Protokoll der Sitzung vom 15.06.2017

schuss sachgerecht bearbeiten kann. Das ist jetzt schon im Gange und damit unter Beweis gestellt. Die Opposition in diesem Landtag aber will das nicht. Sie setzt - das haben wir gerade unter Beweis gestellt bekommen - stattdessen auf Skandalisierung. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis. Aber ehrlich gesagt: Nach den Erfahrungen in dieser Wahlperiode erwarte ich von der Opposition auch keinen sachlichen Beitrag mehr.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: Leider ist das so! - Detlef Tanke [SPD]: Leider, leider!)

Wir erleben wieder einmal, dass die Opposition eine Behauptung nach der nächsten in den Raum stellt, daraus eine Geschichte macht, den Beweis aber schuldig bleibt.

(Christian Dürr [FDP]: Das, was Sie vor ein paar Wochen noch bestritten haben, hat sich inzwischen als wahr herausgestellt!)

Das kennen wir auch schon aus den vorherigen Untersuchungsausschüssen. In nicht allzu ferner Zeit werden wir in diesem Haus die Schlussdebatte zu führen haben. Sie werden sich auch dann für jede nicht untermauerte Behauptung verantworten müssen, die ausschließlich der persönlichen Diskreditierung von Ministerinnen und Ministern dienen soll.

(Johanne Modder [SPD]: Das wird ja eine Sitzung werden!)

Wir haben in den letzten Tagen und auch eben gerade wieder sehr kreative Vorwürfe in Richtung der Landesregierung gehört, wer hier was wissen müsste, wer was gemacht haben könnte und wie das in einem Kontext stehen sollte.

(Johanne Modder [SPD]: Hätte, hätte, hätte!)

Mittlerweile kann ich mir auch erklären, wie man darauf kommt: Beide, die sich hier zu Chefanklägern gerieren, sind ehemalige Minister und haben ihrerseits erhebliche Erfahrungen entweder mit fragwürdigem Verhalten oder sogar mit rechtswidrigen Vergaben in ihren eigenen Häusern gemacht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Uwe Santjer [SPD]: Das glaube ich nicht!)

Sie setzen sich damit dem Verdacht aus, durch das Zurückgreifen auf eigenes Verhalten, auf eigenes Handeln und auf eigene Verfehlungen in der letzten Wahlperiode zu Ihren Fragen zu diesem Untersuchungsausschuss zu kommen.

Herr Schünemann, ich komme jetzt einmal zu dem von Ihnen verwendeten Begriff „lebensnah“. Ich will Ihnen jetzt einmal eine Handvoll Fakten nennen, bei denen wir gar nicht darüber spekulieren müssen, ob sie lebensnah sind oder nicht, weil sie durch Dokumente entsprechend belegt sind. Ein Bericht des Landesrechnungshofes aus dem Jahr 2012. Das Thema: Vergabe von Gutachten und Beraterverträgen im Innenministerium. - Sie, Herr Schünemann, waren damals Innenminister. Auf Seite 44 können wir Folgendes lesen: Rund 100 % der geprüften Vergaben enthielten mindestens einen Verstoß gegen Haushalts- oder Vergaberecht.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

91 % der Vergaben fehlte die erforderliche Wirtschaftlichkeitsbetrachtung.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Bei 91 % der Vergaben wurde keine Erfolgskontrolle dokumentiert.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN: Was?)

Bei rund 68 % der freihändigen Vergaben wurden keine Vergleichsangebote eingeholt.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN: Hey!)

Das ist nicht nur lebensnah, sondern das ist schriftlich dokumentiert, Herr Schünemann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: Jawohl! - Björn Thümler [CDU]: Es gab aber keine Ermittlungen! - Weite- re Zurufe)

Ich möchte Ihren geneigten Blick ferner auf die Drucksache 17/7212 lenken. Auch hier brauchen wir nicht darüber zu spekulieren, ob das lebensnah ist. Es ist dokumentiert. Aus dieser Drucksache ist ersichtlich, dass z. B. ein Professor Hesse aus Ihrem Haus, Herr Schünemann, eine Summe von fast 650 000 Euro erhalten hat, und zwar freihändig und ohne zuvor eingeholte Vergleichsangebote. Das ist dokumentiert in den Unterlagen.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: Unglaublich! - Helge Limburg [GRÜNE]: Unerhört!)

Damit ist doch auch völlig klar: Das, was Sie hier heute als vermeintlich neue Erkenntnisse, als Geschichten rund um die Herren Bogumil oder Kronacher präsentieren wollen, ist doch nichts weiter als kalter Kaffee, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich kündige Ihnen an: Da es sich bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses um ein Minderheitenrecht handelt, werden wir der Einsetzung trotz Bedenken in der Sache zustimmen. In der Sache aber bleiben wir bei unserer Kritik, Herr Nacke, dass es nämlich auch ohne Untersuchungsausschuss und sogar besser ginge.

(Zuruf von Bernd Busemann [CDU])

- Herr Busemann, ein bisschen lauter. Dann kann ich es verstehen und aufgreifen.

(Zuruf von der CDU)

Es ginge besser auch ohne Untersuchungsausschuss. Ich weise Sie auch auf die Bedenken des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes trotz der vorgenommenen Veränderungen hin. Zweifel an der Bestimmtheit sind letztendlich auch Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des Einsetzungsbeschlusses.

(Christian Grascha [FDP]: Damit ha- ben Sie ja reichlich Erfahrung!)

Die ursprünglich vorgelegte Version war in diesem Bereich klar verfassungswidrig. Ich gestehe zu, es wurde überarbeitet. Defizite bleiben dennoch.

Ich bin gespannt, ob die Oppositionsfraktionen die erforderliche Klärung im Rahmen der Beweisbeschlüsse vornehmen können und vor allen Dingen wollen. Der Ball, um diesen Untersuchungsausschuss nicht als reine Show zu instrumentalisieren, liegt ausschließlich bei Ihnen; aber ich gehe fest davon aus, dass Sie diesen Ball auch wieder mit Anlauf weit über das Tor hinausschießen werden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, abschließend: Ja, es sind Fehler gemacht worden. Minister Lies hat jedoch Konsequenzen gezogen und nach vorn gerichtete Maßnahmen eingeleitet. Ich nenne das richtig, ich nenne das konsequent. Und es spielt

bisher überhaupt keine Rolle, ob mit oder ohne Untersuchungsausschuss. In der Schlussbetrachtung bleibt: Es wird völlig egal sein, ob wir diesen Untersuchungsausschuss haben oder nicht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Tonne. - Es hat sich zu Wort gemeldet für die FDP-Fraktion Jörg Bode. - Sie haben das Wort, Herr Bode. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Tonne, dieser Untersuchungsausschuss ist zwingend erforderlich, weil die anderen Mittel, die das Parlament zur Verfügung hat, in diesem Fall leider nicht ausreichend sind.

Ich sage das ausdrücklich. Denn wir haben in der letzten Plenarwoche anfangs und in der Ausschusssitzung in der Woche davor versucht, mit Ausschussunterrichtungen, mit Debatten und mit Anfragen hier im Parlament die notwendige Aufklärung durch den Wirtschaftsminister zu erhalten. Wir mussten beim Fall Neoskop erleben, dass die Unterrichtung durch die Staatssekretärin a. D. Behrens im Ausschuss schlicht und ergreifend unvollständig und damit falsch war, meine sehr geehrten Damen und Herren. Und es wurde verschwiegen, dass im Zusammenhang ein zweiter Auftrag an Neoskop erteilt worden ist, der fast die identische Auftragshöhe hatte wie der, über den diskutiert worden ist.

Sie wollen uns doch nicht allen Ernstes sagen, dass das Wissen in dem Moment bei der Staatssekretärin und allen Mitarbeitern, die am Tisch saßen, nicht präsent war. Dieses Wissen ist dem Parlament bewusst verschwiegen worden, weil man hoffte, so übers Wochenende und über die Plenarsitzung zu kommen. Wir haben versucht, über das Instrument der Aktenvorlage weiterzukommen.

Beim Fall Neoskop - gleicher Sachverhalt - haben Sie, Herr Lies, dann in der Plenarsitzung einräumen müssen, dass die seitens der Staatssekretärin in der Ausschusssitzung davor gegebenen Informationen sowie der Vergabevermerk, der uns inzwischen zugespielt worden ist, schlicht und ergreifend nicht den Tatsachen entsprachen. Es hat, bevor der Vergabevermerk erstellt worden ist, bevor eine Bewertung der Auftragsangebote vorge

nommen worden ist, ein Vorgespräch der Mitarbeiter der Auswahlkommission mit der Staatssekretärin gegeben, über das in dieser Form nichts im Vergabevermerk zu finden ist, sondern das in diesem Vergabevermerk in einem anderen Sachverhalt dargestellt worden ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn entweder auf Anordnung oder auf das Gefühl hin, es tun zu müssen, Mitarbeiter einen Vergabevermerk fälschen, dann kann man sich auf die Aktenvorlage allein auch nicht mehr verlassen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Wir brauchen somit Zeugenaussagen - und Zeugenaussagen, Herr Kollege Tonne, das wissen Sie, bekommen wir nur im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Es gibt einen weiteren Fall, der ebenfalls schon diskutiert worden ist; das ist der Fall Chicago oder Auslandsvertretung. Auch hier ist das Parlament bewusst falsch informiert worden. Es gab einen Fragenkatalog, der den Fraktionen mit den Antworten gegeben worden ist. Schauen Sie doch noch einmal genau hinein, Herr Kollege Tonne! Was ist denn zu der Zulässigkeit der einschränkenden Kriterien gesagt worden? Sie wurden verteidigt als zulässig und normal, weil man übers Wochenende und über die Woche kommen wollte.

Am Freitag, als der Berater PwC Legal mit Minister Lies die Ergebnisse verkündete, musste man kleinlaut einräumen, dass die gegebenen Antworten schlicht falsch waren, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wenn Sie sich den Fragenkatalog anschauen, dann schauen Sie sich nicht den hinteren Teil mit dem Fall Chicago, sondern den vorderen Teil an, in dem das Ministerium ausgeführt hat, wann welche Auftragsvergabeart gewählt werden darf. Eine freihändige Vergabe, wie Sie es in dem Fall Chicago gemacht haben, ist bis zu einer Auftragshöhe von 25 000 Euro möglich, hat dieser Minister im ersten Teil des Fragenkatalogs geantwortet.

Dann hat man „Chicago“, den Modellversuch, mit einem Auftragsvolumen von 181 000 Euro vergeben.