Vielen Dank Herr Dr. Genthe. - Für die Fraktion der AfD hat sich nun der Kollege Jens Ahrends gemeldet. Bitte sehr!
Ich danke Ihnen. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Straftaten zu erfassen und sie in Deliktgruppen z. B. einer Polizeilichen Kriminalstatistik zu verwalten, ist eine zwingende Notwendigkeit, um Tendenzen in der Kriminalitätsentwicklung zu erkennen und so gegebenenfalls auch präventiv handeln zu können. Von daher ist es von großer Wichtigkeit, dass diese Straftaten korrekt erfasst werden.
Die Ausfüllanleitung zur kriminaltaktischen Anfrage in Fällen politisch motivierter Kriminalität besagt: „Fremdenfeindliche sowie antisemitische Straftaten“ sind „dem Phänomenbereich PMK - rechts - zuzuordnen, wenn keine gegenteiligen Tatsachen zur Tätermotivation vorliegen.“ Hier, meine Damen und Herren, wird also grundsätzlich eine Einordnung in den Phänomenbereich politisch motivierte Kriminalität - rechts - vorgenommen, selbst wenn noch gar kein Täter festgestellt worden ist, solange eben keine Tatsachen dagegensprechen.
Der vorliegende Antrag der Fraktion der Grünen zielt in die gleiche Richtung. Er möchte, auch wenn eine Täter-Opfer-Beziehung nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine politisch motivierte Straftat gesehen wird, die dann dem Phänomenbereich PM - rechts - zuzuordnen ist.
Hier sollen also nicht mehr die Gründe zählen, die die Tat ausgelöst haben, sondern es wird die Gesinnung des Täters beleuchtet. Ein Beispiel: Ein Mitglied einer rechtsradikalen Organisation tötet in einer Beziehungstat seine Freundin. Bisher ein unpolitisches Tötungsdelikt,
demnächst nach der Vorstellung der Grünen eine politisch motivierte Straftat, PMK - rechts -, da sich der Täter in seinem Umfeld, eben der rechtsradikalen Organisation, radikalisiert hat.
Dem können wir so nicht folgen, da mit Ihrem Antrag jeder Täter, der politisch nicht dem linken Spektrum zuzuordnen ist, von vornherein zu einem rechten Gewalttäter wird und damit auch die Tat der PMK - rechts - zugeordnet wird. Das ist für uns ganz klar der Versuch, die Statistiken weiterhin noch stärker aus politischen Gründen zu beeinflussen, anstatt die Delikte sachlich zu erfassen.
Ihre ideologische Motivation zu diesem Antrag ist auch da erkennbar, wo Sie sich auf höchst fragwürdige Organisationen wie die Amadeu Antonio Stiftung als zivilgesellschaftlichen Akteur berufen. Dieser Stiftung sitzt eine Dame mit Stasivergangenheit vor, die ihr damaliges Tun nahtlos fortführt. Ich erinnere an die von der Stiftung herausgegebene Kindergartenbroschüre, nach deren Vorgabe die Gesinnungsschnüffelei bereits bei den Kleinsten und deren Elternhäusern beginnen soll,
und an eine weitere Veröffentlichung, in der sich selbst CDU-Politiker in eine Reihe mit Neonazis gestellt sahen.
Lassen Sie uns gemeinsam gegen Extremisten kämpfen und hierbei ideologische Scheuklappen überwinden! Politisch motivierte Kriminalität gehört zu dem Kriminalitätsbereich, der die Demokratie wohl am meisten gefährdet. Deswegen sollten wir es gerade in diesem sensiblen Bereich unterlassen, aus politisch motivierten Gründen einer ohnehin schon verzerrten Statistik das Wort zu reden und diese noch weiter verzerren zu wollen. Dies mag sich zwar positiv auf die weitere Subventionierung des Kampfes gegen rechts auswirken, ist aber der Demokratie nicht förderlich. Der Kampf gegen linken und rechten Extremismus muss gleichermaßen geführt werden und darf nicht weiterhin so einseitig orientiert sein.
Auch die AfD setzt sich für eine möglichst realitätsgetreue Erfassung der politisch motivierten Kriminalität ein und kann gerade deswegen den Antrag in der vorliegenden Form nicht unterstützen. Selbst soweit es Einzelfälle geben mag, die zunächst nicht richtig erfasst wurden, sollte dies nicht dazu missbraucht werden, eine Statistik nach Wunsch zu erschaffen. Diese wird dann nämlich wertlos, und es gilt der Satz: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. - Das ist mit der AfD nicht zu machen.
Vielen Dank, Herr Kollege Ahrends. - Für die SPDFraktion hat sich nun der Kollege Deniz Kurku gemeldet. Bitte sehr!
Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht nur so viel vorab, Herr Ahrends: Mit dieser sehr verkürzten Darstellung der Ausführungen von Julia Willie Hamburg kommen Sie viel zu sehr ins kurze Gras. Das war überhaupt nicht zu Ende gedacht. Ich finde, ganz ehrlich: Das passt einfach gar nicht. Sie hat das hier ganz deutlich über einen ziemlich langen Zeitraum dargestellt, auch die Inhalte. Ich finde, Sie müssen da nicht einfach mal so kurz draufschlagen und später einfach nur wieder das in Ihrem Video zeigen. Das hilft nicht weiter.
Vielleicht kommt es nicht ganz so oft vor, aber ich möchte an dieser Stelle gleich zu Beginn meiner Ausführungen eines nicht versäumen, nämlich auf die langjährige Arbeit vieler Journalistinnen und Journalisten hinzuweisen, die sich diesem Thema beharrlich über viele Jahre gewidmet haben.
Tatsächlich war die Dokumentierung der Todesopfer durch rechtsextremistische Anschläge bundesweit fehlerhaft und unzureichend. Ich denke, das wissen alle, die sich mit diesem Thema befasst haben. Ich sage es hier an der Stelle ganz klipp und klar: Wir dürfen nicht darum herumreden.
Deutlich ist die Diskrepanz zwischen den Zahlen, Herr Ahrends, die die Bundesregierung auf eine Anfrage genannt hat, und den tiefer gehenden Recherchen von z. B. Tagesspiegel, Zeit Online und anderen. Seinerzeit wurden 83 Todesopfer durch Rechtsextremisten genannt. Die Recherchen ergaben 169 seit dem Jahr 1990. Das sind also keine Einzelfälle. Weitere 61 Fälle weisen Indizien für Motive rechter Täter auf.
Ein Hauptproblem bei der Erfassung war, wie allgemein bekannt ist, die Definition und die Feststellung, wann jemand als Opfer rechter Gewalt gilt. Auch als Sprecher meiner Fraktion gegen den Rechtsextremismus sage ich eines ganz deutlich: Das lag auch an der viele Jahre viel zu engen Definition. Das Problem - das möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich wiederholen - war doch, dass ein Rechtsextremist vor einem Mord, zugespitzt gesagt, am besten eine schriftliche Erklärung samt Darstellung seiner Gesinnung abgibt, sich dann noch eine Bomberjacke oder vielleicht noch einen szenetypischen Pullover anzieht und dann noch offen Hakenkreuztatoos trägt, bevor er in die Statistik eingeht.
Eine weitere Schwierigkeit - auch das hat die Vergangenheit gezeigt - lag vor allem in der unterschiedlichen und zum Teil loseren Handhabung der einzelnen Länder. Die Einführung des Definitionssystems zur statistischen Erfassung PMK - wir hatten es heute als Thema - bundesweit im Jahre 2001 war ein Schritt nach vorn. Aber wir sind noch nicht am Ende des Weges.
2017 gab es eine Verbesserung in der Erfassung. Aber auch da könnte man unterschiedliche Aspekte hinzuziehen. Beispielsweise möchte ich auf die Kriterien des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) der Technischen Universität Berlin hinweisen. Demnach wird ein Delikt auch dann als politisch motivierte Tat erfasst, wenn eine typisch rechte Verrohung zu erkennen ist. Das ZfA spricht vom - ich zitiere - „Ausdruck einer durch die Zugehörigkeit zur rechtsextremen Szene habitualisierten Gewaltbereitschaft und Feindseligkeit.“ Bei einer Anwendung dieser Kriterien würden zu den 169 Opfern weitere 61 Fälle hinzukommen.
Fest steht, dass sich auch die Kriterien, auf deren Grundlage eine Erfassung erfolgt, im Prozess der Weiterentwicklung befinden. Das begleiten auch wir in Niedersachsen ganz eng. Das ist gut und richtig. In der Bundesrepublik wurde bei der Erfassung der Zahl der Todesopfer rechter Gewalt jahrelang nicht die Sorgfalt an den Tag gelegt, die
tatsächlich geboten war. Das sind nicht einfach nur Zahlen, sondern Menschen, die von Extremisten nur wegen ihrer Hautfarbe, Religion, sexuellen Orientierung oder - die Kollegin hat es auch gesagt - als Obdachlose, warum auch immer, aus dem Leben gerissen wurden. Diese Menschen hinterlassen Kinder, Eltern, Schwestern, Brüder und vieles mehr. Auch bei uns in Niedersachsen sind Menschen umgebracht worden, und die Gründe wurden sicherlich nicht in allen Fällen richtig erfasst.
Uns liegt sehr viel an einer ordentlichen Aufarbeitung und auch an Verbesserungen. Bund und Länder haben nach dem Bekanntwerden der NSUTerrorserie versuchte und vollendete Tötungsdelikte neu überprüft. Dazu gehörte auch eine systematische Aufarbeitung nach einem bundesweit einheitlichen Erhebungskataster. Differenzen im Umgang der verschiedenen Länderpolizeien - das haben wir heute auch schon in einem anderen Zusammenhang vom Innenminister gehört - wurden durch Fachgremien untersucht. Bei den einzelnen Überprüfungen wurde auch die sogenannte Jansen-Liste hinzugezogen, benannt nach dem Journalisten. Genaueres finden Sie in der Drucksache 17/6474, einer Antwort auf Ihre Anfrage, Frau Hamburg.
Natürlich geht es in den Einzelfällen dann auch um eine juristische Aufarbeitung. Täter-Opfer-Beziehung und Kontexte können eine Rolle spielen, aber eben auch viele andere Dinge. Ein klarer Kriterienkatalog war mehr als überfällig. Ich bin froh, dass es ihn nun gibt, damit die Fachdienststellen anders und vor allem genauer zuordnen können.
Dieser Entschließungsantrag ist, ohne jetzt der Beratung vorgreifen zu wollen - sie führen wir im Innenausschuss durch -, ein wertvoller Beitrag, auch, weil ich sicher bin, dass sich unser Innenminister auf Bundesebene auch weiterhin dafür einsetzen wird, gerade dann, wenn es gegen extremistische Umtriebe geht, und dort, wo man Dinge verbessern kann und muss, dies voranzutreiben. Ich glaube, auch und gerade im Vergleich müssen wir Niedersachsen uns nicht verstecken. Letztendlich kommen die Impulse von den Ländern. Die Umsetzung erfolgt auch hier bei uns im Land.
Wir werden den Antrag im Innenausschuss beraten und uns damit auseinandersetzen. Für uns alle aber sollte selbstverständlich sein: Wo es möglich ist, werden wir eine lückenlose Aufklärung begehren, ohne juristische Bewertungen dabei außer
Acht zu lassen. Vorverurteilungen sind, wie die schrecklichen Erfahrungen im NSU-Rechtsterrorismus gezeigt haben, genauso zu vermeiden wie eine unzureichende Aufarbeitung der Versäumnisse. Über die Wege können und werden wir durchaus diskutieren. Vor allem aber geht es um darum, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Das sind wir nicht nur den Hinterbliebenen, sondern vor allem uns selbst schuldig.
Vielen Dank, Herr Kollege Kurku. - Für die CDUFraktion hat nun der Kollege Thiemo Röhler das Wort. Bitte sehr!
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Kollegin Hamburg, erst einmal herzlichen Dank für die Einbringung des Antrages. Auch wir halten den für beratungswert, wenngleich wir hier und da sicherlich ein wenig ergänzen würden oder aber auch den Antrag inhaltlich für nicht gewinnbringend erachten. Aber das wird sicherlich die Beratung im Ausschuss noch zeigen.
Sie wollen, das haben Sie gerade selber gesagt, in den Bewertungskriterien eine nachträgliche PMKErfassung festsetzen. Ich nehme ein Beispiel, um einfach ein wenig von der theoretischen Debatte wegzukommen, nämlich die schrecklichen Vorfälle in Hamburg zum G-20-Gipfel. Sie wären sicherlich genauso in die Kriterien für das linke Spektrum aufzunehmen und zu ändern. Darüber kann man ja in der Gesamtheit irgendwann beraten und zu diesem Ergebnis kommen.
Allerdings gibt es bis zum heutigen Zeitpunkt in diesem Bereich sehr viele unerkannte Täter. Wenn wir die Einordnung eines Verfahrens wirklich erst am Ende durchführen wollten, würde es dazu führen, dass wir die eigentlich jährliche Statistik PMK letztlich derart verfälschen und sie gar nicht mehr auf das Jahr beziehen würden, sodass es am Ende keinen Sinn mehr macht, eine solche Statistik
zu erheben. Deswegen ist es genau richtig, dass sich zumindest bisher die Innenministerkonferenz bzw. alle Länder, die daran beteiligt waren, darauf verständigt haben, dass am Anfang der Ermittlungen bzw. während der Ermittlungstätigkeit eine entsprechende Einordnung erfolgt.
Ich vertraue da auch den Polizeibeamtinnen und -beamten, ich vertraue da unseren Ermittlungsbehörden, der Justiz, dem Verfassungsschutz, dass die letztlich in der Vielzahl der Einordnungen auch die richtige Einstufung treffen werden.
Nichtsdestotrotz, und da haben Sie natürlich vollkommen recht, gibt es Fehleinschätzungen. Und nichtsdestotrotz hat es fatale Fehler bei den Ermittlungen zum NSU gegeben. Deswegen wurden ja auch die zwei Untersuchungsausschüsse auf Bundesebene eingesetzt, und die haben das ja meiner Auffassung nach sehr gut aufgedeckt.
Ich bin sehr froh, dass in Konsequenz dieser beiden Untersuchungsausschüsse letztlich alle übereinstimmend gesagt haben, entsprechende Konsequenzen daraus ziehen zu müssen. Deswegen sollten und sind zum Teil schon die PMK-Kriterien entsprechend verändert und überarbeitet worden. Deswegen gibt es in genau dieser Statistik mittlerweile nicht nur die politisch motivierte Straftat rechts und links, sondern Hasskriminalität, religiöse Ideologie, ausländische Ideologie; denn es ist eine große Bandbreite vorhanden, mit der auch sehr anschaulich gemacht werden soll, wo die ganzen politisch motivierten Straftaten in Deutschland und letztlich auch in Niedersachsen verortet sind. Die gilt es sauber aufzuarbeiten und sauber abzuarbeiten.
Politisch motivierte Straftaten stellen letztlich einen Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung dar, und sie sind eine Bedrohung genau dieser. Deswegen müssen wir alle dafür sorgen, dass die Ermittlungsbehörden in die Lage versetzt werden, die Straftaten gut aufzudecken. Wir müssen alles dafür tun, dass diejenigen, die in diesen Straftaten ermitteln, so gut ausgebildet sind, dass sie auch die Hintergründe möglichst frühzeitig einsortieren können, um die Straftat nach dieser Statistik einordnen können. Wir müssen ebenfalls dafür sorgen, dass eine Flexibilität besteht. Da bin ich ganz bei Ihnen.
Sie haben gerade selber das Beispiel des Terroranschlags in Bayern gebracht. Das ist das Beispiel, dass das kein geschlossenes System an sich ist. Bayern hat ja gezeigt, dass im Rahmen der Ermittlungen und im Nachgang zu diesen Ermitt