Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass wir heute über dieses Thema sprechen. Denn die Hebammenausbildung bildet eine wichtige Grundlage dafür, wie die Nachgeborenen auf die Welt kommen werden.
Außerdem gibt mir das die Gelegenheit, deutlich zu machen, dass ich einer Akademisierung der Hebammenausbildung nicht im Wege stehe, wie es von Einzelnen behauptet wird - ganz im Gegenteil. Sie werden es gleich hören.
Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die Freiheit der Wahl des Geburtsortes sowie eine flächendeckende Versorgung mit Gesundheitsleistungen vor und während der Schwangerschaft sowie nach der Geburt gewährleistet sein müssen.
Die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung haben Anspruch auf Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft gemäß §§ 24 c bis 24 f SGB V. Die konkrete Ausgestaltung der Versorgung mit Hebammenhilfe wird über den Vertrag gemäß § 134 a SGB V geregelt.
(Helge Limburg [GRÜNE]: Sie waren auch mal Parlamentarischer Ge- schäftsführer; Sie wissen, wie das ist! - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist nicht so leicht!)
Derzeit sind die absoluten Zahlen der Hebammen und Entbindungspfleger insgesamt mit 2 133 Hebammen im Jahr 2011 und 2 206 Hebammen im Jahr 2016, insbesondere im Bereich der Beleghebammen und der im Krankenhaus fest angestellten Hebammen - 2011: 811 Hebammen; 2016: 845 Hebammen -, noch konstant.
Im Bereich der ambulant tätigen Hebammen, und hier insbesondere bei den freiberuflichen Hebammen, die auch in der Geburtshilfe tätig sind, ist ein Rückgang bereits sehr deutlich festzustellen. Die Anzahl betrug im Jahr 2016 nur noch 104 Hebammen gegenüber dem Vorjahr 2015; hier waren noch 126 freiberufliche Hebammen auch in der Geburtshilfe tätig.
Mit dem erwartbaren Ausscheiden der sogenannten Babyboomer-Jahrgänge aus dem Erwerbsleben werden überproportional viele der heute noch tätigen Hebammen ebenfalls nicht länger für die Geburtshilfe zur Verfügung stehen.
Vor diesem Hintergrund tagt seit Oktober 2018 der Runde Tisch „Hebammenversorgung in Niedersachsen“ im Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung mit Beteiligung des Kultusministeriums, des Wissenschaftsministeriums, der Kommunen, der Verbände der Hebammen und der Hebammenwissenschaft, der Fachschulen, der gesetzlichen Krankenkassen, der Krankenhausgesellschaft sowie der Hochschule Osnabrück mit dem Ziel, die Attraktivität des Hebammenberufs für potenzielle Nachwuchskräfte und die Zahl der Absolventinnen deutlich zu erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, soll die grundständige Akademisierung zeitnah ermöglicht werden.
Wir werden in Zukunft nach dem Willen des Bundesgesetzgebers ausschließlich einen akademischen Ausbildungsweg für Hebammen haben, wobei „Hebammen“ tatsächlich der einzige Begriff sein wird. Der Begriff „Entbindungspfleger“ wird künftig entfallen. Dabei werden zugleich die Kompetenzanforderungen erheblich steigen.
Vor diesem Hintergrund und der daraus entstehenden Rechtsverpflichtung müssen wir Vorsorge treffen, um auch zukünftig den Fachkräftebedarf in diesem so wichtigen Bereich decken zu können.
gend Hebammen für die Geburtshilfe zu finden, ist ebenfalls kein Geheimnis. Dies müssen wir bei unseren Planungen berücksichtigen. Insbesondere bei der Planung des Übergangs von den Berufsfachschulen in die Hochschulen müssen wir darauf achten, dass es dort nicht zu einem harten Abbruch kommt.
Zu Frage 1: Die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen fragen, warum wir nur 140 statt der benötigten 190 Studienplätze schaffen wollen. Meine Damen und Herren, im Folgenden leite ich her, wie wir auf diese Zahlen kommen, die keinesfalls Zufallsprodukte sind.
In den letzten Jahren haben in Niedersachsen an allen Berufsfachschulen im Mittel etwa 70 Hebammenschülerinnen pro Jahr - in seltenen Fällen auch Entbindungspfleger - ihre Schulausbildung begonnen. In den letzten ein bis zwei Jahren wurden die Fachschulplätze noch einmal aufgestockt, sodass nun ca. 100 bis 120 Schülerinnen pro Jahr ihre Ausbildung begonnen haben. Wenn wir also von Anfängerkapazitäten sprechen, müssten wir zur Abbildung des Status quo etwa 100 bis 120 Studienanfängerplätze schaffen.
Wie ist die derzeitige Situation an den Hochschulen? - Derzeit bietet von den Hochschulen in staatlicher Verantwortung die Hochschule Osnabrück einen Studiengang „Midwifery“ an. Dieser Studiengang hat eine Kapazität von 45 Anfängerplätzen pro Jahr. Daneben haben wir ein grundständiges Angebot an der privaten hochschule 21 in Buxtehude von derzeit 25 Anfängerinnen und Anfängern.
Wir möchten zusätzlich - das ist wichtig: zusätzlich! - etwa 140 Anfängerplätze im Land schaffen. Damit entsteht eine Gesamtkapazität von jährlich rund 185 Studienanfängerplätzen - ohne das Angebot an der hochschule 21. Wenn wir das hinzurechnen würden, wären es 210 Plätze - so viele, wie in den jetzigen drei Ausbildungsjahren zusammen. Das heißt, das ist schon eine deutliche Erhöhung der Kapazitäten zu Beginn eines Ausbildungsjahrganges.
Erstens haben wir akut eine sehr hohe Nachfrage am niedersächsischen Arbeitsmarkt nach Hebammen vor allem in der Geburtshilfe.
Zweitens gibt es einen hohen Nachholbedarf an Qualifizierung; denn das Fach wurde bisher praktisch nicht an Hochschulen angeboten.
Drittens benötigen wir neben den Hebammen, die direkt in den Beruf gehen, auch Absolventinnen und Absolventen für Masterstudiengänge, um die Ausbildung des akademischen Nachwuchses sicherzustellen. Diese Absolventinnen stehen der Geburtshilfe naturgemäß nicht zur Verfügung.
Viertens wird der Bachelor aufgrund der neuen gesetzlichen Anforderungen absehbar nicht mit sechs Semestern auskommen, sondern vermutlich sieben oder acht Semester dauern. Diese zusätzlichen Ressourcen müssen wir einplanen.
Fünftens müssen wir in unserem Flächenland eine angemessene regionale Verteilung vorsehen. Deshalb planen wir, insgesamt bis zu vier Standorte im Land mit einem solchen Studienangebot auszustatten. Es macht ökonomisch keinen Sinn, dass ein Standort nur 10 oder 15 Studienplätze anbietet. Für eine ökonomische Gruppengröße brauchen wir 35 Anfängerinnen pro Jahr und Kohorte.
Aus diesen Gründen schlage ich dem Haushaltsgesetzgeber für den Haushalt 2020 eine entsprechende Aufstockung für die Einrichtung der nötigen Studienplätze vor. Im eingeschwungenen Zustand reden wir hier über 3,7 Millionen Euro pro Jahr.
Ich freue mich, dass auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dieses Ansinnen unterstützt. Das gilt umso mehr, als in ihrer Mitregierungszeit keine entsprechende Initiative erfolgt war.
Zu Frage 2: Sie möchten darüber hinaus wissen, wie wir den Aufbau der Studienplätze koordinieren. Wir sind uns sowohl mit MK als auch mit MS und den Hebammenverbänden einig, dass Studienplätze entstehen sollen und müssen, wenn wir das neue Gesetz umsetzen und unseren Fachkräftebedarf decken wollen.
Es liegt ebenfalls auf der Hand, dass solche Studiengänge dort entstehen sollten, wo bereits entsprechende Kompetenzen im Gesundheitsbereich vorhanden sind und an Grundlagen angeknüpft werden kann. Mit den entsprechenden Standorten sind wir im Gespräch. Einer weiteren Koordination bedarf es gegenwärtig nicht.
Schließlich darf ich noch auf die letzte Frage eingehen, also zur Hebammenversorgung insgesamt im Flächenland.
Die Sicherung der Hebammenversorgung in Niedersachsen erfordert erhebliche Anstrengungen, um die Anzahl der Hebammen, die in der nahen Zukunft ausscheiden werden, zu ersetzen und darüber hinaus ausreichend Nachwuchskräfte zu generieren und den wachsenden Bedarf an Hebammen im Bereich der Schwangerenbetreuung und -beratung, der Geburtsvor- und -nachsorge sowie der Familienhebammen im Rahmen der frühen Hilfen zu erfüllen.
Im Flächenland Niedersachsen wollen wir bereits in der Ausbildung - auch im Studium - die Grundlagen für eine dezentrale Ausbildung legen, um eine flächendeckende Versorgung zukunftssicher zu gestalten. Daher sind bis zu vier Studienstandorte geplant, die ihrerseits mit den regional vorhandenen Geburtskliniken kooperieren.
Lassen Sie mich noch einen Aspekt zur Versorgung ergänzen, der hier nicht unberücksichtigt bleiben darf. Meine Damen und Herren, die Akademisierung ist kein Allheilmittel zur flächendeckenden Hebammenversorgung. Wir müssen uns ebenso um die Arbeitsbedingungen kümmern. Lassen Sie mich nur ein Beispiel nennen: Es ist sicherlich kein Zufall, dass viele Hebammen aus der Geburtshilfe abwandern und in die Familienhilfe wechseln oder diesen Bereich von Beginn an attraktiver finden. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie spielt hier eine große Rolle.
Auch solche Aspekte dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren, wenn es um die Versorgung geht, die uns allen ein gemeinsames Anliegen sein muss.
Danke vielmals, Herr Minister Thümler. - Die erste Zusatzfrage für die FDP stellt jetzt die Kollegin Susi Schütz.
Vielen Dank. Ich habe immer schon gewettet, dass ich irgendwann mal mit „Susi“ aufgerufen werde. Aber das ist schon in Ordnung.
Ich habe eine Nachfrage. Herr Minister Thümler, Sie haben gerade nur vom grundständigen Studium gesprochen. Das Modell, das der Runde Tisch diskutiert und das uns im Sozialausschuss vorgestellt wurde, besteht aber aus dem Erhalt der Hebammenschulen, dem dort vergebenen Examen und einem Aufbaustudiengang. Guckt man sich
den jetzt vorliegenden Entwurf des Hebammengesetzes an, entdeckt man Widersprüche, weil dort ein definitives Ende der Hebammenschulen geregelt wird und außerdem von einer sehr engen Verzahnung zwischen akademischer und praktischer Ausbildung die Rede ist. Hierzu hätte ich gerne Erläuterungen. Sehen Sie diesen Widerspruch auch?
Das Problem liegt in Folgendem: Wir Länder sind uns darüber einig, dass wir eigentlich eine berufsständische Ausbildung und eine Akademisierung der Geburtshilfe bräuchten - parallel zueinander -, um nicht nur die Durchstiegsmöglichkeiten zu haben, sondern um auch ein breiteres Spektrum an Beschäftigungsperspektiven zu bieten. Der Bund aber lehnt das ab. Er will eine reine Vollakademisierung. Voraussetzung dafür ist ein zwölfjähriger Schulbesuch und die Erlangung der Befähigung zum Besuch einer Fachhochschule.
Davon ist der Bund im Moment nicht wegzubewegen. Wir sind bemüht, zusammen mit den Gesundheitspolitikern im Bundesrat, den Bund in Bewegung zu bekommen, weil wir der Auffassung sind, dass der von uns vorgesehene Weg der bessere ist - weil es damit eine breitere Basis gibt.
Wie gesagt, wir sind dazu im Gespräch, aber der Bund ist noch stur. Und solange das so bleibt, müssen wir die Voraussetzungen schaffen, die Akademisierung einzuführen.
Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Frage stellt ebenfalls die Kollegin Schütz für die FDPFraktion.
Frau Reimann hat erst in der letzten Woche bei einer Veranstaltung wieder das Argument gebracht, dass ein Studium voraussichtlich länger als die jetzige Ausbildung dauert und dass die Lücke, die entstehen würde, wenn ein Jahrgang komplett
ins grundständige Studium geht, verhindert werden muss. Aber wenn wir ein Zwischenmodell mit einer Ausbildung an einer Hebammenschule und einem Aufbaustudium umsetzen würden, würde das doch noch länger dauern, denke ich, und damit würden wir diese Lücke doch nur verschieben.