Herr Genthe, Sie haben es eben etwas in die Lächerlichkeit gezogen: die Beschlagnahmeregeln, die wir jetzt im Katastrophenschutzrecht vorsehen. Natürlich kann man sagen, dass das alles viel zu theoretisch ist. Aber wir haben uns wirklich intensiv Gedanken gemacht, welche weiteren Fälle man sich neben der Regelung vorstellen kann, die es jetzt seitens des Bundes für den Fall einer bundesweiten pandemischen Lage gibt, und auf die wir reagieren müssen. Das ist eben nicht in Gänze der Fall, den Sie geschildert haben, sondern ein etwas anders gelagerter Fall, nämlich ein Superspreading-Ereignis, das wir in diesem Land durchaus schon gehabt haben.
Es kann ja durchaus möglich sein, dass man Schutzmaterial aus anderen Bundesländern und auch aus dem Ausland holt; wir gehen nicht wie Sie in Ihrem Beispiel davon aus, dass die internationalen Lieferketten gestört sind. Aber es kann durchaus sein, dass die Anlieferung zu lange dauert. Bei solchen besonderen Ereignissen möchten wir, dass eine Katastrophenschutzbehörde in der Lage ist, auch wenn sie den Katastrophenschutzalarm nicht ausgerufen hat, auf eventuelle Vorräte zuzugreifen. Das ist übrigens ein völlig gewöhnliches Konstrukt; das ist in Katastrophenschutzfällen völlig üblich.
Insofern will ich Ihnen sagen: Vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus den letzten Wochen und Monaten können wir gar nicht theoretisch genug denken. Es ist staatspolitische Verantwortung, dass wir die Fälle durchdenken, dass wir überlegen, wofür wir gewappnet sein müssen, damit wir vorbereitet sind, damit wir handeln können - und zwar im Sinne der Menschen und der Verantwortung für die Menschen.
Man kann natürlich anderer Meinung sein, wenn es um die kommunalpolitischen Regeln geht. Ich glaube aber, dass auch dafür zügiges Handeln angebracht ist. Das hohe Gut der kommunalen Selbstverwaltung hat in den letzten Monaten durchaus schwere Zeiten erlebt - wir alle wissen das, weil viele von uns kommunalpolitisch aktiv sind -, weil man nicht wusste, wie man tagen soll, weil man nicht wusste, wie die Entscheidungen herbeigeführt werden sollen, weil man nicht wusste, wie man in einer pandemischen Lage als kommunale Vertretung agiert.
Wir schaffen nun mit diesem COVID-19-Gesetz die Möglichkeit - es ist nur die Möglichkeit, Frau Menge, nicht die Pflicht! -, dass Vertretungen, also Räte, ihre Entscheidungskompetenz für eine kurze Zeit auf den VA übertragen, weil dort weniger Menschen als im ganzen großen Rat tagen. Wir schaffen die Möglichkeit für Tagungen per Videokonferenzschaltungen, d. h. es ist auch möglich, das nicht zu tun. Und wir schaffen die Möglichkeit, um im Umlaufverfahren auch tatsächlich rechtssichere Beschlüsse zu fassen.
Das sind ganz wichtige Regeln, die wir jetzt brauchen, um die kommunale Selbstverwaltung auch in dieser pandemischen Lage sicherzustellen. Es ist gut, dass sie in diesem Gesetz stehen.
Wir haben auch nicht nur heute Morgen im Nachtragshaushalt 1 Milliarde Euro und mehr für die Kommunen bereitgestellt, sondern wir ändern auch bestimmte Finanzregelungen, und zwar nur für die Zeit der Pandemie. Es gibt nun einmal das Phänomen, dass viele Kommunen mit ihren Haushalten in den letzten Jahren hervorragend gewirtschaftet haben. Sie haben sich angestrengt, sie haben gespart, sie haben gewisse Rücklagen aufgebaut. Aber aufgrund der Kosten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie werden diese Haushalte ins Negative gerissen. In vielen Fällen droht diesen Kommunen sogar, ein Haushaltskonsolidierungskonzept aufstellen zu müssen.
Wir sind der Meinung, dass das nicht fair und nicht richtig ist. Deswegen werden wir über das Bündelungsgesetz regeln, dass man die Corona-bedingten Ausgaben auf 30 Jahre in der Doppik passivieren kann. Außerdem regeln wir, dass ein Haushaltskonsolidierungskonzept, das eigentlich nur aufgrund der Pandemie aufgestellt werden müsste, nicht aufgestellt werden muss, sondern dass die Räte in eigener Hoheit reagieren und überlegen können, wie sie mit dieser Situation umgehen.
Das sind wichtige Regeln. Diese Regeln brauchen wir jetzt, weil kommunale Politiker planen wollen und kommunale Haushalte geplant werden müssen. Deshalb können wir nicht warten, finde ich. Das müssen wir jetzt regeln, damit Verlässlichkeit besteht, damit dort auf dieser Basis gearbeitet werden kann und damit vor Ort auch finanzpolitisch richtig auf die Corona-Pandemie reagiert werden kann.
Wir haben auch Regeln geschaffen, um zusätzliches Personal zu mobilisieren. Das Freiwilligenregister wurde angesprochen. Ja, vielleicht war es kein geschickter Weg, auf dem wir dahin gekommen sind. Aber am Ende steht das Freiwilligenregister als sinnvolle Lösung in dem Gesetz.
Die Bauregelungen, die Sie kritisiert haben und streichen wollen, dienen dazu, dass man kurzfristig Räumlichkeiten mobilisieren kann und Nutzungsänderungen vornehmen kann, ohne dafür Baugenehmigungen zu benötigen. Denn dann ist das in der Regel nicht kurzfristig möglich. Diese Regelungen brauchen wir und haben wir auch in der Vergangenheit gebraucht, um auf die Pandemie zu reagieren.
Das Gesetz enthält zudem finanzielle Regelungen. Wir regeln dort auch nicht ganz unwichtige Dinge wie andere Abrechnungsmodalitäten für Pflegeeinrichtungen, teilstationär und stationär, oder auch die Erwachsenenbildung für die Zeit der Pandemie, damit sie noch an ihre finanzielle Förderung kommen. Auch das steht in diesem Gesetz.
Alles in allem sind das wirklich wichtige, gute Regelungen, die jetzt zügig umgesetzt werden müssen und die ab heute, wenn wir das Gesetz beschlossen haben, gelten. Ich halte das für eine gute, verantwortungsvolle Antwort der Regierungskoalition auf diese Krisensituation.
Abschließend: Mit diesem Gesetz setzen wir auch als Landtag einen durchaus selbstbewussten Punkt. Denn alle diese Regelungen treten nur in Kraft, wenn entweder der Bundestag die pandemische Lage feststellt oder aber der Landtag die pandemische Lage für Niedersachsen feststellt. Frau Menge, es ist natürlich nicht mehr so - entsprechend steht es jetzt im Gesetz -, dass bei einer bestehenden bundesweiten Lage der Landtag noch zusätzlich eine entsprechende Lage feststellen kann. Diesen Punkt haben wir geklärt. Das geht nur, wenn es keine bundesweit ausgerufene pandemische Lage gibt. Das ist auch völlig klar und in der Gesetzeskonformität so angelegt.
Wir haben uns in der Debatte extra darauf festgelegt, dass wir einen Feststellungsbeschluss des Landtags wollen und eben nicht nur ein Einverständnis. Jetzt ist die Regel, dass die Landesregierung die Feststellung durch den Landtag beantragen kann, was dann für zwei Monate gilt. Wenn die Landesregierung dann keinen neuen Antrag stellt, läuft die Feststellung automatisch aus. Nur der Landtag kann sie verlängern, und nur der Landtag kann sie beenden. Ich finde, dass das eine wirklich gute Regelung mit sehr viel demokratischer Legitimation ist. Damit haben wir es in der Hand, wann diese Regeln in Kraft gesetzt werden. Das ist angemessen; das ist gut, und das zeigt, dass wir durchaus sehr selbstbewusste Parlamentarier sind.
Ich will mich auch ganz besonders beim GBD bedanken, der eine wirklich herausragende Arbeit geleistet hat - fast in voller Mannstärke - bei der Begleitung dieses Gesetzes.
Am Ende ist ein gutes Gesetz herausgekommen. In diesem Sinne auch ein ganz herzliches Dankeschön an den GBD. Ich würde mich freuen, wenn wir es heute beschließen.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Lechner. - Es liegt eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention von Herrn Dr. Genthe vor. Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Lechner, besonders den Teil Ihrer Rede, in dem Sie gesagt haben, der Weg, auf dem Sie dahin gekommen sind, sei nicht der geschickteste gewesen, kann ich wirklich unterstreichen. Da haben Sie durchaus recht.
Sie haben außerdem direkt das Katastrophenschutzgesetz angesprochen. Darum will ich das noch einmal klarstellen: Wir haben das an dieser Stelle gestrichen, weil das Katastrophenschutzgesetz wirklich eine gute inhaltliche Überarbeitung braucht. Sie haben da jetzt etwas zusammengebastelt, was nur für die Corona-Situation gelten soll, und haben in diesem Verfahren nur eine sehr verkürzte Anhörung stattfinden lassen, ohne z. B. den weißen Katastrophenschutz mit anzusprechen. Das wird der Sache einfach nicht gerecht. Wir brauchen ein aktuelles Katastrophenschutzgesetz für alle Arten von Katastrophen, die auf uns zukommen können. Aus diesem Grund haben wir das da herausgenommen.
Was die Beschlagnahmeregelungen betrifft, haben Sie gesagt, ich hätte das ein bisschen ins Lächerliche gezogen. Das stimmt nicht. Ich habe Ihnen genau die Situation erklärt, für die Ihr Gesetz gemacht ist. Und die ist lächerlich. Da haben Sie völlig recht.
Im Übrigen frage ich mich: Wenn in dem von Ihnen eben als Beispiel genannten Fall der Superspreading-Ereignisse tatsächlich irgendjemand die not
Erstens zum Katastrophenschutzgesetz: Es ist völlig unbenommen, dass wir noch eine ordentliche und auch umfassendere Katastrophenschutzgesetzreform machen. Das ist bei der Regierungskoalition, glaube ich, auch angedacht. Allerdings trägt Ihre Logik nicht. Auch wenn ich später noch eine grundständige Katastrophenschutzgesetzreform
mache, kann ich doch jetzt schon Regelungen vorziehen und zügig umsetzen, wenn ich weiß, dass sie Menschen helfen, uns in der Pandemie Hilfe zu leisten. Und genau das tun wir. Wir ziehen aus einer möglichen grundständigen Katastrophenschutzgesetzreform die Regelungen vor, die jetzt anwendbar sind, die jetzt notwendig sind, die wir jetzt brauchen. Ich halte das für verantwortungsvolles Handeln.
Zweitens. Sie haben gesagt, dann könne man Schutzausrüstung kaufen. Ja, richtig. Nach dem Katastrophenschutzgesetz ist eine Beschlagnahme auch nur dann möglich, wenn es keine anderen Wege und auch keine anderen Möglichkeiten gibt, an die Schutzausrüstung zu kommen, oder wenn der Aufwand zur Nutzung dieser Möglichkeiten zu hoch ist, sodass sich das nicht lohnt. Nur dann darf ich überhaupt beschlagnahmen. Wir hatten allerdings - und das gehört zur Wahrheit dazu - in der Vergangenheit auch viele Fälle, in denen Menschen im Besitz von Schutzmaterial waren und es uns gerne verkauft hätten, aber natürlich zu horrenden Preisen. Sie haben also versucht, aus dieser Notlage Nutzen zu ziehen. Genau das wollen wir in der Zukunft nicht mehr erleben.
Vielen Dank, Herr Kollege Lechner. - Nun hat für die AfD-Fraktion der Kollege Stephan Bothe das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lechner, Sie sprachen eben in Ihrer Rede von sinnvollen Änderungen. „Sinnvoll“ ist ja immer etwas Subjektives. An dieser Stelle stellt sich die Frage der Notwendigkeit und auch der Notwendigkeit der Zügigkeit der Änderung der Rechtsvorschriften. Deswegen möchte ich hier einmal einen anderen Ansatz wählen.
Aus den Statistiken der Mai-Ausgabe der Statistischen Monatshefte Niedersachsen geht hervor, dass es im Vergleich zu den Jahren 2018 und 2019 in den Monaten Januar bis März keine überproportionale Sterblichkeit in Niedersachsen gegeben hat. Auch wenn das nur Rohdaten sind: Bei diesen Zahlen kann auf keinen Fall von einer epidemischen Lage landesweiter Tragweite gesprochen werden.
Die Zahlen für das zweite und das dritte Quartal - sprich: für April bis September - liegen uns heute noch gar nicht vor. Also wissen wir bis heute gar nicht, wie groß die Tragweite dieser Pandemie eigentlich im Vergleich zu der Sterblichkeit und den Erkrankungszahlen der Vorjahre ist. Daher macht ein Schnellschuss dieser Art überhaupt keinen Sinn.
Sinnvoller wäre hingegen eine lückenlose Aufklärung des gesamten Pandemiegeschehens. Dafür brauchen wir aber belegbare Zahlen. Diese werden wir nicht vor 2021 haben.
Zu einer lückenlosen Aufarbeitung gehört auch die Überprüfung der bei uns bereits vorhandenen Werkzeuge; Sie haben sie auch schon angesprochen. Dazu zählen vor allen Dingen der Pandemieplan, der bereits seit 2005 ein zentrales Thema im Bereich des Infektionsschutzes ist, sowie das Infektionsschutzgesetz selbst und bei Gefahren noch größeren Ausmaßes das von Ihnen angesprochene Katastrophenschutzgesetz.
Problematiken, die bei einer solchen Aufarbeitung möglicherweise auftreten sollten, müssten dann in der Evaluation hier behandelt werden. Das könnten wir eigentlich frühestens nächstes Jahr tun. Aber genau für diese Situation sind diese Instrumente, Herr Kollege Lechner, geschaffen worden.