Genau deswegen sagen wir: Wir müssen die Versorgungssituation in der ambulanten Pflege auch regional in Niedersachsen feststellen. Warum verweigern Sie sich denn dagegen, zu sagen: „Wir wollen nicht mehr mit den Zahlen von 2015 weiterarbeiten, sondern wir wollen die aktuellen Zahlen erheben, und wir wollen ein objektives Bild über die Pflegesituation in Niedersachsen.“? Ich sage Ihnen eines: Dann wird nämlich herauskommen, dass es regional einen Pflegenotstand in Niedersachsen gibt.
Warum wollen wir das denn erreichen? - Weil es dann nämlich auf die Landesregierung ankommen wird, nicht das zu machen, was Sie in Ihrem Antrag fordern - mal hier ein bisschen nach Berlin zu schimpfen, und mal dort ein bisschen auf Berlin zu schimpfen. Nein, dann ist die Landesregierung gefordert, ihre aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten wahrzunehmen und durchzusetzen, dass eben die Refinanzierung in der ambulanten Pflege erhöht wird. Nur darum wird es gehen.
Wir müssen die Refinanzierung erhöhen. Auf diesen Weg müssen Sie sich machen, und da ist die Sozialministerin in der Verantwortung.
Ich erwarte eigentlich, dass im Laufe der Beratungen dann tatsächlich auch von Ihnen gesagt wird - Sie haben den Punkt ja dankenswerterweise in Ihrem Antrag genannt -, dass die Sozialministerin ihrer aufsichtsrechtlichen Verantwortung nachkommen soll. Man kann ja schon vermuten, dass auch die Fraktionen von SPD und CDU erkannt haben, dass sie das gerade nicht hinreichend tut.
Wir erwarten, dass wir gemeinsam einen Weg finden, wie wir die Refinanzierung in der ambulanten Pflege sicherstellen können. Es geht nicht darum, wer am Ende recht hat, ob es einen Pflegenotstand gibt oder nicht. Es geht darum, dass wir immer „ambulant vor stationär“ wollen. Wir wollen einfach erreichen, dass Betroffene, die einen Pflegedienst für ihre Angehörigen brauchen, den auch in Niedersachsen finden. Das muss unser aller Ziel sein.
Danke vielmals, Kollege Försterling. - Jetzt erhält die AfD-Fraktion das Wort. Es spricht Herr Stephan Bothe.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 72 % der 87 repräsentativen ambulanten Dienste in Niedersachsen haben im Jahr 2016 nach einer Umfrage der Träger rote Zahlen geschrieben, berichtete jüngst die ÄrzteZeitung. Dies bedeutet, drei von vier Diensten wirtschaften im finanziellen Minusbereich. Hieran tragen die Pflegekassen nicht wenig Schuld, da sie die Arbeit der Pflegedienste gerade im Wegebereich nicht kostendeckend vergüten.
Daher kann es auch nicht verwundern, dass die Pflegedienste auf die Barrikaden gingen und ihren Forderungen vehement Nachdruck verliehen haben, indem sie mit dem vollständigen Rückzug aus der ambulanten Pflege gedroht haben. Doch die Katastrophe, die landesweit 16 000 Pflegebedürftige und 5 000 Pflegekräfte betroffen hätte, konnte kurz vor Ostern im letzten Moment abgewendet werden.
Aber den Preis für die Erhöhungen zahlen in diesem unzureichenden Pflegesystem, das wir derzeit haben, die Pflegebedürftigen und niemand anders. Denn aufgrund der Pauschalen der Pflegekassen erhalten Alte und Kranke momentan einfach weniger Leistungen. Meine Damen und Herren, es sind dann wieder einmal die Pflegebedürftigen, die den Preis für Preis- und Qualitätserhöhungen bezahlen, ohne selbst mehr Geld vom Staat zu erhalten. Und dies kann in einem Sozialstaat wie Deutschland nicht sein.
Wenn wir über die niedersächsische Pflege sprechen, dann müssen wir natürlich auch über die zahlreichen grundsätzlichen Probleme, die wir haben, sprechen. Da der Fisch bekanntlich vom Kopf her anfängt zu stinken, wende ich mich hier auch an Sie, Frau Ministerin.
Denn die Aufgabe dieser Landesregierung, vor allem Ihres Ressorts, wäre es eigentlich, Problembereiche zu erkennen, zu benennen und letztlich zu verbessern. Zur Bekämpfung von Not und Missständen, die allenthalben zutage treten, braucht man Erkenntnisse. Doch ein Blick auf meine Kleine Anfrage zum Thema „Versorgungssicherheit in Niedersachsen“ genügt, um zu erkennen, dass die SPD-Sozialministerin gerade keinerlei Erkenntnisse parat hat. Das wurde schon angesprochen.
So konnte die Landesregierung auf die Frage, ob hier Informationen oder Zahlen zum aktuell in Niedersachsen fehlenden Pflegepersonal vorliegen, nur antworten, dass sie darüber keine Erkenntnisse hat. Zur Frage, ob es Wartelisten in ambulanten und stationären Diensten gebe, lautete die Antwort: keine Erkenntnisse. Genauso auf die Frage bezüglich der Anzahl fehlender Pflegekräfte war die Beantwortung wieder: keine Erkenntnisse. Auch darüber, wie sich die Auslastung in den Heimen gestaltet, kam nur die hilflose Antwort von Ihnen und Ihrem Ministerium, Frau Ministerin, dass der Landesregierung über die Anzahl fehlender Pflegeplätze keine Daten vorliegen.
Vielleicht sollten wir einmal einen Antrag stellen, Ihr Ministerium einfach in das „Ministerium ohne Erkenntnisse“ umzubenennen.
Doch die Lage ist zu ernst, um diese mit Spott zu nehmen. Meine Damen und Herren, es ist einfach ein riesiger Skandal, was diese Landesregierung und diese Sozialministerin hier fabrizieren. Es wird mit hehren Worten sowohl in Sonntagsreden als auch in Pflegeheimen - da sind Sie ja auch öfter zu Gast - davon gesprochen, den Pflegenotstand zu bekämpfen. Wenn man jedoch nicht imstande ist, leicht zu erhebende Zahlen zu den Daten zu beschaffen, Daten, die dringend notwendig wären, um sich überhaupt einen Überblick über den Pflegenotstand in Niedersachsen zu machen, dann lässt das doch einen ratlos zurück.
Welchen Notstand bekämpfen Sie denn, Frau Ministerin, wenn Sie keine Zahlen darüber haben und keine Fakten kennen? Diese Frage müssen Sie beantworten.
Kommen wir zum GroKo-Antrag! Jetzt soll es wieder der Tarifvertrag Soziales richten. Davon mal abgesehen, dass Sie damit in der Vergangenheit - das wurde schon angesprochen - schon gescheitert sind, wird eine Sache dabei vergessen.
Es gibt einen herausragenden Tarifvertrag in Niedersachsen für Pflegekräfte, und das ist der TVöD-K. Ich kann nur daran appellieren, dass man sich an diesem auch weiter orientiert und man versucht, diesen in die Fläche als Tarifvertrag umzusetzen.
Aber es wird keinen Tarifvertrag geben, solange die Pflegesätze so sind, wie sie sind. Es kann nicht funktionieren, solange - - -
Ein letzter Satz: Einen Tarifvertrag wird es solange nicht geben, solange die Pflegekassen die Pflegegrade mit Pauschalen finanzieren. Hier gilt es für
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin JanssenKucz, lieber Kollege Försterling! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP und von den Grünen! Ich wollte eines deutlich machen. Ich glaube, es bringt überhaupt nichts, wenn wir uns hier wechselseitig Untätigkeit und Verschulden vorwerfen. Sie beide wissen übrigens, dass das nicht stimmt. Solange ich denken kann, hat sich eigentlich jede Regierungskonstellation bemüht, die Situation in der Pflege, soweit das landesmäßig überhaupt geht, zu verbessern. Das gilt für die jetzige Regierung genauso, wie es für die andere Regierung gegolten hat, meine Damen und Herren.
Richtig ist, dass die Ausgangslage der gegenwärtigen Debatte die aktuelle Situation gewesen ist, dass sich mal wieder die Verhandlungen zwischen den Leistungserbringern und den Pflegekassen hingezogen haben. Insbesondere - und auch das nicht zum ersten Mal - war der entscheidende Knackpunkt die Vergütung in den Anfahrtszeiten, also die sogenannte Wegepauschale, die vor allem im ländlichen Bereich absolut nicht kostendeckend ist; da gibt es zwischen uns überhaupt keinen Dissens.
Im Übrigen: Nur in diesem Bereich, und zwar ausschließlich in diesem Bereich, haben die Pflegekassen überhaupt einen Ermessensspielraum, nämlich dann, wenn es einen sachlich nachweisbaren Grund für eine höhere Vergütung gibt. Das ergibt sich aus § 89 SGB XI, meine Damen und Herren. Dieser Nachweis wird durch die Pflegedienste übrigens regelmäßig erbracht und ist leicht nachprüfbar.
Ich finde, die Situation in der Pflege ist wirklich so ernst, dass diese wiederkehrenden Spielereien im
Rahmen der Budgetverhandlungen, die auf dem Rücken von wehrlosen Pflegebedürftigen durchgeführt werden, auch für mich und für meine Fraktion völlig inakzeptabel sind.
Ich erwarte - daraus mache ich auch keinen Hehl - bei diesem Thema von den Pflegekassen zukünftig eine deutlich höhere Sensibilität.
Meine Damen und Herren, ich bin im Übrigen wirklich froh und dankbar - auch das ist nicht dahingeredet -, dass dieser Konflikt ohne rechtliche Möglichkeiten, aber durch das persönliche Eingreifen und die Vermittlung von Carola Reimann recht schnell gelöst werden konnte. Dafür, Frau Ministerin, gebührt Ihnen wirklich einmal unser Dank an dieser Stelle.
Es ist bekannt: Ich gehöre zu denen, die überhaupt nicht abgeneigt sind, aufsichtsrechtliche Mittel einzusetzen. Das habe ich in den vergangenen Jahren gefordert, das fordere ich auch zukünftig, und das finden Sie auch in unserem Entschließungsantrag.
Aber die Wahrheit ist auch: In der aktuellen Auseinandersetzung gab es keinerlei Raum für aufsichtsrechtliche Mittel.
Erstens. Wir kennen die Zahlen zur Genüge. Wir haben keinen Erkenntnismangel. Darin waren wir uns bisher auch alle einig.
Zweitens. Die aktuellen Basiszahlen finden wir regelmäßig fortgeschrieben im jeweils gültigen Landespflegebericht.