Protokoll der Sitzung vom 20.09.2017

Mit diesem Gesetzentwurf, den wir in der 17. Wahlperiode sehr gründlich beraten haben, kommen wir diesem Ziel ein Stück näher. Die Hindernisse sind kleinteiliger geworden, aber immer noch wirkungsvoll, um Frauen die gleichen Berufs- und Lebenschancen zu verbauen. Daher haben wir eine Reihe von Details verankert. Bei Lichte besehen, ist das Ganze gar nicht verstaubt, sondern sehr lebendig und aktuell für Frauen und für Männer.

Die wichtigen Punkte im Gesetz sind die 50-%Quote, das Gleichstellungscontrolling über die bereits bekannten Gleichstellungspläne und die Nutzung der Behördenhierarchien. Die Vorgesetzten sind nun in der Begründungspflicht, wenn sie die im Gleichstellungsplan angestrebten Quoten nicht erreichen. Niemand kann sich mehr wegducken oder alles den Gleichstellungsbeauftragten überlassen. Wenn die angestrebte Quote nicht erreicht wurde, muss ein Weg benannt werden, durch welche Fortbildungen und andere Maßnahmen die Quote erreicht werden kann. Es muss regelmäßig überprüft werden - Controlling eben, modernes Verwaltungshandeln.

Die neue Landtagsmehrheit wittert hier schon wieder die Benachteiligung von Männern, wie unlängst zu lesen war. Das Argumentationsmuster hatte ich bereits skizziert. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Diesem Gesetzentwurf heute nicht zuzustimmen, bedeutet, sich gegen die Verfassung zu stellen. Denn Gleichstellungspolitik hat Verfassungsrang.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Solange das nicht erreicht ist, ist eine Bevorzugung von Frauen geboten. Das ist höchstrichterlich bestätigt.

Wir haben mit dem Instrument der Frauenförderung und dem Ziel der Gleichstellung von Männern

und Frauen eine Modernisierung des Verwaltungshandelns in Niedersachsen im Blick. Von Gleichstellung profitieren alle: Frauen, Männer, Familien und nicht zuletzt das Land Niedersachsen. Frauen in Führung haben oft einen anderen Blick auf Probleme und Fragestellungen. Männer lernen in Elternzeit ihre Kinder besser kennen und den Wert von Hausarbeit zu schätzen. Verwaltungen müssen in Zukunft Stellen grundsätzlich öffentlich ausschreiben und profitieren von einem größeren Bewerberangebot und auch mehr Frauen unter den Bewerbern.

Diese und andere Punkte haben wir in langen Diskussionen abgewogen, mit Verbänden diskutiert und mit den Landesbehörden durchgerungen. Lange hat es gedauert. Gründlich ist der Gesetzentwurf durchdacht. Er ist reif zur Abstimmung.

Wir lassen es der neuen Mehrheit nicht durchgehen, sich aus einem der wichtigsten Vorhaben dieser Legislaturperiode zur Modernisierung Niedersachsens herauszustehlen und das Gesetz der Diskontinuität zu überantworten.

Es gibt ja neuerdings mindestens eine Befürworterin dieses Gesetzes in der CDU-Fraktion. Jetzt kann sie ihre Überzeugung unter Beweis stellen und den Frauen in Niedersachsen einen letzten großen Dienst erweisen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich beantrage die sofortige namentliche Abstimmung über diesen Entwurf des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Wernstedt. - Jetzt hatte sich Petra Joumaah für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich die Tagesordnung für diesen Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtags gelesen habe und unter TOP 16 „Erste Beratung: Entwurf eines Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG)“, eingebracht von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, fand, war ich doch sehr überrascht. Ich glaube, für meine Kolleginnen und Kollegen in unserer CDU-Fraktion galt das gleiche.

Eine erste Beratung in der letzten Plenarwoche der Wahlperiode fand und finde ich sehr ungewöhnlich -

(Beifall bei der CDU)

wie übrigens auch die taz, die in ihrer gestrigen Ausgabe von einer Beratung berichtet, die im Niemandsland enden wird.

Überrascht war ich auch deshalb, weil von der neuen frauenpolitischen Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Anja Piel,

(Volker Bajus [GRÜNE]: Gute Frau!)

seit dem Wechsel unserer Kollegin Elke Twesten zur CDU-Fraktion kein Wort zum NGG zu hören war, auch nicht in den Sitzungen des Sozialausschusses.

Bei Facebook allerdings stellte Frau Piel die Frage - ich zitiere -: „Ist es wirklich eine Provokation, wenn wir das Gleichstellungsgesetz jetzt noch ins Plenum einbringen?“ Frau Piel beantwortete sich ihre Frage selbst mit Nein, um dann anzumerken, dass es im Parlament dafür eine Mehrheit gebe und wir heute darüber abstimmten.

Meine liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie ahnen es: Dieser Meinung bin ich ganz und gar nicht.

(Beifall bei der CDU)

Vor gerade einmal sieben Tagen ist uns dieser Gesetzentwurf vorgelegt worden als vom GBD vorgelegte Schlussfassung für die Beratungen im Sozialausschuss. Und gerade diese Beratungen werden notwendig sein, um eine abschließende Beschlussfassung herbeiführen zu können. Wir haben in den vergangenen Sitzungen des Sozialausschusses zum Thema NGG häufig vom GBD gehört - ich zitiere -: „Es bestehen verfassungsrechtliche Bedenken des GBD. Das Ministerium teilt sie nicht.“ oder „einige Punkte mit dem Fachministerium noch nicht abgestimmt bzw. noch nicht geklärt“, sodass wir jetzt nicht sagen können: in Ordnung, die Endfassung liegt vor, abstimmen!

Nein, meine Damen und Herren, so geht das nicht. Was ist z. B. mit den kommunalen Spitzenverbänden? - Sie haben, wie wir alle wissen, in der schriftlichen Anhörung massive Bedenken geäußert. Niemand von uns weiß, welche Position sie zu den jetzt vorgenommenen Änderungen vertreten. Da braucht es eine neuerliche Stellungnahme, und zwar in Form einer mündlichen Anhörung, die Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD

und Grünen, bisher bedauerlicherweise immer wieder verweigert haben.

(Beifall bei der CDU - Uwe Schwarz [SPD]: Wir hatten eine Anhörung zum Gesetzentwurf!)

Die Position der CDU zum vorliegenden Entwurf ist klar: Das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft ist noch nicht überall erreicht. Da besteht gewiss in einigen Bereichen Handlungsbedarf. Zum Beispiel ist es ein Skandal, dass noch nicht überall für gleiche Arbeit auch der gleiche Lohn bezahlt wird.

(Zustimmung bei der CDU)

Und natürlich muss die gleichberechtigte Vertretung von Frauen in höheren Positionen bzw. in Führungspositionen unser Ziel sein.

(Maximilian Schmidt [SPD]: Sie ma- chen das Gegenteil!)

Aber das, meine Damen und Herren, werden wir nicht durch ein reines Frauenförderkonzept erreichen, das doch nicht die Strukturen ändert.

(Maximilian Schmidt [SPD]: Was denn dann?)

Und nur durch eine Veränderung der Strukturen werden wir die Geschlechterverhältnisse in den öffentlichen Verwaltungen im Sinne eines GenderMainstreamings neu gestalten können. Da müssen natürlich die Männer, die bisher in den Spitzenpositionen deutlich überrepräsentiert sind, maßgeblich an der Umsetzung eines Konzeptes beteiligt sein.

(Zustimmung von Björn Thümler [CDU] - Maximilian Schmidt [SPD]: Schauen Sie einmal in Ihr Schatten- kabinett!)

Im Jahr 2017 von männlichen Seilschaften zu sprechen, die im Hinterzimmer den beruflichen Aufstieg ihrer Kolleginnen verhindern, Frau Ministerin, ist angesichts der enormen Fortschritte der Gleichberechtigung in den vergangenen Jahrzehnten eine böse Unterstellung.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie entspricht auch nicht der Wahrnehmung tausender Frauen in den öffentlichen Verwaltungen, die nicht nur hervorragend qualifiziert, sondern auch sehr durchsetzungsstark sind.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielleicht hätte die Sozialministerin den Rat ihres Parteifreundes und Lüneburger Oberbürgermeisters Ulrich Mädge befolgen und mit Gleichstellungsbeauftragten und Personalräten sprechen sollen. Dann wäre dieser Entwurf vermutlich gar nicht erst so eingebracht worden.

Meine Damen und Herren, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf - mittlerweile kommt häufig auch die Pflege von Angehörigen dazu - muss für Frauen und Männer sowohl in Teilzeit- als auch in Vollzeitarbeit erleichtert werden. Familienförderung, also die Förderung von Mann und Frau, muss in den Mittelpunkt gestellt werden.

(Beifall bei der CDU)

Was die Gleichstellungsbeauftragten in den Kommunen angeht, werden wir mit den kommunalen Spitzenverbänden sicherlich noch die Frage der Kosten erörtern müssen.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, mir scheint, dass wir alle hier ein gemeinsames Ziel haben, nämlich die Gleichstellung im öffentlichen Dienst voranzubringen - insbesondere in Führungspositionen - und ferner die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im öffentlichen Dienst so zu gestalten, dass Frauen und Männer eine Vollzeitarbeit problemlos ermöglicht wird. Über den Weg zu diesem Ziel herrscht zwischen uns teilweise Einigkeit. Aber in vielen, vielen Bereichen sehe ich auch deutlich unterschiedliche Betrachtungsweisen. Ob wir diese Unterschiede überbrücken können, wird die Zukunft zeigen. Dem so vorliegenden Gesetzentwurf kann und will die CDU nicht zustimmen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Joumaah. - Es hat sich Sylvia Bruns für die FDP-Fraktion gemeldet. Frau Bruns, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man ein bisschen zurückschaut, stellt man fest: Es ist noch gar nicht so lange her, dass Frauen nicht wählen oder allein Arbeitsverträge abschließen durften. Das traf sogar noch meine Mutter. Das war in den 70er-Jahren ohne die Erlaubnis des Mannes nicht möglich. Ganz aktuell - das ging ja auch über YouTube -: Vergewaltigung in der Ehe wird erst seit noch nicht

allzu langer Zeit geahndet. Unsere Rechte sind schwer erkämpft worden. Dafür muss man denjenigen Frauen danken, die sich in die erste Reihe gestellt und für uns das erkämpft haben, was wir jetzt haben.

(Zustimmung bei der FDP)