Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

- Sie können sich selbstverständlich zu Geschäftsordnung melden. - Bitte schön!

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Jetzt wundert es natürlich auch niemanden mehr, dass der Philologenverband heute Mittag mit einer eigenen Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gegangen ist und sich ausdrücklich über den Umgang dieser Mehrheit mit einer Petition - und mit dem Petitionsrecht insgesamt - beschwert hat. Was Sie hier gerade gesagt haben - - -

Natürlich kann sich jeder Bürger mit einem Brief an die Landesregierung wenden. Die Menschen möchten sich nicht an die Landesregierung wenden. Sie möchten, dass dieses Parlament sich damit befasst. Das Petitionsrecht ist ein schwer erkämpftes Recht, und Sie stellen das einfach so infrage! Schämen Sie sich dafür!

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wider- spruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Nacke. - Ebenfalls zur Geschäftsordnung: Herr Kollege Tonne. Bitte schön!

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Zur Ge- schäftsordnung hat hier bislang noch gar keiner gesprochen! - Gegenruf von Ulf Thiele [CDU]: Wo ist denn das Petitionsrecht geregelt, mein Lieber?)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will eingangs feststellen, dass der Beitrag des Kollegen Nacke mit unserer Geschäftsordnung nichts, aber auch wirklich gar nichts zu tun hatte. Offensichtlich wird mal wieder die Möglichkeit gesucht, irgendetwas reden zu können.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Nacke, das, was Sie hier gerade wieder gemacht haben, ist etwas, was wir nicht machen können und was wir auch nicht stehen lassen können: Sich hier hinzustellen, einen Wortbeitrag zu verdrehen, um sich dann künstlich aufzuregen, das funktioniert nicht. Sie haben ganz offensichtlich ein ernstliches Problem mit dem Zuhören, was andere Kolleginnen und Kollegen hier sagen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN: So ist es!)

Hier werden Tatsachen, Aussagen, die getroffen worden sind, wild verdreht, um sich dann künstlich aufzuregen und herumzuschreien. Wenn sich einer schämen müsste für die Auftritte, die er hier hinlegt, dann sind es Sie, Herr Kollege Nacke!

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Tonne. - Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung liegen nicht vor.

Wir fahren jetzt in der Tagesordnung fort.

(Unruhe)

- Ich warte noch einen Moment. Meine Damen und Herren, wenn Sie den Saal verlassen, wollen, dann machen Sie das.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 23: Abschließende Beratung: a) Hausärztliche Versorgung in Niedersachsen stärken - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/6405 - b) Ärztliche Ausbildung, Anerkennung und Niederlassung für die hausärztliche Versorgung in Niedersachsen sicherstellen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/7418 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration - Drs. 17/7587

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unverändert anzunehmen und den Antrag der Fraktion der CDU abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen jetzt zur Beratung.

Zu Wort gemeldet hat sich der Kollege Burkhard Jasper. Bitte schön, Herr Jasper!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es um die Versorgung mit Hausärzten geht, erleben wir bei der rot-grünen Landesregierung ein Phänomen: Einerseits wird darauf hingewiesen, dass die Landesregierung für die Sicherstellung nicht zuständig sei. Andererseits werden Presseinformationen herausgegeben, wonach man - angeblich - bei der Hausarztversorgung Erfolge erzielt habe. Sie sind also nicht zuständig, haben aber trotzdem Erfolge erzielt. Es handelt sich somit um eine Art Wunder, eben um ein Phänomen.

(Zustimmung bei der CDU - Volker Bajus [GRÜNE]: Ja! So machen wir das! - Thomas Schremmer [GRÜNE]: So funktioniert Politik!)

Aber auf Wunder sollte die Landesregierung nicht warten, sondern aktiver werden. Ich deute diese Aussagen so, dass SPD und Grüne den Handlungsbedarf erkannt haben. Die bisherigen Maßnahmen reichen jedoch nicht aus, um das Problem zu lösen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wie ist die Situation? - In Niedersachsen fehlten 2016 360 Hausärzte. Beispielsweise sind im Emsland 13,5, im Landkreis Osnabrück 8 und in der Grafschaft Bentheim 7 Hausarztsitze unbesetzt. In Emden droht ein Mangel an Allgemeinmedizinern. Auch Großstädte werden bald betroffen sein. In Wien fehlen schon 300 niedergelassene Allgemeinmediziner. Somit muss eine Abwanderung befürchtet werden.

Was sind die Ursachen? - Viele Hausärzte scheiden in den kommenden Jahren aus Altersgründen aus. In manchen Regionen Niedersachsens sind 30 % bis 50 % der Inhaber von Hausarztpraxen über 60 Jahre alt. Aktuell findet bundesweit nur jeder zweite Hausarzt einen Nachfolger.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist schwierig. Väter und Mütter wollen geregelte Arbeitszeiten. Der medizinische Fortschritt führt dazu, dass ambulante Behandlungsmöglichkeiten zunehmen und deshalb ein Krankenhausaufenthalt nicht erforderlich ist. Die Belastung der Hausarztpraxen

steigt dadurch. Die Alterung der Bevölkerung trägt auch zu einem Mehrbedarf an ärztlichen Leistungen bei. In Bayern wird eine Zunahme des Behandlungsbedarfs um 10 % erwartet.

Somit besteht ein dringender Handlungsbedarf. Die Ärzteversorgung ist nicht nur eine Notwendigkeit aus humanitären Gründen. Sie ist ein Standortfaktor mit Blick auf die Ansiedlung von jungen Familien und natürlich auch für ältere Menschen.

Die Landfrauen und die Landjugend haben ein 9Punkte-Programm vorgestellt. Der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, Marco Trips, erklärte:

„Wenn jetzt keine gegensteuernden Maßnahmen getroffen werden, droht einigen Kommunen in wenigen Jahren eine Unterversorgung mit Ärzten, mit der Folge, dass diese Kommunen erheblich an Attraktivität verlieren werden.“

Übrigens könnte sich die Landesregierung an den Kommunen ein Beispiel nehmen: Die sind schon sehr kreativ. Die Landesregierung sollte solche Initiativen stärker unterstützen, statt Mittel zu reduzieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob es ausreichend Studienplätze für Medizin gibt. Der Hausärzteverband, die Kassenärztliche Vereinigung und der Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung fordern eine Steigerung der Anzahl der Plätze. Während es 1990/1991 noch 785 Studienplätze gab, waren es 2016/2017 nur noch 596 in Niedersachsen. Somit ist ein Rückgang um 189 Vollstudienplätze zu verzeichnen. An der Stelle gegenzusteuern, ist eine Landesaufgabe.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die CDU will mit ihrem Antrag erreichen, dass Anreize für eine Tätigkeit als Hausarzt gegeben werden. Ein Anreiz wäre sicherlich eine Verbesserung der Vergütungsregelung, aber dies ist eine Bundesangelegenheit. Die CDU hat in ihrem Antrag konkrete Vorschläge unterbreitet. Insgesamt haben wir für verschiedene Maßnahmen für den Doppelhaushalt 2017/2018 zusätzlich jährlich 600 000 Euro beantragt. SPD und Grüne haben dies leider abgelehnt.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass der Antrag von SPD und Grünen unzureichend ist. Sie begrüßen die - ungenügenden -

Bemühungen der rot-grünen Landesregierung und fordern Planungen und Prüfungen, wo Handeln notwendig wäre.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Gespräche in den Gesundheitsregionen allein lösen die Probleme nicht. Das Förderprogramm für neue Niederlassungen wird von der Landesregierung nicht mehr unterstützt. Die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen finanzieren diesen Strukturfonds allein.

Die CDU setzt den Schwerpunkt auf Gemeinschaftspraxen und medizinische Versorgungszentren in Gestalt von Ärzte-MVZ und reinen Hausarzt-MVZ. Bei SPD und Grünen haben kommunale Zentren Priorität. Die CDU will die Selbstständigkeit fördern.

Das Stipendienprogramm ist nicht der große Wurf. Es geht um maximal 96 000 Euro für höchstens 20 Studierende. Damit kann der Mangel nicht beseitigt werden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Der Masterplan 2020 droht zu scheitern, obwohl sich Bund und Ländern inhaltlich geeinigt haben. Auch hier ist die Landesregierung nicht bereit, sich angemessen an den Kosten zu beteiligen. Aber das kennen wir ja schon: Zahlen sollen die Kommunen und der Bund.

(Zustimmung bei der CDU)

Dabei soll nach dem Masterplan, wie dies die CDU unter Nr. 1 fordert, die Allgemeinmedizin aufgewertet und ein Teil des Praktischen Jahres bei einem niedergelassenen Arzt verbracht werden. Der Einsatz, den SPD und Grüne von der Landesregierung fordern, kann in der Tat verbessert werden.

Lehrstühle für Allgemeinmedizin sind schon vorhanden. Und eine Optimierung der Bedarfsplanung erzeugt noch keine Ärzte. Zudem gibt es dazu ein großes Gutachten auf Bundesebene.

Schließlich geht das Bemühen um Weiterbildungskonzepte nicht weit genug. Die CDU hat in ihrem Antrag vier konkrete Vorschläge dazu unterbreitet. Wir sind somit SPD und Grünen einen gewaltigen Schritt voraus.