Protokoll der Sitzung vom 09.03.2016

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, sodass ich die Beratung schließen und zur Ausschussüberweisung kommen kann.

Federführend soll der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen sein. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Damit haben Sie so beschlossen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung: Budget für Arbeit im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention weiterentwickeln - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/5284

Zur Einbringung erteile ich Herrn Kollegen Ansmann von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahre 2008 wurde auch das Recht behinderter Menschen auf Arbeit auf der Grundlage der Gleichberechtigung mit anderen festgeschrieben. In Artikel 27 spricht die Konvention zudem die staatliche Pflicht aus, durch geeignete Schritte die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit in einem offenen, einbeziehenden und zugänglichen Arbeitsmarkt zu sichern und zu fördern.

Nicht nur deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir große Veranlassung, die Integration behinderter Menschen in die allgemeine Arbeitswelt zu unterstützen. Menschen mit Behinderung sind am geeigneten Arbeitsplatz zuverlässige und motivierte Mitarbeiter. Sie machen zumeist einen tollen Job und sind mit ihrer besonderen Lebenserfahrung eine Bereicherung für jeden Betrieb. Liebe Kolleginnen und Kollegen, behinderte Menschen haben es verdient, dass wir uns für ihren Einsatz und für ihre Rechte in einem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzen.

(Zustimmung bei der SPD)

Besondere Verdienste bei der Beschäftigung von behinderten Menschen in Niedersachsen haben die Werkstätten für behinderte Menschen.

(Unruhe)

Einen Moment bitte, Herr Kollege! - Es ist doch ein wenig laut geworden. Ich bitte, die Beratungen links, in der Mitte, rechts und vor allen Dingen hinten auf den Stehplätzen einzustellen.

Besondere Verdienste bei der Beschäftigung von behinderten Menschen in Niedersachsen haben die Werkstätten für behinderte Menschen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Hiervon konnte sich der Sozialausschuss des Landtages in einem Gespräch mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten am 11. Februar dieses Jahres vor Ort, in einer Werkstatt in Seelze, wieder einmal überzeugen. Die Werkstätten qualifizieren Menschen unabhängig von Art und Schwere ihrer Behinderung. Sie vermitteln Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Verwirklichung beruflicher Ziele und engagieren sich für das Schaffen der notwendigen Voraussetzungen zur Vermittlung anerkannter und anschlussfähiger Teilqualifikationen.

So wurden in den letzten Jahren 27 Qualifizierungsbausteine im Sinne des Berufsbildungsgesetzes mit Bezug zu Ausbildungsberufen in Bereichen wie Holz und Metall, Hauswirtschaft, Lager und Logistik erarbeitet und von den zuständigen Kammern zertifiziert.

Die Werkstätten bieten zudem arbeitsmarktnahe Arbeitsplätze, z. B. in Kantinen oder Wäschereien, an und sorgen somit dafür, dass behinderte Menschen mit dem Arbeitsmarkt in Berührung kommen. Gute Erfahrungen haben die Werkstätten darüber hinaus mit ausgelagerten Arbeitsplätzen in eigenen oder in Betrieben der privaten Wirtschaft gemacht. Das Ziel ist dabei, wo immer möglich, die Perspektive einer Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Dieses Ziel wollen wir mit unserem Antrag unterstützen und fördern. Die behinderten Menschen haben es verdient.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Seit dem Jahre 2008 können Menschen mit Behinderung in Niedersachsen mithilfe eines Budgets für Arbeit auf einen Arbeitsplatz des ersten Arbeitsmarktes eingegliedert werden. Das Budget für Arbeit ist eine Eingliederungshilfe des überörtlichen Sozialhilfeträgers im Rahmen des persönlichen Budgets. Hiermit kann ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit bis zu 70 % des Arbeitgeberbruttoentgeltes gefördert werden, und auch eine arbeitspädagogische Betreuung oder Assistenz kann als begrenzte Sachleistung zur Verfügung gestellt werden.

Trotz aller Bemühungen stagniert allerdings die Anzahl der Budgetnehmerinnen und -nehmer in Niedersachsen bei 80 bis 90 Personen. Das ist ein Zustand, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem wir nicht zufrieden sein können. Das müssen wir verändern.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Dr. Max Matthiesen [CDU])

Wir wollen daher das Budget für Arbeit weiter ausbauen und dafür werben. Wir wollen dazu ermutigen, dass sich mehr Menschen aus den Werkstätten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bewerben. Wir wollen Sozialhilfeträger, Arbeitgeber und Beschäftigte aus den Werkstätten intensiver auf dem Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt begleiten und die Zusammenarbeit mit den Jobcentern und den Integrationsdiensten verbessern.

Deshalb soll in einem Modellversuch angestrebt werden, die Zahl der genutzten Budgets für Arbeit nachhaltig zu erhöhen. Wie im Modellversuch in Hamburg sollen dabei weitere Leistungen an den Arbeitgeber, z. B. durch Ersparnisse bei der Ausgleichsabgabe, geprüft werden. Zudem muss ge

genüber den Budgetnehmerinnen und Budgetnehmern stärker darauf hingewiesen werden, dass nach einer Beendigung des individuellen Budgets für Arbeit eine Rückkehr in die Werkstatt für behinderte Menschen grundsätzlich möglich ist.

Das Ziel, das Budget für Arbeit in Niedersachsen weiterzuentwickeln, verfolgt auch der Antrag der CDU-Fraktion „Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen verbessern“ vom Anfang dieses Monats. Der Antrag ist zwischenzeitlich direkt dem Sozialausschuss überwiesen worden.

Beide Anträge - das ist mir wichtig - bieten eine gute Grundlage dafür, die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen in Niedersachsen zu stärken. Die geplante Aufnahme des Budgets für Arbeit in das Bundesteilhabegesetz stärkt zudem unsere Initiativen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Somit haben wir wieder einmal gute Voraussetzungen für einen gemeinsamen Antrag im Sozialausschuss. Das gilt natürlich nicht nur für die genannten Fraktionen, sondern für alle Fraktionen. Ein gemeinsamer Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre ein gutes Signal gegenüber den behinderten Menschen in Niedersachsen und der guten Arbeit der Verantwortlichen in den Werkstätten für Behinderte.

Vor diesem Hintergrund sehen wir den Beratungen im Sozialausschuss mit Freude entgegen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Kollege Ansmann. - Für die CDU-Fraktion hat nun Frau Kollegin Pieper das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Ansmann, vielen Dank für die einführenden Worte zu Ihrem Antrag. Unser Antrag ist ja bereits im Fachausschuss. Ich kann sagen: Das, was Sie ausgeführt haben, können wir zum größten Teil genau so übernehmen.

Für uns ist wichtig, dass die UN-Behindertenrechtskonvention bindend ist und umgesetzt werden muss. Deswegen haben wir schon 2008 mit der damaligen schwarz-gelben Landesregierung in

Niedersachsen die Möglichkeit für Menschen mit Behinderungen geschaffen, am Arbeitsleben teilzuhaben. Das sogenannte Budget für Arbeit ist damals eingeführt worden. Seitdem haben zwischen 80 und 100 Menschen niedersachsenweit den Weg in das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis gefunden.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, das war ein wichtiger, ein guter erster Schritt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Doch die Zahl sagt uns auch: Es sind noch zu wenige Menschen, die diese Möglichkeit für sich in Anspruch nehmen.

(Johanne Modder [SPD]: Stimmt!)

Wir alle wissen, dass anerkannte Werkstätten für Menschen mit Behinderungen ausgezeichnete Arbeit leisten.

(Beifall)

Gerade sie haben sich in den letzten Jahren verstärkt dafür eingesetzt, durch das Budget für Arbeit und durch den Erwerb von Teilqualifikationen die Chance behinderter Menschen auf Vermittlung in Arbeit zu erhöhen. So konnten - das hat der Kollege Ansmann schon ausgeführt - bisher 27 Qualifizierungsbausteine im Sinne der Berufsausbildungsvorbereitung erarbeitet werden - in den Bereichen Holz, Metall, Gartenbau, Logistik, Wäscherei usw. -, die von den zuständigen Kammern zertifiziert wurden.

Uns muss es darum gehen, dass den Menschen mit Behinderungen der Weg in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gelingt.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Denn durch den Erwerb von Teilqualifikationen haben sie bereits bewiesen, dass sie in der Lage sind, ihre Kompetenzen in die Praxis umzusetzen.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, die seit zweieinhalb Jahren stattfindende Evaluation zwischen dem Sozialministerium und der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen in Niedersachsen zeigt deutlich: Das Budget für Arbeit mit all seinen Facetten und Möglichkeit kommt - das sage ich jetzt einmal ein bisschen flapsig - nicht richtig in die Gänge.

Insofern geht der vorliegende Antrag von SPD und Grünen in die richtige Richtung. Im Ziel sind wir uns grundsätzlich einig. Denn die Umsetzung

muss dringend betrieben werden. Doch in den Punkten 1 bis 3, die sie anführen, gehen sie unserer Meinung nach nicht weit genug. Ich werde dazu gleich kurz ausführen.

Bei dem Besuch des Sozialausschusses in der Werkstatt für behinderte Menschen in Seelze am 11. Februar hat ein gutes Gespräch mit Vertretern der Landesarbeitsgemeinschaft stattgefunden. Sie haben uns vor Augen geführt, was im Rahmen der Evaluation verändert werden muss, um Abhilfe zu schaffen.

Die Menschen mit Behinderungen und auch die Betriebe, die bereit sind, Menschen mit Behinderungen als Arbeitskräfte einzustellen, benötigen Unterstützungsmechanismen. Das Eckpunktepapier der LAG zeigt dies detailliert auf.

Erstens. Das Budget für Arbeit muss einfacher strukturiert werden. Es muss also Bürokratie abgebaut und Verwaltung verschlankt werden. Ich kann aus der Praxis sagen: Oftmals scheitert es schon daran. - In Ihrem Antrag ist das noch nicht ausreichend berücksichtigt.