Protokoll der Sitzung vom 17.05.2018

- Sie haben es ja so gewollt.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Ehbrecht, ganz so war es nicht. Trotz aller Bemühungen und trotz unserer Freude darüber, dass wir nun doch möglicherweise zueinanderkommen, möchte ich etwas gegen die Legendenbildung tun.

Wir haben einen Entschließungsantrag eingebracht, und im Zuge der Überweisung in den Fachausschuss haben wir alle Fraktionen angeschrieben und darum gebeten, dass wir gemeinsam schauen, ob eine gemeinsam getragene Beschlussempfehlung möglich ist. Darauf kam von SPD und CDU keine Reaktion - über den gesamten Zeitraum nicht. Im Ausschuss wurde dann gesagt, man hätte lieber eine Resolution als einen Entschließungsantrag. Auf unsere Frage hin - Herr Bode kann das bestätigen -, wo denn der Vorschlag für eine Resolution sei, wurde gesagt: Ihr Grüne müsst erst euren Antrag zurückziehen.

Ich fand das alles ein bisschen merkwürdig und befremdlich und habe gedacht: Gut, probieren kann man es ja mal - ob es funktioniert, ist eine andere Sache.

Ich bin froh, dass wir jetzt gemeinsam etwas auf den Weg bringen wollen. Das erwarten im Übrigen auch viele Verbände und Initiativen in Niedersachsen. Es gibt entsprechende Pressemitteilungen der evangelischen Landeskirche, der katholischen Friedensinitiativen und von „Brot für die Welt“ zu unserem Antrag. Der Flüchtlingsrat, den ich an dieser Stelle zitieren möchte, hat ganz eindeutig gesagt: „Fluchtursachenbekämpfung fängt bei Rheinmetall an.“

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Eine Replik ist nicht gewünscht. - Ich darf jetzt für die Fraktion der AfD Herrn Wichmann aufrufen. Bitte!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss Ihnen erst mal ein Lob aussprechen: So viel geistige Flexibilität habe ich in meinem Leben selten erlebt: Noch gestern waren Sie sich völlig einig darin, dass Themen, die im Bund anzusiedeln sind, nicht hierher gehören.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Da muss man unterscheiden!)

- Genau, da muss man unterscheiden: Wenn Sie etwas einbringen, ist das natürlich okay; wenn wir es machen, ist es nicht okay.

(Beifall bei der AfD)

Hier kann man wirklich noch was lernen!

Aber nun zum Thema. Als ich den Begriff „Fluchtursachenbekämpfung“ im Antrag der Fraktion der Grünen las, habe ich mich aufrichtig gefreut. Ja, dachte ich so bei mir, lasst uns doch mal endlich über die Ursachen dieser weltweiten Wanderungsströme diskutieren! Und dann musste ich lesen, dass es nach den Grünen u. a. deshalb zur weltweiten Flucht kommt, weil eine Tochterfirma der Firma Rheinmetall aus Unterlüß Munition in Krisengebiete geliefert hat. Da, meine Damen und Herren, war ich dann doch leicht ernüchtert. Ich bin weiß Gott kein Freund illegaler Waffenexporte - wirklich nicht. Aber wenn behauptet wird, dass die

Handlungen der Tochterfirma von Rheinmetall eine maßgebliche Fluchtursache seien, frage ich mich schon, ob hier noch alle Schaltungen intakt sind.

Meine Damen und Herren, wissen Sie eigentlich, welche Tatsache im Jahr 2015 zur Masseneinwanderung nach Deutschland geführt hat? - Es war nicht, wie Sie es immer so gerne darstellen, der Bürgerkrieg in Syrien, so schrecklich der auch war. Denn zu diesem Zeitpunkt war ein großer Teil der Menschen bereits geflohen und lebte in Flüchtlingscamps im Grenzgebiet von Syrien, die vom UNHCR betreut wurden. Der UNHCR hat die Geflüchteten versorgt: mit Wasser, mit Nahrung, mit Schulunterricht, mit Bekleidung, medizinisch und nicht zuletzt mit einem Taschengeld.

Und dann kam das Jahr 2015, meine Damen und Herren. Da hat der UNHCR gesagt: Wir brauchen dringend 5 Milliarden US-Dollar, weil wir diese Flüchtlinge ansonsten nicht mehr versorgen können, und wenn wir das nicht mehr machen können, dann werden diese Menschen die Flüchtlingslager verlassen und nach Europa ziehen. - Das hat der UNHCR damals klipp und klar jedem gesagt, der es hören wollte. Und das habe ich mir nicht ausgedacht, sondern das können Sie in der Ihnen wohlgesonnenen Presse nachlesen: Frankfurter Rundschau vom 29. September 2015.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Wo leben Sie eigentlich?)

Wissen Sie, wie groß der Anteil Deutschlands an diesen Kosten für den UNHCR damals war? - Es waren mal 301 Millionen US-Dollar zugesagt. Dieser Betrag wurde aber noch auf 143 Millionen USDollar reduziert. Das hat mit dazu geführt, dass die Lebensmittelversorgung der Geflüchteten auf 40 % reduziert werden musste - weil kein Geld mehr da war.

(Beifall bei der AfD)

Und daraufhin haben sich diese Menschen in Bewegung gesetzt. Aber anstatt durch eine vernünftige Finanzierung dafür zu sorgen, dass diese Menschen wieder zurück in die Nähe ihrer Heimat kommen, haben Sie gerufen: Kommt doch alle her! Wir versorgen euch - natürlich!

Und genau deswegen hat sich dann eine ganze Menge anderer Menschen auf den Weg gemacht: aus Schwarzafrika, aus dem Nahen und Mittleren Osten, aus Nordafrika, aus Albanien, aus dem Kosovo, aus Serbien und Montenegro - in der Mehrzahl übrigens Länder, in denen überraschenderweise kein Krieg herrschte.

Die größte Fluchtursache, meine Damen und Herren, haben Sie selbst gesetzt, indem Sie gerufen haben und bis heute rufen: Kommt alle her!

(Beifall bei der AfD)

5 Milliarden US-Dollar hätte der UNHCR 2015 gebraucht. Der Tagesspiegel ging übrigens Anfang 2017 davon aus, dass alleine Deutschland für die Aufnahme der Menschen hier gut 21 Milliarden Euro ausgeben wird, und zwar allein für das Jahr 2017. Einem Haushälter kommen bei so etwas die Tränen.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, nur um das noch einmal klarzumachen: Exporte von Rüstungsgütern in Krisenregionen lehne ich nachdrücklich ab. Aber für mindestens genauso bedenklich halte ich es, wenn Sie mit solchen Anträgen den Menschen Sand in die Augen streuen, anstatt auch nur ein einziges Mal selbstkritisch zu hinterfragen, was man eigentlich getan hat, als eine Wanderungswelle epischen Ausmaßes losgetreten wurde, und wie man das in Zukunft verhindern kann.

Erklären Sie ein solches Staatsversagen mal den Menschen, die mit ihrer Hände Arbeit die Steuermittel erwirtschaften, die Sie hier so sinnlos verprassen!

(Beifall bei der AfD)

Erklären Sie mal denen, denen wir sagen müssen: „Sorry, für euch ist jetzt kein Geld da“, warum sie für Ihre schlechte Politik verzichten sollen! Und erklären Sie mal den zukünftigen Generationen unseres Volkes, warum Sie dauerhaft deren Chancen mindern, um die Chancen der gesamten restlichen Welt zu verbessern!

Aber weil Sie das nicht tun, sondern stattdessen den Menschen immer und immer wieder nur Sand in die Augen streuen, werden wir zwar der Ausschussüberweisung zustimmen, aber Ihren Antrag letztlich ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Wichmann. Herr Wichmann, ich will eines sagen: Wir wissen ja grundsätzlich, welche Formulierungen unparlamentarisch sind. Deshalb ist der Redner gelegentlich geneigt, sozusagen eine Umwegformulierung zu suchen. Es macht es aber nicht besser, wenn dann

die Rede davon ist, dass man sich frage, ob hier Schaltungen intakt seien. Ich gehe davon aus, dass hier alle Schaltungen intakt sind und dass es andere Wege gibt, eine Meinung zum Ausdruck zu bringen. Ich bitte einfach um Zurückhaltung, auch bei solchen Formulierungen.

Jetzt ist Herr Bode, FDP-Fraktion, dran.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst freue ich mich, dass der Appell, den ich gestern bei dem Antrag „Keine Waffenlieferungen an die Türkei“ ausgesprochen habe, offenbar gefruchtet hat und alle noch einmal in sich gegangen sind, um bei diesem Antrag zu überlegen, wie man zu einer gemeinsamen Position kommt.

(Zuruf von Ulrich Watermann [SPD])

- Bitte, Herr Watermann?

(Zuruf von den GRÜNEN: Er freut sich auch!)

Wir würden es jedenfalls sehr begrüßen, wenn es zu einem einheitlichen Votum kommt. Das Thema ist sehr ernst, und wir diskutieren es ja schon seit dem ersten Versuch einer gemeinsamen Resolution. Von dem Tag an hat sich die Situation, die durch die massiven Völkerrechts- und Menschenrechtsverstöße des Erdogan-Regimes im Norden von Syrien ausgelöst wurden, weiter verschlimmert. Bis heute ist es dort nicht zu einer Besserung gekommen.

Die Position der Bundesrepublik Deutschland ist in dieser Frage auch eher etwas beschämend. Ich nehme jedenfalls zur Kenntnis, dass hier kein klares Wort gesprochen wird und man einen NATOPartner, einen EU-Beitrittskandidaten so unverschämt agieren lässt. Von daher bedarf es vielleicht einer Bodenbewegung aus den Ländern, um hier ein deutliches Signal zu setzen. Ich würde mich freuen, wenn der Landtag dies im nächsten Plenum auch wirklich tun würde.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Ul- rich Watermann [SPD])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Text, den die Grünen als ersten Entwurf eingebracht haben, war für uns wegen einiger Formulierungen nicht zustimmungsfähig und man hätte ihn überarbeiten müssen. Das hatte ich schon bei der ersten Einbringung dieses Antrags gesagt.

Inzwischen gibt es einen zweiten Vorschlag der Grünen. Der ist aus unserer Sicht im ersten Teil, also in dem beschreibenden Teil, vollkommen okay und kann tatsächlich eine gute Grundlage sein. Ich weiß auch, dass einige meiner Formulierungen dem einen oder anderen zu weit gehen und man statt „Erdogan-Regime“ vielleicht eine etwas dezentere Formulierung wählen könnte, aber ich denke, da werden wir zueinander kommen.

Mir ist wichtig, dass wir bei einer derartigen Beschlussfassung die Aufgabenstellungen nicht verschieben. Die Firma Rheinmetall, die, wie schon mehrfach erwähnt wurde, ihren Sitz in Niedersachsen hat, bzw. ihre Tochterfirmen handeln nach dem in den jeweiligen Ländern geltenden Recht. In diesem Zusammenhang ist es schon erstaunlich, dass wir in Deutschland für Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete gewisse Regularien haben, während andere europäische Länder das anders handhaben, dass also solche Geschäfte aus der Europäischen Union heraus mit unterschiedlichen Wertemaßstäben gemacht werden können. Deshalb müssen wir dort tatsächlich zu einer Änderung kommen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Es ist aus meiner Sicht allerdings nicht unsere Aufgabe, die Firma aufzufordern, anders zu handeln. Vielmehr muss es uns als Politik darum gehen, das Regelwerk so anzupassen, dass wir einen europaweit einheitlichen Wertekonsens in der Frage bekommen, wie wir mit Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebieten umgehen. Man muss ja auch sehen, dass die Waffensystembranche sehr stark europäisch verschmilzt. Es gibt europäische Konzerne, es gibt europäische Bündnisse etc. Das ist alles nicht mehr nationalstaatlich, und deshalb müssen wir hier den europäischen Fokus in den Vordergrund stellen.

Wir haben das heute schon bei der Frage „USA, Trump und Iran“ diskutiert. Die Europäische Union hat in dieser Frage einen Schulterschluss erreicht, was wir alle sehr begrüßen. Es wäre schön, wenn das bei dem wichtigen Thema Waffenexporte in Kriegs- und Krisengebiete auch gelänge und wir ein gemeinsames Wertegerüst auch für zukünftige EU- und NATO-Partner entwickeln könnten. Denn ein Regime, das das Menschen- und Völkerrecht in Syrien mit Füßen tritt, hat in der EU nichts zu suchen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der AfD)