Protokoll der Sitzung vom 15.07.2020

a) Studieren in Corona-Zeiten: Wie unterstützt die Landesregierung Hochschulen, Studierende und Studierendenwerke in dieser schweren Zeit? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/7031

Diese Anfrage wird von der Kollegin Eva Viehoff eingebracht. Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!

Studieren in Corona-Zeiten: Wie unterstützt die Landesregierung Hochschulen, Studierende und Studierendenwerke in dieser schweren Zeit?

Im März dieses Jahres beschlossen die Wissenschaftsministerien der Länder, dass das Sommersemester 2020 aufgrund der Corona-Pandemie ein Onlinesemester werde, inklusive Onlineprüfungen. Die Fachhochschulen in Niedersachsen mussten spontan im laufenden Betrieb auf 100 % Onlinelehre umstellen. Die Universitäten hatten etwas Vorlaufzeit, da das Sommersemester dort erst im April begann. Dies stellte die Hochschulen wie Studierende vor Herausforderungen; denn Lehrinhalte und -formate mussten kurzfristig komplett digital umgesetzt werden. Die gemeinnützigen Studierendenwerke kämpfen zudem mit Verlusten, da

Studierende ihre Zimmer in Wohnheimen aufgrund der Onlinelehre von zu Hause nicht beziehen, die Miete nicht zahlen können und/oder der Mensabetrieb seit Beginn der Pandemie nicht angeboten werden konnte.

Am 26. März legte die Landeshochschulkonferenz ein „Sofortprogramm für die Informations-Infrastruktur der niedersächsischen Hochschulen im Rahmen der Corona-Pandemie“ vor. Noch in diesem Jahr würden zusätzlich 17,8 Millionen Euro vom Land benötigt für den Ausbau der lokalen Breitbandnetzwerke, des Landeswissenschaftsnetzes und der Speicher- und Serverinfrastrukturen sowie für die Digitalisierung der Lehre, Einrichtung einer Academic Cloud und für die Informationssicherheit. Ab 2021 sollten weitere Investitionen zur langfristigen Absicherung des Hochschulbetriebes für den Zeitraum bis einschließlich 2025 ergänzt werden. Beides belaufe sich auf eine Gesamtsumme von 154,8 Millionen Euro.

Am 8. Juni protestierten bundesweit und auch in Hannover Studierendenvertretungen unter dem Motto #studihilfejetzt für schnelle und wirksamere Hilfen für durch die Corona-Krise in Not geratene Studierende. Für viele Studierende können Onlinevorlesungen und Videokonferenzen keine Labortermine und Seminardiskussionen ersetzen.

Einige niedersächsische Hochschulen haben bereits jetzt angekündigt, dass auch das kommende Wintersemester zumindest teilweise nur digital als sogenanntes Hybrid-Semester stattfinden wird.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie bewerten Hochschulen, Studierende und Studierendenwerke in Niedersachsen laut Kenntnis der Landesregierung das Onlinesommersemester 2020?

2. Wird die Landesregierung Hochschulen, Studierende und Studierendenwerke bei der Durchführung des geplanten Hybrid-Semesters im Winter 2020/2021 unterstützen, gegebenenfalls wie?

3. Wird die Landesregierung die Hochschulen insbesondere in der Frage der Erstsemester und ihres Starts ins Studium zum Wintersemester 2020/2021 unterstützen, gegebenenfalls wie?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Viehoff. - Die Landesregierung wird antworten, und zwar in persona von Björn Thümler. Herr Minister, auf geht’s!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vergangenen Monate waren für alle Bildungseinrichtungen eine große Herausforderung. Dies gilt besonders für die Hochschulen, die in sehr kurzer Zeit ihr Programm für die Onlinelehre umgestaltet haben.

Die Studierenden haben in dieser nicht geplanten und nur bedingt planbaren Situation ihren Teil dazu beigetragen, dass der Lehrbetrieb fortgesetzt werden konnte. Hierfür möchte ich zunächst einmal sowohl den Hochschulen, den Lehrenden als auch den Studierenden ausdrücklich danken.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Mein Dank gilt auch den Studentenwerken, die ungeachtet der zeitweisen Schließung der Mensen den Studierenden stets mit Rat und Tat zur Seite standen und auch stehen.

Zu Frage 1: Da die Rückmeldungen von Hochschulen, Studierenden und Studentenwerken nicht systematisch erfolgen, ist bei der Bewertung des überwiegend digitalen Sommersemesters nur eine generelle Einordnung möglich. Dabei ist zwischen grundsätzlichen Entwicklungen und persönlichen Betroffenheiten zu unterscheiden.

Bezüglich des Umgangs mit der COVID-19Pandemie im Hochschulbereich hat die Landesregierung seit März zahlreiche Handlungsempfehlungen unter Wahrung und Betonung der Hochschulautonomie übermittelt. Hierzu standen wir seit Anbeginn der Pandemie im engen Austausch mit den Hochschulen, z. B. als regelmäßige Videokonferenzen mit den Präsidentinnen und Präsidenten der niedersächsischen Hochschulen, aber auch mit anderen Gruppen aus den Hochschulen gab es diverse Austausche.

Hierbei wurde deutlich, dass es den Hochschulen durch den couragierten Einsatz vieler Lehrender und Studierender gelungen ist, die Krise als Katalysator für die digitale Transformation der Hochschule zu nutzen. Aus diesem Grund gibt es in diesem Jahr auch einen Sonderpreis im Rahmen des Wissenschaftspreises, um das Engagement entsprechend zu würdigen. Diesen Digitalisie

rungsschub unterstützen wir mit einer Soforthilfe von 4 Millionen Euro und einer Bereitstellung weiterer 4 Millionen Euro für die Netzwerkbildung digital.niedersachen. Aufgrund der erfolgten Zustimmung des Landtags zum zweiten Nachtragshaushalt werden weitere 17,8 Millionen Euro für die Digitalisierung unserer Hochschulen zur Verfügung gestellt und damit Corona-bedingte Problemfelder beseitigt.

Die Landesregierung befindet sich ebenso mit den fünf niedersächsischen Studentenwerken im regelmäßigen Austausch, insbesondere zur Umsetzung der Finanzhilfen des Bundes für Studierende. Das Milliardenprogramm des Bundes ist aus Sicht der Landesregierung ein richtiger und wichtiger Schritt, um denjenigen Studierenden zu helfen, die unverschuldet in eine pandemiebedingte Notlage geraten sind.

Dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen zum zweiten Nachtragshaushalt entnehme ich, dass Sie diese Auffassung grundsätzlich teilen; denn zusätzliche Mittel für Studierende haben Sie dort ebenfalls nicht vorgesehen. Gleichwohl hätte sich die Landesregierung eine zügigere, flexiblere und deutlich unbürokratischere Lösung und Umsetzung der Hilfsmaßnahmen des Bundes gewünscht.

Seitens der Studierenden war in diesem Sommersemester grundsätzlich eine große Bereitschaft zu erkennen, sich den besonderen Herausforderungen des überwiegend digitalen Sommersemesters zu stellen. Positiv wurde vor allem Folgendes festgestellt:

Erstens. Die große Mehrheit der Studierenden konnte im Sommersemester im vernünftigen Umfang Studienleistungen erbringen.

Zweitens. Die digitale Lehre hat sich trotz kurzfristiger Einführung weitgehend bewährt und insbesondere mit Blick auf größere Vorlesungen auch Skeptiker überzeugt.

Drittens. Im hochschulinternen und übergreifenden Dialog wurden Best-Practice-Erfahrungen zügig umgesetzt.

Kritik wurde vor allem an mutmaßlich fehlenden finanziellen Unterstützungen für Studierende laut, an der Durchführung von Prüfungen und Auswirkungen auf den Studienverlauf - Stichwort „Förderhöchstdauer beim BAföG“ - sowie am verlässlichen Zugang zu Digital- und Lehr- bzw. Lernangeboten. In nahezu allen Fällen ist es gelungen, einzelfall- und standortbezogen sinnvolle Lösungen zu ent

wickeln. Es herrscht jedoch Einvernehmen, dass das überwiegend digitale Sommersemester ein Ausnahmefall war und unsere Bemühungen zur Digitalisierung das übergeordnete Ziel einer besseren und zukunftsfähigeren Präsenzhochschule verfolgen.

Um es ganz deutlich zu sagen: Wir verfolgen nicht das Ziel, durch die Digitalisierung in der Präsenzlehre zu sparen. Erstens ginge es nicht, zweitens macht es auch keinen Sinn, und drittens lebt Hochschule von Präsenzlehre und den Begegnungen von Studierenden mit Lehrenden und vielen Menschen darüber hinaus.

Zu Frage 2: Im gesamten Sommersemester fanden regelmäßige Austausche statt, um im Sinn von Lehrenden und Studierenden praktikable Lösungen für Lehrveranstaltungen, Prüfungen und andere Studieninhalte unter Berücksichtigung des Infektionsgeschehens zu entwickeln. Die Erfahrungen des Sommersemesters helfen dabei, auch das Wintersemester gut zu gestalten und durchzuführen.

Im Rahmen der Kultusministerkonferenz wurden sowohl für das Sommersemester als auch für das anstehende Wintersemester gemeinsame Strategien entwickelt. Wir diskutieren im Augenblick länderübergreifend Szenarien, die je nach Verlauf der Pandemie realisiert werden können.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt geht die Landesregierung davon aus, dass das Wintersemester ein Hybridsemester sein wird, in dem bestimmte Formen von Präsenzveranstaltungen in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen möglich sein werden.

Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur räumt den Hochschulen aus Respekt vor der Hochschulautonomie umfängliche Entscheidungsspielräume - genannt Beinfreiheit - ein, um der fach- und standardbezogenen sehr unterschiedlichen Situation gerecht werden zu können. Ob weitere rechtliche Maßnahmen erforderlich sind, die zusätzliche Erleichterungen ermöglichen, prüfen wir fortlaufend sowohl im Dialog mit den anderen Ländern als auch in den Beratungen zur geplanten Novelle des Niedersächsischen Hochschulgesetzes.

Zu Frage 3: Für Studienanfängerinnen und Studienanfänger ist das Kennenlernen ihrer Hochschule aus Sicht der Landesregierung besonders wichtig. Daher sollten Präsenzanteile im Wintersemester gerade für diese Gruppen von Studierenden vorgesehen werden, soweit dies unter den Hygieneschutzregeln möglich ist. In dieser Auffassung sind

sich die Landesregierung und die Hochschulen einig.

Aufbauend auf den Erfahrungen des Sommersemesters werden in Zusammenarbeit mit Hochschulen, Lehrenden und Studierenden erfolgreiche Elemente fortzuführen und notwendige Korrekturen vorzunehmen sein. Hierzu werden auch die länderübergreifenden Abstimmungen im Rahmen der Kultusministerkonferenz fortgesetzt.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Thümler. - Eine erste Zusatzfrage für die FDP-Fraktion stellt jetzt Frau Abgeordnete Susanne Victoria Schütz. Bitte sehr!

Vor dem Hintergrund, dass am Ende des Sommersemesters besonders die großen Prüfungsformate anstehen und es offensichtlich keine Lösung wie in den USA gibt, diese Prüfungen digital durchzuführen - das ist sowohl juristisch als auch datenschutzrechtlich nicht zulässig -, frage ich die Landesregierung, welche Unterstützung die Hochschulen z. B. bei der zusätzlichen Anmietung von großen Räumen erhalten.

Danke.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön. - Herr Minister.

Liebe Frau Schütz, die Hochschulen werden im Rahmen der Möglichkeiten so weit unterstützt, dass die Landesregierung da, wo Engpässe auftauchen, gerne hilft, entsprechende Räumlichkeiten zu finden. Im Übrigen sind die Hochschulen selbst zuständig und sehr erfinderisch darin, wie sie mit diesen Herausforderungen fertig werden. Beispielsweise hat die Leibniz Universität Hannover versucht, auf der Messe etwas zu machen und hat andere Räumlichkeiten in Anspruch genommen. Ich weiß, dass die Hochschule Hannover ein komplettes Zelt aufgebaut hat, um Prüfungen durchzuführen. Das wird in unterschiedlichen Farben und Formen gemacht. Da, wo Hilfe nötig ist, melden sich die Hochschulen und erhalten individuell eine Hilfe.

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Viehoff von Bündnis 90/Die Grünen.

Die Einhaltung der Hygienevorschriften bedingt auch für das Wintersemester für Präsenzveranstaltungen einen erhöhten Personal- und Raumbedarf und damit einen erhöhten Finanzbedarf an den Universitäten und Hochschulen. Wird die Landesregierung die Hochschulen hierbei finanziell unterstützen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön.

Liebe Frau Viehoff, ein erhöhter Finanzbedarf wird nicht erkannt. Die Hochschulen haben auch keinen erhöhten Finanzbedarf gemeldet, der sich in Personal niederschlagen könnte, sondern möglicherweise im Verbrauch von Hygienemitteln. Diese sind jedoch im normalen Geschäftsbetrieb der Hochschulen untergebracht. Daher gibt es keine Nachforderungen; es gibt aber auch keine Kürzungen.