Protokoll der Sitzung vom 12.05.2020

(Wiard Siebels [SPD]: Kaum haben wir eine Stunde überzogen, schon gibt es keine neuen Wortmeldungen!)

Wir beenden die Beratung und kommen zur Ausschussüberweisung, meine Damen und Herren.

(Unruhe)

- Herr Kollege Nacke, Frau Kollegin Modder, jetzt wollen wir erst mal überweisen.

(Johanne Modder [SPD]: Gerne!)

- Das ist nett.

(Anhaltende Unruhe - Wiard Siebels [SPD]: Herr Präsident, greifen Sie mal durch!)

- Das mache ich gleich. Herr Kollege, Sie sollten das nicht so laut fordern!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Vorgesehen ist der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. Wer dem so folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das war einstimmig, und dann wird das so gemacht.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung: Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern - Akutmaßnahmen während der COVID-19-Krise sofort umsetzen, allgemeinverbindlichen Branchentarifvertrag und grundlegende Reform der Pflegeversicherung jetzt vorantreiben! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/6344

Zur Einbringung hat sich die Kollegin Meta Janssen-Kucz gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin! Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben gerade eine ganz leidenschaftliche Debatte über Umsetzung, Rechtsverordnung und Grundrechte geführt. Auch ich möchte etwas zum Thema Grundrechte sagen, nämlich zu dem Recht auf Pflege bzw. dem Recht auf Menschenwürde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie alle wissen: Wir haben das Jahr 2020 - das Jahr, das von der Weltgesundheitsorganisation zum Jahr der Pflegenden und der Hebammen auserkoren wurde. Heute, am 12. Mai, ist der Internationale Tag der Pflegenden. Das soll den hohen Stellenwert deutlich machen, den die professionelle Pflege für uns alle hat.

Ich glaube, aktuell wird auch ganz deutlich, dass wir uns wirklich im Jahr der Pflegenden bzw. aller Beschäftigten im Gesundheitswesen befinden. Denn sie haben in den letzten Wochen und Monaten fast Unmenschliches geleistet - dafür noch mal ein ganz dickes Dankeschön!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Sylvia Bruns [FDP])

Während viele von uns im Homeoffice gearbeitet haben, waren sie dort, wo sie dringend gebraucht wurden: in den Krankenhäusern, in den Rettungswachen, in den Pflegeeinrichtungen, im ambulanten Dienst. Sie sind für die Menschen da, die ihre Hilfe und Unterstützung benötigen. Ohne die zahlreichen Pflegekräfte in unserem Land wären wir wirklich aufgeschmissen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das dürfte inzwischen auch dem Letzten wirklich deutlich geworden sein. Plötzlich reden wir über ihre hohe gesellschaftliche Bedeutung, über ihre Systemrelevanz, über die unverzichtbare Arbeit, die diese Menschen für uns leisten.

Doch, meine Damen und Herren, Worte reichen nicht. Es gab viel Dankeschön, und es gab höflichen Applaus von den Balkons. Das ist aber nicht genug. Mittlerweile - das macht mich richtig wütend - sind aus dem Applaus zum Teil Beleidigungen und Pöbelei gegenüber den Pflegekräften geworden. Sie werden für alles verantwortlich gemacht: dafür, dass Angehörige in den Einrichtun

gen nicht besucht werden dürfen, dass keine Hygienekonzepte vorliegen, und, und, und.

Meine Damen und Herren, das alles kann und darf nicht wahr sein. Es macht aber eigentlich noch einmal deutlich, dass wir handeln müssen, dass die Politik handeln muss, um glaubwürdig zu bleiben bzw. bei den Pflegenden ihre Glaubwürdigkeit wiederzuerlangen. Wir reden schon viel zu lange immer wieder über mehr Anerkennung, eine bessere Entlohnung, bessere Arbeitsbedingungen. Aber seien wir mal ehrlich: Was ist eigentlich passiert in den letzten Jahren?

Ich komme an dieser Stelle noch auf das Thema Pflegebonus zu sprechen. Auch darüber wird seit Wochen geredet. Er wurde erst angekündigt. Jetzt zeichnet sich ab, dass der Bund ihn gar nicht selbst finanziert. Er plündert stattdessen die Pflegekassen. Die Finanzierung soll zu zwei Dritteln aus der dringend benötigten Demografiereserve erfolgen, und ein Drittel sollen die Länder zahlen. Auch ist immer noch unklar, wer in den Genuss des Pflegebonus kommt. Sind die ambulanten Pflegekräfte dabei? Was ist mit den Krankenschwestern? Was ist mit den Rettungsdiensten, die ganz eng an COVID-19-Patienten dran sind?

Ich finde, das ist ein Armutszeugnis für ein so reiches Land wie die Bundesrepublik.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Sylvia Bruns [FDP])

Herr Ministerpräsident, Sie haben heute Morgen bei Ihrer Regierungserklärung - darüber bin ich wirklich wütend - über einen Autogipfel und über Autoprämien geredet. Wieso reden Sie nicht über einen dringend notwendigen Pflegegipfel?

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Sylvia Bruns [FDP])

Wieso reden Sie nicht über einen niedersächsischen Pflegebonus? An der Stelle ist Ihnen der Bayerische Ministerpräsident doch noch voraus.

Jetzt müssen endlich mal Taten folgen. Es müssen kurz- und mittelfristige Maßnahmen ergriffen werden. Diese stehen in unserem Antrag. Wir wollen einen echten Niedersachsen-Pflegebonus, einen Pflegebonus für alle Pflegekräfte - in Krankenhäusern, Rettungsdiensten, ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen. Wir wollen sie nicht kurzfristig mit irgendetwas zufriedenstellen, sondern das soll über einen längeren Zeitraum erfolgen, und zwar auch steuerfinanziert. Hier geht gerade so viel steuerfinanziert! Dann muss das auch für

die Pflegenden möglich sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Am Ende dürfen nicht die Angehörigen und Pflegebedürftigen zur Kasse gebeten werden.

Meine Damen und Herren, wir brauchen einen Richtungswechsel in der Pflegepolitik. Die Arbeitsbedingungen waren doch schon in der Zeit vor Corona schwierig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen eine grundlegende Reform. Es geht darum, die unverzichtbare, systemrelevante Arbeit von Pflegekräften anzuerkennen. Und es geht auch darum, Geschlechterungleichheiten, die in der Krise immer deutlicher werden, aufzubrechen.

Meine Damen und Herren, was wir am Ende wirklich brauchen, ist ein zügiger Abschluss eines allgemeinverbindlichen Branchentarifvertrags - nicht nur, um die Löhne zu erhöhen, sondern auch, um grundsätzlich gute Arbeitsbedingungen zu erreichen. Höhere Löhne dürfen aber nicht zulasten der Pflegebedürftigen gehen.

Meine Damen und Herren, die Corona-Krise hat unser aller Leben auf den Kopf gestellt. In kürzester Zeit haben wir Maßnahmen umgesetzt, die vor Monaten noch undenkbar waren. Jetzt ist doch die Zeit gekommen, die Situation in den Pflegeberufen grundlegend, radikal umzukrempeln und endlich grundlegend für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen.

Wenn diese Krise zu irgendetwas nutze sein soll, dann dafür, die klaffende Lücke - diese Ungerechtigkeit, wie ich finde - zwischen guten Worten und Taten endlich zu schließen.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Sylvia Bruns [FDP])

Vielen Dank, Frau Kollegin Janssen-Kucz. - Für die CDU-Fraktion hat sich die Kollegin Petra Joumaah gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin! Sie haben das Wort, wenn wir hier vorn soweit sind.

(Eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter der Landtagsverwaltung desinfizieren das Redepult)

- Vielen Dank.

Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben nach neuer Regelung leider nur drei Minuten Redezeit. Ich muss aber trotzdem auf das, was meine Vorrednerin gesagt hat, kurz eingehen.

Ich habe nicht den Eindruck, dass die Pflegekräfte z. B. für nicht stattfindende Heimbesuche kritisiert werden - die auch ich persönlich sehr bedaure. Ich glaube, es gibt die eine oder andere Kritik an den Heimleitungen, nicht an den am Bett tätigen Pflegekräften.

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Die kriegen das aber ab!)

Ich komme zum vorliegenden Entschließungsantrag.

Ich kann der Beschreibung der derzeitigen Situation in der ambulanten und stationären Pflege durchaus zustimmen. Es gibt schon seit Langem einen Pflegenotstand - das wissen wir alle -, der nicht nur die Pflegekräfte, sondern natürlich auch die Patientinnen und Patienten sehr stark belastet. In der Corona-Krise hat sich diese Lage nochmals ganz stark verschärft. Wir müssen sagen, unsere Pflegekräfte arbeiten wirklich am Limit.