei Ihrer Rede sehr großzügig. Aber jetzt sind wir bei den Kurzinterventionen. Wenn Sie solche Kunstpausen machen, geht das alles auf die 90 Sekunden. Sie müssen das jetzt in 21 Sekunden zu Ende bringen. Es ist in Ihrem eigenen Interesse, nicht zu unterbrechen. Bitte!

(Jens Nacke [CDU]: Keine Bewertung der Rede, bitte! Ich meine die Formu- lierung „Kunstpause“!)

Herzlichen Dank, Herr Präsident. Das wird mir mit Leichtigkeit gelingen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es muss doch in unser aller Interesse sein, dass Gerichtsverfahren zügig durchgeführt werden. Wenn wir wissen, dass wir nach den Berechnungen von PEBB§Y je nach Region zwischen 10 und 20 % zusätzliche Stellen brauchen, dann muss es doch ein Anliegen der Politik sein, dafür zu sorgen, dass die Gerichte

so ausgestattet werden, dass die Verfahren schnell und zügig laufen, damit dem Rechtsstaat Genüge getan werde. Und das fordern die Freien Demokraten.

(Beifall bei der FDP)

Das waren Kurzintervention und Erwiderung. - Das Wort hat jetzt für die SPD-Fraktion der Kollege Karsten Becker. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Insbesondere meine Damen und Herren von der CDU! Am 18. August des vergangenen Jahres habe ich meine Rede zur Einbringung Ihres Antrags „Mehr Schutz für die Menschen in Niedersachsen vor Terror und Kriminalität“, den wir heute übrigens ablehnen werden, mit der Aussage beendet:

„Im Thema innere Sicherheit steckt in diesem Land und mit diesem Innenminister nicht viel Substanz für Ihre Wahlkampfzwecke, jedenfalls nicht auf diesem Niveau Ihrer Bemühungen.“

Jetzt haben wir die Ausschussberatungen zu Ihrem Antrag hinter uns, und ich stelle fest: Am Niveau Ihrer Vorschläge hat sich jedenfalls nichts geändert.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben nichts dazugelernt. Sie suchen die Lösung immer noch im Mehr vom Selben. Das ist ein sehr schlichtes Prinzip, meine Damen und Herren: mehr Einschränkung von Bürgerrechten, mehr Polizei, höhere Strafen. Genau das ist es, was Sie jetzt auch mit dem CDU-Entwurf zu einem Gefahrenabwehrgesetz nach Ihrem Gusto als Lösung anbieten. Das reicht aber nicht. Im Gegenteil: Das ist nicht nur unzureichend, es ist auch - mindestens im Kontext Ihrer Argumentation - in sich unlogisch.

Frau Lorberg, Sie haben eben gerade in Ihrem Vortrag ein Bild von der inneren Sicherheit gezeichnet, demzufolge es drunter und drüber geht. Das ist natürlich Unsinn, meine Damen und Herren, und das ist auch mit der jüngst vorgestellten Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2016 nicht vereinbar. Danach ist Niedersachsen im vergangenen Jahr nämlich wieder einmal ein Stück sicherer geworden. Die Gesamtzahl der Straftaten ist in den

vergangenen zehn Jahren um 7,5 % zurückgegangen, die Aufklärungsquote ist in den vergangenen zehn Jahren von 56,9 % auf 61,4 % gestiegen, und der Anstieg der Einbruchsdiebstähle konnte mit einem Rückgang der Fallzahlen um 1,02 % gegenüber dem Vorjahr gestoppt werden.

Meine Damen und Herren von der CDU, wenn Ihre begründungsfrei vorgetragene Behauptung richtig wäre, dass die innere Sicherheit gefährdet ist, dann hätte sich diese Entwicklung unter Bedingungen vollzogen, die bereits seit den 70er-Jahren von einer Ausweitung der Ermächtigungsgrundlagen für Polizei und für Verfassungsschutzbehörden, von der Erhöhung der Mitarbeiterzahlen im Polizeidienst und von einer Verschärfung von Strafvorschriften gekennzeichnet sind. Wenn das richtig wäre, meine Damen und Herren, dann müssten wir heute feststellen, dass das alles nichts genutzt hat, dass das offensichtlich die falsche Strategie war und dass wir uns etwas völlig anderes überlegen müssten. Das tun Sie aber nicht. Im Gegenteil: Sie fordern exakt das Gleiche erneut, nämlich die Ausweitung von Ermächtigungsgrundlagen, mehr Polizei und die Verschärfung von Strafvorschriften, mehr vom Selben eben.

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie sollten gelegentlich mal über die Logik dieser Argumentation nachdenken. Das ist nicht schlüssig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Jetzt legen Sie hier einen eigenen Entwurf zum Gefahrenabwehrgesetz vor, der erneut genau diesem Credo folgt: mehr Daten, mehr Videoüberwachung, Körperkameras auch für Verwaltungsangestellte. Wir haben bisher nur rudimentäre Erkenntnisse über die Wirkung dieser Körperkameras im polizeilichen Einsatz, und Sie können nicht einmal eine halbwegs konkrete Zielsetzung für den Einsatz dieser Kameras bei Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern definieren, aber Sie möchten diese Dinger den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schon mal um den Hals hängen. Das ist reiner Aktionismus, meine Damen und Herren von der CDU, reine SchlagzeilenpoIitik.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Anja Piel [GRÜNE])

Und dann - man kann das alles noch toppen - die Verlängerung der Gewahrsamsdauer auf eineinhalb Jahre! Meine Damen und Herren von der CDU, man muss schon ein Konglomerat von Bedingungen konstruieren, um die Notwendigkeit für

eine gefahrenabwehrende Maßnahme von eineinhalb Jahren Dauer als erforderlich verkaufen zu wollen. Seriös ist das nicht. Sonst müssten Sie uns nämlich erklären können, was Sie eigentlich tun wollen, wenn die eineinhalb Jahre vorbei sind.

Da ist die CSU in Bayern konsequenter. Die wollen gleich eine lebenslange Präventivhaft.

(Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Immerhin vermeidet sie damit logische Brüche.

(Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie nehmen sie hin.

Erfreulicherweise, meine Damen und Herren von der CDU, steht zwischen Ihnen und der praktischen Umsetzung solcher Vorschläge einerseits unsere Mehrheit hier im Hause

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)