Protokoll der Sitzung vom 14.09.2020

Ich danke herzlich für die sich abzeichnende breite Mehrheit zu dieser Vorlage.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, warten Sie bitte ganz kurz! Ich wollte Ihre letzten Sätze nicht unterbrechen, aber es gibt noch eine Frage des Abgeordneten Wenzel. Würden Sie die noch zulassen?

Ich finde, das war ein runder Beitrag. Das möchte ich gerne an der Stelle abgeschlossen haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Das nehmen wir hiermit so zur Kenntnis.

Uns liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir schließen hiermit die Beratung und kommen zur Einzelberatung. Ich bitte Sie alle, Platz zu nehmen. - Vielen Dank.

Ich rufe auf:

Artikel 1 einschließlich Anlage. - Hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich, aufzustehen.

(Unruhe)

- Handheben reicht. Alles gut! Ich bin immer für Bewegung. Es tut mir leid. Das Aufstehen machen wir dann am Ende.

Also noch einmal: Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sehe ich nicht.

Artikel 2. - Unverändert.

Gesetzesüberschrift. - Unverändert.

Jetzt kommen wir zur Schlussabstimmung durch Aufstehen. Wer dem Gesetzentwurf so zustimmen möchte, der steht bitte auf. - Die Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf wurde mit großer Mehrheit so angenommen. Vielen Dank Ihnen.

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zum

Tagesordnungspunkt 8: Abschließende Beratung: Löschmoratorium für NSU-Akten wiedereinsetzen - Aufklärung ermöglichen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/6000 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes -

Drs. 18/6931

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir steigen in die Beratung ein. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich der Abgeordnete Helge Limburg zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im November 2011, also vor neun Jahren, hat sich der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund - eine rechtsextreme Terrorgruppe - selbst enttarnt. In der Folgezeit gelangten grausige, schreckliche Details über das Morden und über Bombenanschläge dieser Gruppierung und ihrer Helfershelfer in Deutschland über viele Jahre ans Tageslicht.

Relativ schnell nach Aufdeckung der Terrorgruppe zeigte sich, dass es starke Bezüge nach Niedersachsen gibt. Zwar hat diese Gruppierung nach derzeitigem Kenntnisstand - wie man immer sagen muss - keine Straftaten, also Morde oder Anschläge, in Niedersachsen verübt. Aber einer der wichtigsten Helfer dieser Gruppierung, Holger G., hatte lange Zeit seinen Wohnsitz in Niedersachsen und hatte, wie wir heute mittlerweile wissen - wie auch die Landesregierung auf unsere Große Anfrage zum NSU im vergangenen Jahr dargestellt hat -, etliche Bezüge zur rechtsextremen Szene in Niedersachsen.

Darüber hinaus - auch das hat Ihr Haus, Herr Innenminister, in der Antwort auf die Große Anfrage damals dargestellt; an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank dafür - ist das einzige überlebende Mitglied zumindest der Kerngruppe des NSU, Beate Zschäpe, auf ihrer Flucht mehrfach in Niedersachsen gewesen und hat sich dort aufgehalten. Die Hintergründe dafür sind bis heute offen.

Beate Zschäpe und einige Helfershelfer sind in einem Strafprozess durch das Oberlandesgericht München teils zu langen Haftstrafen und teils zu eher milden Strafen, wie man sagen muss, verurteilt worden. Aber parallel laufen weiter Verfahren. Der Generalbundesanwalt führt gegenwärtig immer noch Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt. Parallel versuchen natürlich zivilgesellschaftliche Initiativen - die ich an dieser Stelle auch ausdrücklich würdigen möchte -, weiterhin Licht ins Dunkel zu bringen.

Denn das müssen wir doch alle miteinander konstatieren: Vieles rund um das schreckliche verbrecherische Wirken des NSU ist nach wie vor unklar. Dazu gehören die Auswahl der konkreten Mordopfer und vor allem die Frage: Welche Verbindung gab es jeweils zur lokalen Naziszene? - Hinweise darauf, dass es solche Verbindungen gegeben hat, gibt es durchaus, auch wenn das teilweise im Strafprozess negiert worden ist. Bei vielen dieser Morde mag man doch nicht an Zufall glauben. Denken Sie z. B. daran, dass der Mord in Dortmund in einer der Hochburgen der Naziszene in Nordrhein-Westfalen verübt worden ist. Oder denken Sie an den Bombenanschlag auf das Geschäft in Köln, das von außen überhaupt nicht als Geschäft eines Menschen mit Migrationshintergrund erkennbar gewesen ist und wo offensichtlich sehr gezielt vorgegangen worden ist. Es gibt weitere Beispiele. Hier dauernd nur an Zufall zu glauben, erscheint doch sehr unwahrscheinlich.

Es sind also zahlreiche Fragen offen. Wir werden natürlich vielleicht damit leben müssen, dass wir nicht alle Fragen jemals werden beantworten können. Aber wir müssen doch alles in unserer Macht Stehende tun, um solche Fragen zu beantworten.

Einen Beitrag dazu, offene Fragen zu beantworten, können natürlich Akten des Verfassungsschutzes oder anderer Sicherheitsbehörden liefern - möglicherweise selbst dann, wenn wir jetzt in die Akten schauen und feststellen, dass sie scheinbar nichts von Belang enthalten.

Wir wissen das von anderen, vergleichbaren Fällen. Denken Sie nur an das Oktoberfest-Attentat, bei dem heute, 40 Jahre später, weiterhin viele Fragen offen sind und bei dem sich übrigens die Bundesregierung leider weigert, alles das offenzulegen, was sie darüber weiß! Beim OktoberfestAttentat hat man viele Dinge erst nach vielen Jahren in einen neuen Zusammenhang gestellt, neu beleuchtet und festgestellt, dass es zumindest Hinweise auf weitere Verbindungen in die rechts

extreme Szene gibt. Um solchen Hinweisen aber auch später noch und z. B. im laufenden Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft nachgehen zu können, ist es natürlich notwendig, dass dann auch alle Akten vorhanden sind. Gegenwärtig werden wieder Akten des Verfassungsschutzes zum NSU gelöscht. Das ist im Grundsatz natürlich richtig. Wir sind die Letzten, die Datenschutz nicht hochhalten. Natürlich ist es richtig, dass nach Ablauf von Speicherfristen Akten des Verfassungsschutzes gelöscht werden. Wenn aber noch Ermittlungsverfahren der Generalbundesanwaltschaft

laufen, dann meinen wir, dass es richtig ist, das Moratorium, das der Innenminister in der Vergangenheit bereits verhängt hat, zu verlängern.

Wir fordern, das Moratorium für NSU-Akten zu verlängern, solange es noch zumindest die Chance gibt, weitere wichtige schwerwiegende Fragen in dieser beispiellosen Mordserie aufzuklären. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Limburg. - Für die CDU-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet der Abgeordnete Thomas Adasch.

(Beifall bei der CDU)

Bitte, Herr Kollege Adasch!

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Verbrechen des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds - NSU - gehören ohne jeden Zweifel zu den schrecklichsten Taten der deutschen Nachkriegsgeschichte. Im Namen dieser unsäglichen Ideologie wurden zehn Menschen heimtückisch ermordet. Bei drei Sprengstoffanschlägen und zahlreichen Raubüberfällen wurden mehrere Menschen teilweise schwer verletzt. Zurück bleiben traumatisierte Opfer und Angehörige.

Aufseiten der beteiligten Sicherheitsbehörden kam es zu zahlreichen Fehlern. In Richtung einer rechtsextremen Motivation wurde kaum ermittelt. Opfer wurden verdächtigt, in kriminelle Zusammenhänge verstrickt zu sein. Die Leitmedien sprachen von „Döner-Morden“.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Taten, Tatfolgen und Ermittlungspannen haben uns alle erschüttert zurückgelassen. Gerade in diesem Fall

ist eine umfangreiche Aufklärung der Sachverhalte notwendig - zum einen für die Opfer und Angehörigen, zum anderen, um zukünftig Fehler zu vermeiden.

Auf den ersten Blick scheint der Antrag der Grünen auf Wiedereinsetzung des Löschmoratoriums für NSU-Akten daher naheliegend.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Auf den zweiten Blick, Herr Kollege Limburg,

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ja, auch!)

ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Grundsätzlich existieren gesetzliche Löschfristen, die nur bei einem besonderen sachlichen Grund außer Kraft gesetzt werden können. Dieser lag durch die parlamentarische Überprüfung und das Interesse an der Aufklärung des NSU-Komplexes vor. Nach Bekanntwerden des NSU im Jahre 2011 wurde ein Löschmoratorium für sämtliche Unterlagen mit Bezug zum Rechtsextremismus angeordnet. Der niedersächsische Verfassungsschutz nahm eine umfassende Auswertung von Akten des Bereichs Rechtsextremismus vor und stellte die Ergebnisse dem Generalbundesanwalt in Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in Bund und Ländern zur Verfügung.

Nach dem Abschluss sämtlicher Parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, bei denen es zu Zulieferungen Niedersachsens kam, lag kein sachlicher Grund für ein Löschmoratorium mehr vor. Es wurde daher im September 2017 aufgehoben. Der niedersächsische Verfassungsschutz hat danach gemäß den geltenden gesetzlichen Vorgaben Löschungen vorgenommen. Abgesehen von fehlenden Sachgründen für eine Wiedereinsetzung sind somit auch weite Teile der fraglichen Daten gar nicht mehr vorhanden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der niedersächsische Verfassungsschutz hat die relevanten Daten ausgewertet und zugänglich gemacht. Es sind keine Sachgründe für eine Wiedereinführung des Löschmoratoriums gegeben, und die Daten sind in großen Teilen nicht mehr vorhanden. Daher lehnen wir eine Wiedereinführung ab.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)