Protokoll der Sitzung vom 09.03.2016

Ich stelle fest: Zu meiner Amtszeit ist eine umfassende Antiradikalisierungskampagne erarbeitet worden. Dabei ging es insbesondere darum, gerade auch die Schulen zu sensibilisieren, damit man darauf reagieren kann, wenn es irgendwelche Hinweise gibt.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das hat ja wohl überhaupt nicht geklappt! - Zuru- fe von der SPD)

Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Gerade dies ist von der Landesregierung, die jetzt im Amt ist, abgeschafft worden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Mein Nachfolger wollte mir eben erklären, warum wir nicht rechtzeitig gehandelt haben. Das weise ich insofern ganz genauso zurück.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Schünemann, Sie kennen den Text des § 76: Persönliche Bemerkungen.

(Jörg Bode [FDP]: Ja!)

Bitte schön, machen Sie weiter!

(Heiterkeit bei der CDU)

- Meine Damen und Herren, ich werde von meinen Beisitzern darauf hingewiesen, dass die persönliche Erklärung hier zu weit geht.

(Zuruf von der SPD: Ja!)

- Nein. Ich halte sie jetzt für angebracht, weil er persönlich betroffen war.

Deswegen denken Sie noch einmal darüber nach und sagen es jetzt im Sinne des § 76. Bitte schön!

(Zuruf von der SPD: Das kann doch nicht wahr sein!)

Genau das mache ich.

Mir ist hier auch vorgeworfen worden, dass zu meiner Amtszeit sogenannte Moscheekontrollen durchgeführt worden sind. Ich weise darauf hin, dass keine Moscheekontrollen zu meiner Amtszeit eingerichtet bzw. durchgeführt worden sind. Das, was notwendig gewesen ist, als ich im Jahr 2003 ins Amt gekommen bin, war anderthalb Jahre nach 09/11. Ich habe die Sicherheitsbehörden vom Verfassungsschutz und auch vom Staatsschutz gefragt, welche Erkenntnisse vorliegen. Ich musste feststellen, dass wir kaum Quellen in diesem Zusammenhang hatten. Deshalb war es notwendig, dass Kontrollstellen eingerichtet wurden, u. a. auch in der Nähe von Moscheen.

(Zuruf von den Grünen: Nicht nur in der Nähe! Das hat zu nichts geführt!)

Das ist in der Nähe von Moscheen gewesen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Sie haben alle Besucher der Freitagsge- bete kontrollieren lassen! - Gegenruf von Björn Thümler [CDU]: Das ist die Unwahrheit! Herr Bachmann redet Unsinn! - Weitere Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, es hat mich betroffen gemacht, dass Sie wieder darstellen, dass es Moscheekontrollen waren. Denn das ist nicht richtig gewesen. Deshalb ist es richtig, dass man es hier auch darstellt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von den GRÜNEN: Unglaublich, was hier passiert!)

Meine Damen und Herren, deshalb ein letzter Satz in diesem Zusammenhang: Die Gerichtsverfahren, die jetzt in Wolfsburg stattgefunden haben, zeigen, dass gerade wieder ein politisches Klima durch die Landesregierung hergestellt worden ist, dass wieder keine Erkenntnisse vorliegen. Das ist etwas, was mich persönlich betroffen macht.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von den GRÜNEN)

Herr Kollege Onay, Sie wollten an Herrn Schünemann eine Frage stellen. Jetzt ist er schon zum Platz gegangen.

(Jörg Bode [FDP]: Das geht aber nicht!)

Das ist ohnehin erledigt. Das ist geklärt. In einer persönlichen Bemerkung ist das nicht möglich.

Jetzt sind wir am Ende dieses Punktes c in der Aktuellen Stunde angelangt.

Ich rufe jetzt auf den Punkt

d) Kompromisslos gegen Rechts - unsere Demokratie bleibt wehrhaft - Antrag Fraktion der SPD - Drs. 17/5319

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Kollege Michael Höntsch. Bitte schön!

Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die letzten Tage und Wochen haben deutlich gemacht, dass es in unserem Land eine deutlich spürbare Unzufriedenheit mit der sogenannten etablierten Politik gibt. Gemeint sind wir im Übrigen alle, und zwar ausnahmslos. Darum ist es auch eine vordringliche Aufgabe, dass wir uns nach Möglichkeit alle mit großer Ernsthaftigkeit diesem Thema widmen.

Ich möchte Sie heute um diese Ernsthaftigkeit bitten. Die Menschen sehen unsere Plenardebatten. Es gibt Schulklassen, es gibt Kurse. Sie verfolgen den Livestream und erleben, wie gestern nicht einmal ein Ministerpräsident in diesem Parlament sprechen kann, ohne dass permanent dazwischengerufen wird.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Der ist auch nicht mehr als alle anderen!)

Das ist Demokratie zum Abgewöhnen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dirk Altwig schreibt heute in der NP:

„Aber auch noch zwei Tage nach den Wahlerfolgen der rechten AfD in Hessen steckt die Landespolitik im albernen Spiel von Regierung gegen Opposition fest. Merkt im Landtag noch jemand, wie wenig das mit den Problemen zu tun hat, die dieses Land gerade hat?“

Ich bin dafür, dass er nicht recht behält.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

„Tauschen wir die Politiker aus, bevor sie das deutsche Volk austauschen!“ - das hing am Freitag hier an einer Säule im Landtag. Diesen Aufkleber fand ich hier. Das mag für manche lustig klingen. Die Verfasser meinen das aber ernst.

Ich muss heute nicht erneut über Anschläge sprechen. Es sind neue dazu gekommen. Auch gab es erneut NPD- und andere Aufmärsche. Im Internet - wir haben das später noch auf der Tagesordnung - wird weiter gehetzt und auch zum Mord an Asylbewerbern aufgerufen.

Ich stimme unserem Ministerpräsidenten ausdrücklich zu, wenn er, wie gestern, davon spricht, dass das geplante NPD-Verbot nie offenkundig notwendiger war als genau jetzt und heute.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Und noch eines wird deutlich: Die rechte Propaganda von Nazis, Pegida und auch AfD leistet einen ganz entscheidenden Beitrag zum zunehmenden Klima der Gewalt gegen Flüchtlinge und Andersdenkende. Die Kommunalwahl in Hessen konnte nur diejenigen wirklich erschrecken, die die Augen in den vergangenen Monaten fest zugemacht hatten.

Ein Ergebnis ist auch offenkundig: Dort, wo die besorgen Bürgerinnen und Bürger nicht AfD wählen konnten, haben sie ebenfalls zweistellig NPD gewählt.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Oder DVU!)

Der AfD ist gelungen, was der NPD nie gelang - der Einbruch in das bürgerliche Lager. Ein Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz, der Oberstleutnant ist, seit Sonntag ein Ratsherr in Wiesbaden, der stellvertretender Personalratsvorsitzender beim BKA ist, und in Niedersachsen führt diese Partei ein ehemaliger Medienmann vom NDR.

Dennoch zerfließen die Übergänge zu den Neonazis inhaltlich auch hier. Der kommende Sonntag wird vermutlich - wir hoffen es alle nicht - ein Fanal. Nur zeigen uns kluge Analysten, dass es nichts nutzt, wenn wir den Anhängern dieser Rechts-Entwicklung vorwerfen, rechts zu sein. Es ist egal. Es bewirkt kein Umdenken. Sie fühlen sich als Opfer und bauen an der Wagenburg. Wir alle müssen argumentativ in die kommenden Debatten überzeugen, gerade auch in den bevorstehenden Auseinandersetzungen zur Kommunalwahl.

Den Hardcore-Neonazi werden wir nicht überzeugen. Ich hoffe sehr darauf, dass das Bundesverfassungsgericht die NPD bald aus dem Verkehr zieht und den Nazis die materielle Basis nimmt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)