Protokoll der Sitzung vom 15.06.2017

Dann hat man „Chicago“, den Modellversuch, mit einem Auftragsvolumen von 181 000 Euro vergeben.

(Jens Nacke [CDU]: Oh!)

Er hat im ersten Teil der Antwort selber gesagt, dass das unzulässig war; im zweiten Teil steht davon kein Wort mehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn das Parlament hier für dumm verkauft werden soll, dann ist ein Untersuchungsausschuss der konsequente Schritt.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Uwe Santjer [SPD]: Für dumm verkauft? Das ist ja albern!)

Schauen wir uns die anderen Akten an, die wir haben. Herr Ministerpräsident, das ist jetzt auch Ihre Verantwortung. Es ist schon erstaunlich, wie leistungsfähig die Mitarbeiter der Staatskanzlei bei Auftragsvergaben tatsächlich sind. Beim BogumilGutachten haben Ihre Mitarbeiter es geschafft, in einem normalen Vergabeverfahren - wie Sie es sagen - einen Vergabevermerk zu erstellen, beteiligte Ressorts zur Mitzeichnung zu bewegen, den Auftrag schriftlich zu erteilen und die erste Abschlagsrechnung des Beauftragten an ein und demselben Tag zu bekommen.

(Björn Thümler [CDU]: Was?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist nicht leistungsfähige Verwaltung, das ist Mauschelei.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Björn Thümler [CDU]: Unglaublich!)

Immerhin ist die Rechnung auch erst nach zwei Tagen bezahlt worden. Mancher Mittelständer würde sich über ein solches Zahlungsverhalten seitens der öffentlichen Verwaltung freuen.

(Beifall bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: Aber so was von!)

Der Fall Odeon oder Kronacher Medien wiegt genauso erstaunlich. Denn diese insgesamt 80 000 Euro, die dort bezahlt worden sind, gehen natürlich auch über Ihr eigenes Regelwerk hinaus. Sie hätten einen Vertrag über maximal 25 000 Euro abschließen können. Warum haben Sie überhaupt einen Vertrag abgeschlossen? Was hätte diese Kommunikationsagentur denn tun sollen?

Ich will es Ihnen anhand Ihres Vermerkes sagen. Der Auftrag war: Vorbereitung, Steuerung und Nachbereitung des kommunikativen Prozesses für die Findung eines Landesclaims. Man hat dort drei große Werbeagenturen angefragt, um einen Pitch gebeten und diesen Gesprächsprozess begleitet. Jetzt wollen Sie mir sagen, es gibt in der ganzen Landesverwaltung niemanden, der in der Lage gewesen wäre, drei Werbeagenturen herauszusuchen, sie um ein Angebot zu bitten und beim Gespräch die Gesprächsführung zu übernehmen? -

Nein! Sie haben bewusst jemanden mit einem öffentlichen Auftrag bevorteilen wollen und haben hier einen Weg gewählt, der vom Verfahren her auch für das Wirtschaftsministerium symptomatisch ist.

(Uwe Santjer [SPD]: Unterstellung!)

Deshalb stellt sich die Frage, ob dieses System des Umgehens des Auftragsvergaberechts durch ein ganz einfaches System - erst jemanden aussuchen, leicht in den Wettbewerbsvorteil setzen und dann entsprechend den Auftrag erteilen -

(Zuruf von der SPD: Auch wieder haltlos!)

nicht nur in diesem Fall des MW und in dem Fall der Staatskanzlei vorliegt, sondern ob es systematisches Handeln der gesamten Landesregierung ist.

(Zurufe von der SPD: Das müssen Sie mal belegen! - Gegenruf von Björn Thümler [CDU]: Das ist belegt! Das steht doch in den Akten drin!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will Ihnen zum Schluss ein Zitat aus der Plenarsitzung vom 30. Oktober 2013 geben. Der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr hat hier in der Debatte zu dem von Ihnen gegen den Rat aller Experten streng verschärfte und fast zu einem Moloch verkommenen Vergaberecht Folgendes ausgeführt - ich zitiere -:

„Das Niedersächsische Tariftreue- und Vergabegesetz soll daher auch für alle öffentlichen Aufträge über Bau- und Lieferleistungen sowie insbesondere auch Dienstleistungen im Bereich ÖPNV ab einem geschätzten Auftragswert von netto 10 000 Euro Anwendung finden. Durch diesen erweiterten Anwendungsbereich müssen alle Auftragsvergaben ab 10 000 Euro sowohl auf kommunaler als auch Landesebene künftig nach einheitlichen Vergaberegeln durchgeführt werden. Dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, sichert insbesondere den kleinen und mittelständischen Unternehmen den Zugang zu einem fairen Wettbewerb um öffentliche Aufträge. Das muss in unser aller Interesse sein.“

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Herr Minister Lies, diese Worte klingen heute nur noch wie Hohn und Spott.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es ist so. Es scheint bei Ihnen ein einziges Motto zu gelten: Gute Arbeit ist, wenn mein Freund den Auftrag bekommt. - Meine Damen und Herren, den Sumpf legen wir trocken!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Uwe Santjer [SPD]: Das ist unter aller Kanone!)

Vielen Dank, Herr Bode. - Jetzt hat sich für Bündnis 90/Die Grünen Gerald Heere gemeldet. Sie haben das Wort, Herr Heere.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute wird auf Antrag der Opposition ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt. Es hat im Wirtschaftsministerium in zwei Vergabekomplexen fahrlässige Verstöße gegen das Vergaberecht gegeben. Wir Grüne kritisieren diese Verstöße ausdrücklich. Wir erwarten, dass das Vergaberecht und die entsprechenden Regeln der Landeshaushaltsordnung konsequent eingehalten werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Auch wenn es sich hier um wenige Fälle handelt, so hat das betroffene Ministerium für die Akzeptanz des Vergaberechts in Niedersachsen ganz bestimmt eine Vorbildfunktion. Daher müssen die Verstöße schnell aufgeklärt und die richtigen Konsequenzen für die Verfahren gezogen werden.

Herr Minister Lies, ich habe den Eindruck, dass Sie dies erkannt haben und jetzt zügig entsprechende Maßnahmen treffen. Das ist gut so. Wir unterstützen das.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Zuruf von der CDU: Haben Sie das gehört, Herr Mi- nister?)

Zu dieser Aufarbeitung gehören das Rechtsgutachten über die Vergabe der Homepage www.nds.de und die rasche Vorlage von Unterlagen für die Transparenz. Zudem wurden aus den Vergabeverstößen erste Konsequenzen für die Verfahren gezogen, so z. B. der Stopp der Ausschreibung für die Auslandsvertretung in Chicago.

Vor allem richtet das MW jetzt aber eine zentrale Vergabestelle ein und ändert konkret die Abläufe. Dieses Engagement bei der Aufklärung und Neuorganisation halten wir für richtig. Es muss weiter fortgesetzt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Die Opposition beantragt nun einen Untersuchungsausschuss. Das ist Ihr Recht. Aber meinen Sie wirklich, mit diesem Instrument vor Ende der Legislaturperiode noch irgendetwas effektiv aufklären zu können?

(Jörg Bode [FDP]: Ja! - Gegenruf von Uwe Santjer [SPD]: Es gibt doch nichts mehr!)

Frühere Untersuchungsausschüsse haben sich mit dem Jahrhundertskandal in der Asse, mit der persönlichen Vorteilsnahme von Kabinettsmitgliedern, mit dem Celler-Loch-Skandal um den Verfassungsschutz, mit dem Transrapid-Unfall oder mit Kriegswaffenexporten befasst.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Das hat Sinn gemacht!)

Sie hingegen beantragen in dieser Legislaturperiode nun zum zweiten Mal einen Untersuchungsausschuss zu Vorgängen um ehemalige Staatssekretäre. Die Neuigkeit ist, dass es dieses Mal auch um einen Pressesprecher gehen soll. Meinen Glückwunsch zu dieser Prioritätensetzung!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Aber in Wirklichkeit ist Ihr Interesse an der engeren Thematik doch eher gering. Eigentlich versuchen Sie nur, diese Vergabeverstöße lange im Fokus der Öffentlichkeit zu halten und sie möglichst in den Wahlkampf zu ziehen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig! Das ist die einzige Intention!)

Nach den Erfahrungen der Vergangenheit bin ich bei diesem durchschaubaren Versuch aber gelassen. Jetzt wird Transparenz hergestellt. Es werden die notwendigen Konsequenzen gezogen. So wird die Geschichte schon bald enden - mit einem Mehrwert für die Vergabeverfahren. Das ist an dieser Stelle auch das Wichtige.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Sie, meine Herren Schünemann und Bode, geben hier nun die Chefankläger - mit, wie wir heute wieder gehört haben, täglich neuen dubiosen Anschuldigungen. Aber es wird Ihnen nicht gelingen, sich als neutrale Instanz darzustellen - nicht nach Ihren Vorgeschichten.

Herr Schünemann, Sie handeln nicht nach hehren Motiven. Stattdessen fechten Sie hier eine persönliche Fehde aus - u. a., indem Sie den Wissenschaftler Bogumil mit in den Untersuchungsauftrag hineingenommen haben.

Ich zitiere dazu einmal die Braunschweiger Zeitung vom Dienstag dieser Woche:

„Im Streit um die Bezirksregierungen, die die CDU/FDP-Koalition 2005 abschaffte, hatten Jörg Bogumil und Mitarbeiter in Gutachten Kritik an Niedersachsens Sonderweg geübt. Innenminister war seinerzeit Uwe Schünemann (CDU).“

(Helge Limburg [GRÜNE]: Genau so ist es! Ein unerhörter Vorgang ist das! Genau!)