Natürlich haben wir als Bundesland nur begrenzt Stellschrauben zur Verfügung. Das müssen wir alle einräumen. Aber gerade diese gilt es doch zu nutzen, statt den landespolitischen Winterschlaf auf das ganze Jahr auszudehnen, wie es die Landesregierung und leider auch unsere Sozialministerin seit anderthalb Jahren in diesem Bereich praktizieren.
Ein Beispiel sind die Investitionsförderungen, die gestern von der Ministerin angesprochen worden sind. Wir sagen ganz klar, dass Heime - oder andere Einrichtungen - diese Förderung nur in Anspruch nehmen können sollten, wenn sie ihr Personal in Anlehnung an den TVöD-K bezahlen. So würden wir automatisch das Lohngefälle in der Pflege nach oben schaffen. Die Pflegekräfte sollten uns das doch bitte wert sein. So und nicht anders schaffen wir die wirkliche soziale Gerechtigkeit, von der Sie immer reden, von der wir in der Pflege aber leider weit entfernt sind.
Lassen Sie mich am Ende den Blick noch einmal auf den Bund richten! Vor knapp einem Jahr, am 3. Juli, warf die Bundesregierung einmal mehr eine Nebelkerze in die pflegepolitische Debatte. Mit der Konzertierten Aktion Pflege sollten Familien-, Gesundheits- und Arbeitsministerium dafür Sorge tragen, dass die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte und die Ausbildungsbedingungen sich verbessern.
Deshalb müssen wir als Land Druck auf den Bund aufbauen, etwa mit Blick auf die Vereinheitlichung der Pflegeschlüssel, die Übernahme der Kosten der Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen durch die Krankenkassen und die Reduzierung der Eigenanteile mithilfe eines Bundeszuschusses.
Es reicht eben nicht aus, wie Herr Schwarz Reden für die Rundblick-Schaufenstergalerie zu halten. Nein, wir brauchen handfeste Lösungen. Unser Antrag ist hier der erste richtige Weg.
Sinkende Renten und niedrige Löhne machen es dem Bürger schwer, fürs Alter vorzusorgen. Hier müssen wir einspringen.
Hier stehen Land und Bund in der Verantwortung, Herr Kollege Limburg. Immerhin sind wir auch noch eine Solidargemeinschaft.
Ich sage hier noch einmal klipp und klar: Die Pflege von Menschen darf nicht zum Spekulationsobjekt verkommen. Die Pflege des Menschen und die Würde des Menschen müssen uns erste Priorität sein. Wir als Land sind jetzt gefragt, die Pflegemissstände anzugehen.
Unser Antrag ist hier der erste Debattenaufschlag zu diesem Thema. Ich lade Sie alle ein, in den Ausschussberatungen und darüber hinaus mitzuarbeiten, um die Pflegekatastrophe aufzuhalten, die uns allen spätestens 2030 droht.
(Lebhafter Beifall bei der AfD - Helge Limburg [GRÜNE]: Zwischenrufe sind erlaubt! Das müssen auch Sie einse- hen!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Bothe hat hier versucht, den vermeintlichen Lösungsansatz der AfD-Fraktion in diesem Antrag zu skizzieren.
Zum Einstieg in meine Rede zitiere ich aus dem Wahlprogramm der AfD zur Landtagswahl 2017 - denn dort ist genau beschrieben, wohin der Weg gehen soll -:
„Der Staat hat nicht die Aufgabe, alle Pflegebedürftigen in staatlichen Pflegeheimen zu betreuen. Das kann er zukünftig … gar nicht leisten. …
Die stationäre Pflege soll vor allem Bedürftigen mit schweren … Einschränkungen … dienen, bei denen die Angehörigen … überfordert sind und die häusliche Unterbringung nicht mehr vertretbar ist.
Durch eine Konzentration auf diejenigen Menschen, die stationäre Pflege am dringendsten nötig haben, wollen wir die finanziellen Mittel aufbringen, um in diesen Fällen ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen.“
Haben Sie sich diesen Text angehört? Kurz gesagt: menschenwürdige Versorgung nur in ganz dringenden Fällen. In der gesundheitspolitischen Debatte nennt man das auch Rationalisierung. Wovon Sie hier reden, ist, genau genommen, das Gegenteil von menschenwürdiger Versorgung, und es ist das Gegenteil von Daseinsfürsorge.
Sie sagen hier, der Mensch darf nicht zum Spekulationsobjekt werden. Aber nach dem, was Sie vorgelegt haben, wird der Mensch zum Spekulationsobjekt. Das ist wirklich fatal.
Meine Damen und Herren, auch das von Ihnen geplante Landespflegegeld passt super dazu. 500 Euro im Monat wollen Sie den Menschen geben, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen, wenn sie keinen Pflegeplatz bekommen. Im Klartext heißt das: Sie wollen gar keine weiteren stationären Plätze. Sie wollen gar keine flächendeckende ambulante Versorgung. Sie wollen vielmehr den bestehenden Notstand in der Pflege zementieren
und - jetzt kommt‘s - die Versorgung von Pflegebedürftigen den Familien und in erster Linie uns Frauen überlassen.
Vielleicht erinnert man sich noch an das Betreuungsgeld. Ein Landespflegegeld folgt nämlich der gleichen Logik: Menschen werden dafür belohnt, dass sie Angebote staatlicher Daseinsfürsorge nicht in Anspruch nehmen - ein völliger Fehlanreiz. Und genau wie mit dem Betreuungsgeld werden auch mit dem Pflegegeld in erster Linie Frauen angesprochen, die Versorgung ihrer Angehörigen zu übernehmen.
Das Bundesverfassungsgericht hat doch deutlich gesagt: Das Betreuungsgeld ist verfassungswidrig. - Deshalb wird in Niedersachsen das Geld in den Kita-Ausbau gesteckt.
Das muss auch im Bereich der Pflege der Weg sein. Wir müssen dafür sorgen, dass alle Pflegebedürftigen, die eine professionelle Versorgung brauchen, diese auch bekommen.
Das betrifft zurzeit hauptsächlich die ambulante Pflege. Hier müssen wir endlich dafür sorgen, dass Pflegekräfte tariflich bezahlt werden und die Arbeitsbedingungen besser werden. Die Anträge dazu sind im Verfahren. Herr Kollege, schauen Sie sich das an! Debattieren und diskutieren Sie mit!
Über die meisten anderen Forderungen aus Ihrem Antrag diskutieren wir seit Jahren, auch mit der Bundesebene. Dass es keine verbindlichen Personalschlüssel gibt, scheitert garantiert nicht an unserem erklärten politischen Willen.
Meine Damen und Herren, die AfD versucht wieder einmal, mit einem zusammengeklaubten Sammelsurium von Maßnahmen einfache Lösungen für komplexe Probleme vorzustellen. Davon haben am Ende weder die Pflegebedürftigen noch die Pflegekräfte etwas. Und es hat nichts mit Bürgerfreundlichkeit und Sozialverträglichkeit zu tun. Sie sind definitiv kein Garant für den sozialen Frieden, eher für sozialen Unfrieden.
Danke schön, Frau Kollegin. - Der Abgeordnete Bothe von der AfD-Fraktion hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte gar nicht alles umreißen, was Sie hier Falsches gesagt haben.
Mir geht es nur um eine Sache: Es gibt momentan keine ausreichenden Kapazitäten in der ambulanten Pflege. Also müssen wir jetzt eine Hilfe für pflegende Angehörige in Form eines Landespflegegeldes schaffen. Denn wir haben momentan nicht das Personal.
Was sagen Sie denn den pflegenden Angehörigen? „Holen Sie sich einen Flyer aus dem Sozialministerium, und dann kriegen Sie vielleicht noch einen Weiterbildungskurs“?
Was Sie machen, ist absolut zum Schaden der pflegenden Angehörigen. Die sind es, die am Ende auf der Strecke bleiben. Die müssen wir unterstützen. Ich bitte Sie, da einmal über Ihren Schatten zu springen, auch wenn das unsere Idee ist; das haben Sie ja eben zugegeben.