Protokoll der Sitzung vom 19.04.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich bin schon ein bisschen länger in diesem Ausschuss und stelle fest: Dieses Thema hat uns fast über die gesamte letzte Legislaturperiode beschäftigt. Es war eine Riesenaufgabe, die unterschiedlichen Vorstellungen der beteiligten Verbände und Institutionen zusammenzubringen.

Was die Ausgangslage anbetrifft, gingen wir davon aus, dass wir bereits 8,6 % der Waldfläche in Nie

dersachsen der natürlichen Waldentwicklung überlassen haben. Um das gesteckte Ziel zu erreichen, fehlen uns also noch 1,4 % unserer Waldfläche.

Es hat ein umfangreicher und intensiver Abstimmungsprozess stattgefunden, um das Ziel von 10 % zu erreichen. An diesem Prozess haben die Niedersächsischen Landesforsten, das BMU, das Umweltministerium, das Finanzministerium, der NLWKN, die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt und der Forstbeirat teilgenommen. Darüber hinaus wurden im Rahmen einer Bürgerbeteiligung Anregungen von Bürgerinnen und Bürgern betroffener Kommunen, von den Nutzungsverbänden und der Holzwirtschaft in den Entscheidungsprozess einbezogen. Das kann, glaube ich, auch die FDP bestätigen. Dieser Entscheidungsprozess hatte ein Ergebnis, das, wie ich meine, ökologische und ökonomische Belange und auch die Nachhaltigkeit berücksichtigt.

So ist der Prozess zustande gekommen. Ich habe mich auch noch einmal bei den Beteiligten erkundigt. Denn ich war der Meinung, dass wir nicht etwas zustimmen sollten, mit dem gerade die wichtigsten Beteiligten nicht einverstanden sind. Ich habe immer die Rückmeldung bekommen: Das, was ihr da gemacht habt, ist in Ordnung!

(Beifall bei der SPD)

Nun kommt ein Antrag der FDP-Fraktion mit sieben neuen Forderungen. Die Forderungen unter den Nrn. 1 bis 6 möchte ich jetzt nicht verlesen. Ihr habt das ja gerade gemacht. Die sind eigentlich mit dem, was geschehen ist, erledigt. Mit der Forderung unter der Nr. 7 kommt dann aber der Hammer. Da fordern Sie nämlich, dass die im Jahr 2017 beschlossenen Stilllegungsflächen - das sind nämlich genau die Flächen, auf die sich dieser Entscheidungsprozesses bezogen hat - zurückgenommen und wieder der Nutzung zugeführt werden.

Damit haben wir natürlich wieder nicht das Ziel erreicht. Mit der Erfüllung dieser Forderung würde der Abstimmungsprozess komplett verworfen und gegenüber allen an der Entscheidung Beteiligten ein Misstrauen zum Ausdruck gebracht. Ich glaube, dass wäre nicht gut. Das werden wir natürlich nicht mitmachen.

(Beifall bei der SPD)

In der Begründung Ihres Antrages haben Sie sich der Clusterstudie Forst und Holz Niedersachsen bedient. Dort haben Sie schön abgeschrieben. Gleichwohl muss ich sagen: Auch dieser Studie

kann ich nirgendwo entnehmen, dass Ihre Forderungen, insbesondere die Forderung unter Nr. 7, alles wieder zurückzudrehen, bestätigt werden und dass Ihre Grundhaltung dort bestätigt wird.

In diesem Zusammenhang weise ich auch auf unseren Koalitionsvertrag hin. SPD und CDU werden über einen Kabinettsbeschluss zur natürlichen Waldentwicklung in Niedersachsen hinaus keine weiteren Flächenstellungen innerhalb und außerhalb der Landesforsten initiieren. Das ist eine klare Aussage in diesem Koalitionsvertrag. Wir bleiben bei dem, was hier beschlossen wurde. Ich glaube, das ist auch gut so.

Das Thema der natürlichen Waldentwicklung hat uns, wie gesagt, bereits mehrere Jahre beschäftigt. Jetzt stellt sich mir die Frage: Sollen wir wirklich in eine neue Runde gehen und diesen Antrag in den Ausschuss überweisen? - Wenn Sie das gerne möchten - Sie haben ja immer noch die Möglichkeit, ihn zurückzuziehen -, dann würde ich mich natürlich auf die Diskussion dort freuen. Ich bin gerne bereit, dabei mitzumachen. Ich kann mir aber um Gottes willen nicht vorstellen, dass wir Ihrem Antrag zustimmen werden.

Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Hausmann. Entfernen Sie sich nicht zu weit vom Redepult; denn wir haben eine Kurzintervention des Kollegen Hermann Grupe von der FDP-Fraktion zu Ihrem Verfahrensvorschlag.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Lieber Kollege Hausmann, man soll seine Vorstellungen ja nicht zu eng begrenzen. Wer weiß, was kommt! - Ich habe Ihnen doch vorgetragen: Wenn man alle Flächen - gerade diejenigen, die ohnehin nicht für die Produktion geeignet sind, die aber ökologisch teilweise äußerst wertvoll sind - zusammenzählen würde, würde man feststellen, dass wir deutlich einen über den Durst genommen haben, nämlich 36 700 ha statt 32 100 ha.

Wir müssen uns im Ausschuss noch einmal genauer angucken, wie geeignet die Flächen sind. Das ist unser Ziel. Es geht nicht darum, die 10-%Grenze zu unterschreiten. Wir müssen aber auch nicht darüber gehen. Es geht doch im Interesse aller beteiligten Betriebe und Menschen um eine nachhaltige Holznutzung. Den nachwachsenden

Rohstoff Holz brauchen wir doch. Wir reden doch immer davon, dass wir nachwachsende Rohstoffe nutzen wollen. Wir sollten uns das im Ausschuss akribisch angucken.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Grupe. - Sie möchten noch erwidern.

Herr Grupe, es ist immer ein Problem, wenn auf der anderen Seite jemand sitzt, der schon die ganze Zeit den Prozess mit begleitet hat.

Zum einen haben wir die Flächen, die Sie angesprochen haben, zum größten Teil einbezogen. Natürlich werden wir nicht eine Fläche von 10 m² einbeziehen; denn das bringt ja keine Nachhaltigkeit.

Gerade mit Holz haben wir einen nachwachsenden Rohstoff. Man muss sich einmal die Entwicklung der letzten Jahrzehnte ansehen. Wenn wir von Holzernte sprechen, geht es nicht darum, dass wir heute säen und ein Jahr später ernten. Die Bäume, die vor 80 oder 90 Jahren gepflanzt worden sind, können wir heute ernten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat es bekanntlich einen Raubbau gegeben. Danach sind diese Gebiete wieder aufgeforstet worden. Insofern werden wir in Zukunft wieder erhebliche Mengen an Holz für die Forstwirtschaft und diesen Bereich haben. Daher brauchen wir keine Angst zu haben, dass wir mit diesen 10 % die Holzernte gefährden, also dass wir zu wenig haben. Wir haben im Moment genug.

Sie wissen genauso gut wie ich, dass erheblich mehr Holz nachwächst, als im Moment geschlagen wird. Da können wir also noch ein bisschen drauflegen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Hausmann. - Für die CDUFraktion liegt eine Wortmeldung von Herrn Uwe Dorendorf vor. Bitte schön!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich komme aus dem schönen Landkreis Lüchow-Dannenberg. Die Göhrde vor meiner Haustür ist eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete in Niedersachsen.

Als Jäger habe ich eine ganz besondere Beziehung zum Wald. Er bietet einerseits Raum zur Erholung und zum Zurückziehen, auch ist er ein Ort von Artenvielfalt bzw. Biodiversität. Andererseits spielt der Wald auch eine wichtige Rolle für unsere heimische Holzwirtschaft. Unsere Bäume werden in Häusern verbaut und auch zu Papier verarbeitet.

Wir als Land Niedersachsen müssen also den Spagat zwischen dem Schutz unseres Waldes und guten Bedingungen für unsere Holzwirtschaft und den ihr folgenden Wirtschaftszweigen schaffen.

1992 - das wurde schon erwähnt - wurde die Grundlage für die Bewältigung dieses Spagats geschaffen. Die Bundesregierung hat sich in Rio de Janeiro verpflichtet, bis 2020 5 % der Waldflächen für eine natürliche Entwicklung bereitzustellen. In Niedersachsen sollen bis 2020 10 % der NLW-Flächen einer natürlichen Entwicklung übergeben werden. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Der Spagat ist fast gelungen und wird bis 2020 ganz gelingen. Ich hoffe, dass diese Erkenntnis, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, auch bei der FDP-Fraktion angekommen ist.

Sie fordern - ich zitiere - als Bemessungsgrundlage für die stillzulegende Waldfläche, die Holzbodenfläche des Landeswaldes zu definieren. Aber genau das ist doch längst passiert! Unsere Waldfläche ist definiert. Diese Diskussion sollte nicht von Neuem beginnen; denn genau hier stellen die anrechenbaren Flächen einen Knackpunkt dar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen ungerne zu nahe treten, aber unter Nr. 5 Ihres Antrags fordern Sie weitere Flächen des Landeswaldes, die nicht nutzbar, aus naturschutzfachlicher Sicht aber wertvoll sind, als Stilllegungsflächen für das NWE-Konzept zu berücksichtigen. Genau das ist doch passiert! Wir haben gerade schon über einige Bereiche diskutiert.

Wir sollten nicht vergessen, dass 10 % des Landeswaldes nur etwa 3 % des gesamten Waldes in Niedersachsen entsprechen. Das bedeutet: Wenn wir die im Jahr 2017 zusätzlich beschlossenen

Stilllegungsflächen wieder aus dem NWE-Konzept ausschließen, sind wir vom 5-%-Ziel wieder ganz weit weg. Das wurde gerade schon von meinem Kollegen erwähnt. Wir sollten uns also darauf konzentrieren, den Dialog mit der Holzwirtschaft zu wahren und deren Sorgen in die Debatte aufzunehmen. Vor Ort sollten wir mit Kommunen und Verbänden sprechen. Zum Teil ist das schon geschehen.

Die bis 2015 gesicherten Flächen haben bereits 8,6 % der NLW-Flächen betragen. Beim Lückenschluss auf 10 % wurden im Rahmen einer Bürgerbeteiligung auch Ideen der Naturschutzverbände mit eingebaut. Ganz besonders war das im Großgebiet Süntel mit 1 302 ha der Fall.

Wichtig ist natürlich, dass die naturbelassenen Flächen zukünftig auch überwacht werden. Leider hat dieser Punkt keinen Eingang in den Antrag der FDP-Fraktion gefunden. Dabei ist ein gutes Monitoring von großer Bedeutung. Denn wir müssen auch wissen, ob wir das, was wir mit diesen Maßnahmen erreichen wollen, tatsächlich erreichen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wie ich eingangs schon betonte, sind wir in Niedersachsen auf unseren Wald angewiesen. Ich freue mich auf gute Beratungen im Fachausschuss - das ist meine erste Beratung zu diesem Thema - und auch auf die Anhörung mit der Geschäftsführung der Anstalt Niedersächsische Landesforsten, mit dem NLWKN, mit Umweltverbänden und mit Bürgerbeteiligung.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Danke schön.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Dorendorf. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht die Kollegin Frau Miriam Staudte. Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Als ich diesen Antrag in die Hand genommen und gesehen habe, dass zum ersten Mal in dieser Wahlperiode im Landtag über ein Wald- und Forstthema debattiert werden soll, habe ich mich darauf gefreut.

Allerdings muss ich mich meinen beiden Vorrednern anschließen: Inhaltlich können wir den Antrag nicht mittragen. Er ist tatsächlich überholt, und

auch mit den Zielsetzungen haben wir deutliche Probleme.

Die Überschrift des Antrages lautet: „Nachhaltige und standortnahe Holzproduktion im Landeswald sichern - Flächenkulisse für natürliche Waldentwicklung realistisch darstellen“. Ein zum Inhalt passender Titel wäre hingegen: Maximale Holzproduktion im Landeswald sichern - Naturwaldfläche wieder reduzieren.

Denn mit Ihrem Rechenbeispiel - das wurde von Herrn Hausmann gerade schon dargestellt - versuchen Sie, die Bezugsgröße für die 10 % Naturwald, die wir im Landeswald ausweisen sollen, zu reduzieren. Sie nehmen nur die Holzbodenfläche als Bezugsgröße. Lichtungen, Wege- und Wasserflächen werden also herausgerechnet. Dann müsste Niedersachsen natürlich nicht mehr so viel Fläche ausweisen.

Das ist natürlich ein absoluter Rückschritt. Es geht hier um die Umsetzung einer internationalen Konvention für mehr Artenschutz, die wir mit unterschrieben haben. Ihr Antrag, diese Flächen zu reduzieren, ist aus der Sicht des Artenschutzes wirklich kontraproduktiv.