Protokoll der Sitzung vom 30.11.2020

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich verlese die Dringliche Anfrage der FDP-Fraktion.

Wird aus dem Lockdown Light ein Lockdown Long?

Am 25. November 2020 berieten sich die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten erneut mit der Bundeskanzlerin und verlängerten den Lockdown Light. Der ursprünglich nur für den Monat November angedachte Lockdown könnte nun laut

Beschluss bis über den Jahreswechsel hinaus andauern.

In der ab dem 1. Dezember 2020 geplanten Verordnung werden die Kontaktbeschränkungen mit Ausnahme der Weihnachtstage nochmals verschärft. Dienstleister, Theater, Kinos, Museen, Restaurants, Kneipen, Schwimmbäder, Sportstätten und viele weitere Freizeitanbieter müssen weiterhin ihre Türen geschlossen halten.

Private Zusammenkünfte sind auf zwei Haushalte und maximal fünf Personen beschränkt. Kinder sind ausgenommen. Außerdem gibt es zu Beginn des Weihnachtsgeschäftes strengere Auflagen für den Einzelhandel. Hier soll ab einer Geschäftsgesamtfläche von 800 m2 ein Kunde pro 20 m2 statt ein Kunde pro 10 m2 gestattet sein.

Kinder und Jugendliche werden ab dem 21. Dezember in die Ferien geschickt. Die Schulen sollen bis dahin geöffnet bleiben und erst in den Wechselunterricht übergehen, wenn der Inzidenzwert 200 in der entsprechenden Region überschritten wird.

Viele Betroffene in den geschlossenen Branchen befinden sich bereits jetzt in existenziellen Nöten und stehen kurz vor dem Aus und erhoffen sich eine langfristige Perspektive und Planungssicherheit für die kommenden Wochen und Monate.

Auch wächst die Verunsicherung bei den Bewohnern von Pflegeeinrichtungen und Altersheimen und deren Angehörigen über die bevorstehende Weihnachtszeit. Viele befürchten, dass der Familienbesuch nicht möglich sein wird. Erst im Mai erklärte der Ministerpräsident in einer Regierungserklärung - ich zitiere wörtlich -:

„… für eine erfolgreiche Krisenbewältigung müssen alle Bereiche unserer Gesellschaft ein Gefühl dafür gewinnen, wann und unter welchen Bedingungen sie einen einigermaßen normalen Alltag wieder aufnehmen können.“

Vor diesem Hintergrund stellen wir folgende Fragen zu der neuen Corona-Verordnung:

1. Unternimmt die Landesregierung etwas, um den Betroffenen eine langfristige Strategie und Planungssicherheit über die gesamten Wintermonate (bis April 2021) zu bieten, und wenn ja, was?

2. Wie, durch welche Instanz und zu welchem Zeitpunkt werden im schulischen Kontext Cluster definiert?

3. Vor dem Hintergrund der bisher ungeregelten Abstände beim Schülertransport und im Personennahverkehr (SPNV, ÖPNV): Wie begründet die Landesregierung die 10- bzw. 20-m2-Regelung im Einzelhandel?

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Für die Landesregierung antwortet auf die Anfrage der FDPFraktion Frau Dr. Reimann. Bitte schön, Frau Ministerin!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Gerne beantworte ich die Fragen.

Lassen Sie mich vorweg eines bemerken - bei der Beratung der Anträge heute Morgen hatte ich das schon erläutert -: Das Infektionsgeschehen jetzt ist deutlich heftiger als das, was wir im Frühjahr und in den darauf folgenden Sommermonaten gesehen haben. So lag die Zahl der aktuell Infizierten in Niedersachsen Ende Juli bei rund 550, Ende Oktober waren es fast 10 000 Personen, und jetzt sind es - Stand heute - etwa 19 800 Personen. Der Höchstwert der täglichen Neuinfektionen lag im Frühjahr bei etwa 450, zuletzt bei 1 300. Heute haben wir wieder so einen Montagswert, der niedriger ist. Wir beobachten eine deutliche Zunahme der Zahl der Infektionen gerade bei Älteren, und damit geht ein höheres Risiko besonders schwerer Erkrankungen einher.

Wir müssen - dies auch noch einmal - die Dynamik der Infektionen schnell und wirksam brechen und damit zugleich gravierende zusätzliche Schäden vermeiden. Deshalb haben wir die Verordnung angepasst, die Maßnahmen verlängert und, wo nötig, moderat verschärft.

Das wirksamste Mittel zur Eindämmung der Pandemie ist und bleibt Kontaktreduzierung. Es ist und bleibt erforderlich, alle nicht notwendigen Kontakte unbedingt zu vermeiden und dort, wo Begegnungen stattfinden, AHA plus C und L - Abstand, Hygienemaßnahmen, Alltagsmasken, Corona-WarnApp, Lüften - immer einzuhalten. Ziel der Maßnahmen ist es, die Sieben-Tage-Inzidenz auf unter 50 zu senken, damit die Nachverfolgung der Infektionsketten wieder überall möglich ist.

Das vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

In Frage 1 haben Sie nach der langfristigen Strategie und der Planungssicherheit über die gesamten Wintermonate gefragt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, alle Einschränkungen sind befristet und abhängig vom Infektionsgeschehen. Das ist hier heute Morgen schon mehrfach deutlich geworden. Dabei beobachten wir ständig und steuern entsprechend der Infektionslage. Ich gehe aber davon aus, dass der jetzige Wintermodus in den nächsten Monaten bleiben wird. Ein Ende der Beschränkungen kann momentan niemand versprechen. So bitter das für uns alle und insbesondere auch für die betroffenen Unternehmen, Branchen und Einrichtungen ist: Belastbare Planungssicherheit auf lange Sicht kann es nicht geben - noch nicht.

Wir lernen ständig hinzu, und gegenüber dem Frühjahr wissen wir viel mehr - nicht nur über das Virus und was es dann letztlich bei den Patienten bzw. im menschlichen Körper anrichtet, sondern auch darüber, wie wir uns schützen können und wie COVID-Erkrankte behandelt werden können. Wir können mehr und wir können gezielter testen. Ich will auch sagen: Wer hätte im Frühjahr gedacht, dass so schnell ein wirksamer Impfstoff oder sogar mehrere wirksame Impfstoffe entwickelt werden können?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das alles gibt uns Hoffnung und Zuversicht. Wir sind auf einem guten Weg. Bis zu einer Normalisierung haben wir aber noch einen langen Weg vor uns, und wir können heute noch nicht sicher sagen, wie lang er tatsächlich ist.

Bund und Länder sind sich einig, dass die finanzielle Unterstützung für die von den temporären Schließungen betroffenen Unternehmen, Betriebe, Selbstständigen, Vereine und auch Einrichtungen fortgeführt wird. Auch das ist gerade schon erläutert worden. Die Novemberhilfe wird in den Dezember verlängert, und auch das Regelwerk der Überbrückungshilfe III wird entsprechend verlängert und noch einmal ausgeweitet. Diese Hilfen zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der

Corona-Pandemie sind für Unternehmen und für Beschäftigte essentiell und natürlich ein wichtiges Element für die erforderliche Akzeptanz der notwendigen Schutzmaßnahmen bei den Bürgerinnen und Bürgern hier in Niedersachsen.

Gleichzeitig sind diese Hilfen mit hohen Kosten für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verbunden. Allein die Hilfen des Bundes für den November werden einen Umfang von 15 Milliarden Euro haben. Diese Hilfen sollen im Rahmen der Vorgaben des EU-Beihilferechts für den Zeitraum der temporären Schließungen im Dezember durch den Bund fortgeführt werden. Wir haben heute schon gehört, dass am Freitag der Bundesfinanzminister verkünden konnte, dass es grünes Licht von der EU-Kommission dazu gibt. In die entsprechenden Förderprogramme sind ausdrücklich auch Schausteller und Marktkaufleute einzubeziehen. Aufgrund der Dauer der Einschränkungen wurde der Beihilferahmen für einfache pauschale Regelungen von vielen Unternehmen bereits umfassend in Anspruch genommen.

Für Wirtschaftsbereiche, die absehbar auch in den kommenden Monaten erhebliche Einschränkungen ihres Geschäftsbetriebes hinnehmen müssen, ohne von Schließungen betroffen zu sein, wird der Bund im Rahmen der Überbrückungshilfe III die Hilfsmaßnahmen bis Mitte 2021 verlängern und die Konditionen für die hauptbetroffenen Wirtschaftsbereiche verbessern. Das betrifft insbesondere den Bereich der Kultur- und Veranstaltungswirtschaft, die Soloselbstständigen und die Reisebranche.

Neben den Hilfen für die Unternehmen hat der Bund durch die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes dazu beigetragen, dass auch die sozialen Belange und die Belange der Beschäftigten in der Pandemie mit entsprechenden Hilfen berücksichtigt werden.

Sie hatten in Frage 2 gefragt, was denn ein Cluster ist, wenn ich es so zusammenfassen darf, und zwar im schulischen Kontext.

Grundsätzlich wird unter einem Cluster eine räumliche und/oder zeitliche Häufung von Fällen über das erwartete Maß hinaus verstanden. Ein Ausbruch wird deswegen manchmal auch als Cluster bezeichnet. Im schulischen Kontext werden in den Beschlüssen der Videoschaltkonferenz der Kanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder am 25. November die Begriffe „Cluster“ und „rückwirkende Clusterkontrollen“ im Hinblick auf das Ziel der Unterbrechung der Infektionsketten verwendet. Relevant ist dabei, beim Auftreten eines Falles rückwirkend zu untersuchen, ob es noch bisher unentdeckte Fälle - in diesem Fall in der Lerngruppe - gegeben hat.

Dann haben Sie gefragt: Wie begründet die Landesregierung die 10- bzw. 20-m2-Regelung im Einzelhandel?

Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben sich auf folgendes bundeseinheitliches Vorgehen verständigt: Der Groß- und Einzelhandel bleibt geöffnet, die Maskenpflicht wird erweitert und gilt dann künftig eben auch vor den Geschäften und auf Parkplätzen, und die Bevölkerung wird aufgerufen, ihre Weihnachtseinkäufe möglichst auch unter der Woche zu tätigen. Generell gilt, dass sich in einem Handel mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 m2

insgesamt höchstens eine Person pro 10 m2 Verkaufsfläche und in einem Handel mit einer Verkaufsfläche ab 801 m2 insgesamt auf der Fläche bis zu 800 m2 höchstens eine Person pro 10 m2

und auf der 800 m2 übersteigende Fläche höchstens eine Person pro 20 m2 Verkaufsfläche befinden sollen. Für Einkaufszentren - wir hatten die Debatte ja schon im Frühjahr - ist die jeweilige Gesamtverkaufsfläche anzusetzen.

Durch ein abgestimmtes Einlassmanagement

müssen Einkaufszentren und Geschäfte verhindern, dass es im Innenbereich von Einkaufspassagen und -zentren zu unnötigen Schlangenbildungen kommt.

Wirtschafts- und Arbeitswelt werden mit dem Beschluss aufgefordert, die Schutz- und Hygieneregeln einzuhalten. Dieses gemeinsame Vorgehen wird auch in Niedersachsen umgesetzt und ist zur weiteren Kontaktreduzierung erforderlich - das will ich nochmal sagen -, damit die Dynamik des Infektionsgeschehens schnell und wirksam gebrochen werden kann.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke Ihnen. - Die erste Zusatzfrage aus der FDPFraktion: Herr Abgeordneter Grascha, bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vor dem Hintergrund eines Artikels in der Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen am 3. November 2020 frage ich die Landesregierung, ob sie die Meinung des Ministerpräsidenten teilt, dass die Bürgerinnen und Bürger dazu aufgerufen werden sollten, Corona-Verstöße zu melden.

(Beifall bei der FDP)

Der Ministerpräsident möchte direkt antworten. Bitte schön, Herr Ministerpräsident!

Sehr verehrter Herr Kollege Grascha, ich weiß nicht, ob Sie den Zeitungsartikel richtig zitiert haben. In diesem Fall wäre ich allerdings nicht richtig zitiert worden. Ich habe nämlich darauf aufmerksam gemacht, dass jede und jeder von uns derzeit eine eigene Verantwortung hat - und zwar für das, was wir tun, wie auch für das, was wir nicht tun.

Dabei reden wir nicht über einzelne Maskenverstöße; das ist ja völlig klar. Aber ich kann Ihnen Beispiele aus der Praxis nennen, mit denen ich zu tun habe: Wenn eine Dame feststellt, dass in einem bestimmten Supermarkt die Hygienevorschriften von vorne bis hinten nicht eingehalten werden und dass auch das Ansprechen des Betreibers nicht hilft, wenn sie dann den Behörden Bescheid gibt und dort auf Desinteresse stößt, dann sollte sie sich z. B. an die Staatskanzlei wenden und fragen, was sie machen soll. Das ist aus meiner Sicht kein Denunziantentum! Das ist Verantwortungsbewusstsein.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das hörte sich beim NDR aber anders an!)

- Lieber Herr Kollege Birkner, Sie mögen darüber lachen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Ich lache darüber, weil Sie uns was anderes gesagt haben!)