Protokoll der Sitzung vom 19.04.2018

Gewalt, Mord, Krieg und Ausgrenzung beginnen als Idee, als Haltung, lange bevor der erste Mensch misshandelt oder ermordet wird. Die Reichserntedankfeste waren sehr kleine Schritte von vielen, die noch folgen würden; Schritte hin zur blanken Gewalt und zur entfesselten Gewalt. Der Bückeberg ist heute ein Ort, der uns daran erinnert, auf unsere Schritte zu achten, Schritte, die wieder zu Gewalt führen können, wenn wir nicht darauf achtgeben. Darum ist dieser Gedenkort so wichtig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich weiß, dass der Gedenkort Bückeberg nicht unumstritten ist. Lassen Sie mich hierzu zwei Dinge sagen:

Erstens. Es geht nicht darum, jemanden zu verurteilen. Die Auseinandersetzung mit dieser Geschichte ist schmerzhaft, ja. Aber sie gibt uns etwas für die Zukunft auf. Ich wünsche mir, dass sich die Skeptiker vor Ort, die vielleicht fürchten, eigene Verwandte auf diesen Schautafeln zu finden, darüber klar sind: Während des Nationalsozialismus haben die allermeisten Menschen in Deutschland moralisch oder menschlich versagt. Es sind nur sehr wenige aufgestanden. Wir alle müssen uns deshalb damit befassen, weil es uns alle betrifft und weil wir es in Zukunft verhindern müssen.

Zweitens. So gut ich verstehe, dass Einzelnen in der Region nicht wohl ist angesichts der Aufmerksamkeit, die ihr Ort gerade erfährt - ein Gedenkort Bückeberg hat nichts zu tun mit Regionalgeschichte. Er ist ein Stück deutscher, ein Stück niedersächsischer und erst dann ein Stück Emmerthaler Geschichte. Darum halte ich auch eine Bürgerbefragung vor Ort für das falsche Mittel. Die Bedeutung solcher Orte wird weit über die Landesgrenzen hinaus wahrgenommen.

Und, meine Damen und Herren: Wenn ich für etwas überhaupt kein Verständnis habe, dann ist das das Rumgeeiere der CDU in dieser Frage. Die CDU hat sich im Kreistag immerhin eindeutig positioniert und gemeinsam mit der AfD gegen das Projekt gestimmt. Frau Otte-Kinast hingegen hat es schlicht vermieden, Stellung zu beziehen. - Frau Otte-Kinast, als Kreistagsabgeordnete können Sie das gern machen; da steht Ihnen nichts im Wege. Als Kreistagsabgeordnete müssen Sie nicht zu allem eine Meinung haben. Sie sind aber auch Ministerin. Als solche tragen Sie Verantwortung für alle Niedersachsen und müssen Ihren Rücken gerade machen und Haltung zeigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sind als Landwirtschaftsministerin gleich zweifach zuständig. Die Flächen, um die es geht, gehören uns allen. Sie gehören dem Land Niedersachsen; verwaltet aber werden sie vom Landwirtschaftsministerium. Auch wenn das Wort „Erntedank“ von den Nazis missbraucht wurde wie so ziemlich alles, was sie zwischen die Finger bekamen, geht es auch um die Rolle der Bedeutung der Landwirtschaft während des Nationalsozialismus. Beweisen Sie also Haltung! Dieses Projekt braucht die Unterstützung der Landesregierung; denn ihr gehören die Flächen, und sie muss die Finanzierung gemeinsam mit dem Bund tragen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich bitte darum, in den folgenden Beratungen diese Rolle Niedersachsens mit Ernst anzugehen. Ich bitte um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag, nicht unseretwegen - wir geben im Prinzip nur weiter, was uns der Kreistag in Hameln aufgegeben hat -, sondern um des Gedenkens willen, des Gedenkens daran, wie Gewalt an Menschen vorbereitet wird, und daran, dass wir eine gemeinsame Verantwortung haben, sie zu verhindern.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Danke, Frau Kollegin Piel. - Für die FDP hat sich der Kollege Försterling gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Nordhang des Bückebergs in Emmerthal wurde im Jahr 1933 von den Nationalsozialisten für das Reichserntedankfest ausgewählt. Der Grund dafür war u. a. die in der NS-Ideologie als urgermanisch bezeichnete Erde der Region. Und der Blick vom Gelände auf die Weser als dem deutschesten aller Flüsse war ein weiteres Argument für die Ortswahl. Zwischen 1933 und 1937 fand jedes Jahr am ersten Sonntag nach dem 29. September das Reichserntedankfest auf dem Gelände statt. Neben dem Reichsparteitag in Nürnberg und den Feierlichkeiten zum 1. Mai handelte es sich um die größte Massenveranstaltung des NS-Regimes.

Der Zweck war in erster Linie das Einschwören des Landvolkes und der Bauernschaft auf die Linie

der Nationalsozialisten im Sinne einer sogenannten Blut- und Bodenideologie. Die Teilnehmerzahlen waren tatsächlich erschreckend groß, wuchsen von anfangs 500 000 Menschen auf 1,3 Millionen Menschen bei der Veranstaltung 1937. Im Mittelpunkt stand dann auch immer wieder eine Prozession, die Hitler in den Mittelpunkt stellte. Das Ganze wurde von Hameln aus zelebriert und fand dann am Bückeberg seinen „krönenden Abschluss“.

Jetzt wird vor Ort schon seit Jahren über die Frage diskutiert: Wie geht man mit diesem Gelände eigentlich um? - Ich finde, allein vor dem Hintergrund der Historie, die die Kollegin Piel und ich gerade skizziert haben, kann man nicht zu der Auffassung gelangen und sagen: Da passiert nichts. Der Bückeberg soll einfach so brach liegen und nach Möglichkeit in Vergessenheit geraten. Das tut er nämlich nicht. Das tut er auch bei denjenigen nicht, die immer noch an die damals verbreitete Ideologie glauben. Die Frage ist: Kann man mit der Errichtung eines Gedenkortes nicht auch den Bückeberg davor schützen, von rechten Ideologen missbraucht zu werden?

(Beifall bei der FDP)

Ich finde, es ist unsere Aufgabe auch als Niedersächsischer Landtag, uns dazu zu verhalten. Wenn man sich vor Augen führt, dass es damals darum ging, Massen zu bewegen, Massen zu beeinflussen, dann will ich das aufgreifen, was die Kollegin Piel gesagt hat: Der Hass beginnt in den Köpfen. - Deswegen dürfen wir Gedenkstätten nicht nur dort in den Blick nehmen, wo es tatsächlich Opfer gegeben hat, sondern wir müssen auch die Stätten in den Blick nehmen, wo der Hass im wahrsten Sinne des Wortes gesät worden ist.

Gerade in diesen Zeiten ist es notwendig, dass wir uns als Niedersächsischer Landtag klar bekennen und sagen: Ja, auch dort muss ein Gedenkort - wie auch immer - mit den Menschen vor Ort gemeinsam entwickelt werden. Aber das Gedenken ist wichtig, weil es für manche Menschen eine Aufforderung sein könnte, tatsächlich einmal nachzudenken. Und das Nachdenken kann dann wirklich Hass verhindern. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Försterling. - Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Watermann. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegin Piel und der Kollege Försterling haben etwas zur Geschichte des Bückebergs gesagt. Das will ich hier nicht wiederholen. Aber ich will Aspekte aufgreifen, die ich bei diesem Thema als sehr wichtig empfinde.

Wir in Deutschland haben eine Geschichte, die uns das Naziregime beschert hat. Zu unserer Geschichte gehört auch, dass wir vor der Wiedervereinigung eine Diktatur in der DDR hatten. Die Stasigeschichte gehört aufgearbeitet. Zur Aufarbeitung der Stasigeschichte haben wir in einem der letzten Plenarabschnitte einen weisen und richtigen Beschluss gefasst. Wir haben dabei nicht die Frage, ob es Geld kosten darf oder nicht, diskutiert - wie sie leider bei uns im Kreistag diskutiert worden ist -, sondern wir haben gesagt: Ja, es muss etwas getan werden.

Warum muss etwas getan werden? - Viele der Zeitzeugen, sowohl aus der Zeit der Stasi als auch gerade aus der Zeit des Dritten Reiches, sind nicht mehr da. Was müssen wir in Europa beobachten? Wir müssen in Europa und in der Welt beobachten, dass Diktaturen nicht nur dadurch entstehen, dass geputscht wird, sondern wir müssen entdecken, dass Diktaturen entstehen, weil Wählerinnen und Wähler verführt werden und Diktatoren wählen.

Das ist auch in unserer Geschichte ein sehr wichtiger Bestandteil gewesen. Wer sich die Geschichte des Bückebergs - Sozialdemokraten und Andersdenkende sind weggesperrt worden, wenn diese Veranstaltungen stattfanden - genauer anguckt, weiß, dass wir jetzt auch wieder Situationen in Deutschland haben, in denen uns Populisten verführen wollen.

Diese Demokratie, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist geprägt davon, dass wir auf den Pfeilern des Grundgesetzes und unserer Gesetzgebung stehen. Dieses sind unsere Richtwerte. Sie sind deshalb so wichtig, weil wir innerhalb dieser Richtwerte auch politische Toleranz und die Akzeptanz von anderen Meinungen dulden können.

Wir haben auch die Situation, dass sich viele außerhalb dieser Richtwerte bewegen. Denen müssen wir ganz klar begegnen, weil sie unsere Demokratie abschaffen wollen. Deshalb ist ein solcher Gedenkort auch für Schülerinnen und Schüler, für viele, die fest davon überzeugt sind, dass diese Demokratie einfach so da ist, ganz wichtig. Denn sie ist eben nicht einfach so da. Es gibt Men

schen, die einen Millimeter davorstehen, die Grenze zu überschreiten, und wir haben Menschen, die schon meilenweit dahinter stehen und trotzdem demokratisch gewählt worden sind.

Der Staat muss dort wehrhaft sein. Er muss deutlich zeigen, dass Menschen, die nicht auf den Fundamenten unseres Grundgesetzes stehen, nicht toleriert und vor allen Dingen auch nicht akzeptiert werden.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der FDP)

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht es darum, dass wir aufzeigen und die benennen, die uns verführen wollen - weg von der Demokratie hin zu diktatorischen Zuständen -, dass wir ihnen klipp und klar sagen, wo ihre Grenze ist. Dafür ist es wichtig, zu wissen, was in unserer Geschichte geschehen ist und was im Moment auch - man muss nur hinschauen - bei uns in Europa in Ungarn, in der Türkei und in vielen anderen Ländern geschieht, wo z. B. die Pressefreiheit infrage gestellt wird.

Erinnern wir uns an den Wortbeitrag, als es hier um das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem ging! Damit war man meilenweit hinter der Grenze unserer demokratischen Verfassung. Das muss uns eine Lehre sein.

Deshalb ist es wichtig, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir einen solchen Gedenkort haben, dass wir ihn auch aktiv darstellen und dass wir jungen Menschen die Chance geben, sich mit unserer Geschichte auseinanderzusetzen. Das ist genauso wichtig wie die Aufarbeitung der Stasivergangenheit und vieles andere. Demokratie, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf nicht daran scheitern, dass wir nicht genug Geld haben.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Watermann. - Für die AfDFraktion hat sich der Kollege Christopher Emden gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist unser aller Aufgabe, alles in unserer Kraft Stehende zu tun, damit sich ein Schreckensregime

wie der Nationalsozialismus niemals wiederholen wird. Dazu gehört auch eine Erinnerungskultur, die Gedenkstätten und Bildungsstätten umfasst. Gedenkstätten helfen, sich der Unfassbarkeit des nationalsozialistischen Verbrechens besonders intensiv zu nähern und die ansonsten häufig im Abstrakten verbleibende Geschichte spürbar zu machen. Ich habe da selbst meine Erfahrungen gesammelt. Ich weiß noch wie heute, als ich als Schüler im Alter von 16 Jahren das erste Mal in einem ehemaligen KZ war und es besichtigt habe. Das lässt einen eigentlich nicht mehr los, wenn man sich das einmal genauer angeguckt hat.

Die historische Bedeutung des Bückebergs - das klang eben schon an - ist vor allem mit den ersten Jahren des nationalsozialistischen Regimes verbunden, da nämlich damals das Reichserntedankfest dort veranstaltet wurde. Im Zusammenhang mit dem Bückeberg steht also die Befassung mit Propaganda - auch das klang schon an - und der Gleichschaltung im NS-Regime im Vordergrund, was sich in Massenaufmärschen wie beim Reichserntedankfest am Bückeberg versinnbildlicht hat. Der Bückeberg hätte deshalb auch ein tauglicher Dokumentations- und Lernort sein können - in welcher konkreten Ausgestaltung das dann auch immer der Fall sein sollte. Doch inzwischen kann der Bückeberg das nicht mehr sein.

Das haben die Protagonisten dieses Projektes, der Landrat aus Hameln und der Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, schlicht vertan. Beim Vorantreiben dieses Projektes sind vor allem diese beiden Herren in unerträglichem Maß rücksichtlos und gefühllos mit den Bürgern der Gemeinde Emmerthal sowie auch sonstigen Kritikern dieses Projektes umgegangen. Sie torpedierten eine demokratische Meinungsfindung und versuchten, Kritiker des Projekts, egal welcher politischen Couleur, mit rechtsextremen Bezeichnungen zu brandmarken. So hat es die Jury unter dem Vorsitz des Landrates in Hameln nicht für nötig befunden, die Bürger Emmerthals in die Entscheidungsfindung über die Ausgestaltung des Projektes einzubinden. Mehr noch: Als die Mehrheit der Samtgemeinderatsmitglieder die Durchführung einer Bürgerbefragung beschlossen hat, schuf der Landrat vollendete Tatsachen, um eben genau diese basisdemokratische und damit gebotene Meinungsbildung zu verhindern.

Herr Kollege, entschuldigen Sie bitte. Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hamburg?

Im Anschluss, bitte.

Dann ist es keine Zwischenfrage mehr, aber die Entscheidung ist klar.

Wir können uns sicherlich gleich noch in der Diskussion darüber austauschen.

Der Kritik hinsichtlich der Projektkosten begegnete der Landrat auf einer Veranstaltung, bei der auch ich zugegen war, mit dem lapidaren Hinweis: Bei Projekten der Erinnerungskultur dürfe man nicht auf die Kosten schauen. - Genau das haben wir eben auch von Herrn Watermann gehört.

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrter Herr Watermann, ist Ihnen eigentlich bewusst, dass das nicht Ihr Vermögen ist, über das Sie da befinden, sondern im Endeffekt das Vermögen der Bürger, die insofern auch in ein solches Projekt einzubinden sind?

(Beifall bei der AfD)

Und die Kosten sind beträchtlich. 2016 wurden 29 000 Euro bewilligt, 2017 wurden 24 000 Euro bewilligt, 2018 beteiligt sich der Landkreis mit einer Stammeinlage von 24 000 an der gemeinnützigen GmbH, die jetzt gegründet werden soll. Hinzu sollen Zuzahlungen in das Gesellschaftsvermögen von 225 000 Euro für bauliche Anlagen und von 45 000 Euro für deren Unterhaltung kommen. Dazu kommen noch ein Geschäftsführergehalt und für weitere Personalausgaben ab dann jährlich 87 500 Euro.

Wer das kritisiert, der ist nicht unbedingt rechtsradikal. Den als rechtsradikal zu stigmatisieren, ist eine Unverschämtheit. Und es ist auch eine Unverschämtheit, diejenigen als rechts oder rechtsradikal zu stigmatisieren, die lediglich ihre Sorge darüber äußern, dass der Bückeberg ein Pilgerort für Rechtsextreme werden könnte.

Die Chancen auf einen Ort der Erinnerung und des Erlebens von Demokratie ist durch dieses Verhalten der Protagonisten des Projektes vertan worden. Diese Chance ist quasi niedergebrannt worden. Unter diesen Umständen würde sich auch das Land verbrennen, würde es dieses Projekt noch weiter finanziell unterstützen.