Sie fordern eine umfassende Bestandsaufnahme des niedersächsischen Schulsystems, weil wir „einen hinreichend großen Zeitrahmen zur Datenerhebung“ haben sollen. Das ist ein Hohn für jede und jeden, die und der sich täglich für die Verbesserung an unseren Schulen einsetzt.
Nehmen wir aber einmal an, dass eine solche Umfrage stattfinden würde, die nebenbei Unmengen an finanziellen sowie personellen Ressourcen in Anspruch nehmen würde. Was wollen Sie mit dieser Umfrage denn überhaupt erreichen? Das hat der Kollege gerade ja auch schon gefragt.
Eine solide Umfrage benötigt vorab ein Auswertungskonzept. Dazu kann ich in Ihrem Antrag nichts lesen. Mit einer reinen Datensammlung ist uns nicht geholfen.
Ganz abgesehen davon - wie bereits gesagt wurde -, liegen uns viele Daten bereits vor, z. B. von der Unterrichtsversorgung. Jetzt würden Sie vermutlich erwidern, dass diese nicht immer den aktuellen Istzustand an Schulen widerspiegelt. Aber da hilft auch Ihre Umfrage nicht; denn zwischen Abfrage und Auswertung würde ebenso viel Zeit liegen.
Und was soll die Gründung eines Gremiums, das diese viel zu weitreichende Umfrage begleiten soll? Wir arbeiten im Kultusausschuss konstruktiv und zielgerichtet; ein weiteres Gremium wäre nicht nur obsolet, sondern sogar kontraproduktiv. Mit der Um
setzung dieser Forderung wäre den Schulen in Niedersachsen also nicht geholfen, sondern sie würden vielmehr blockiert, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zielgerichtete Handlungsmaßnahmen ergeben sich nicht nur aus dem stetigen Dialog, den wir seit Jahren mit den Schulen pflegen; wir sind auch auf kommunaler Ebene in engem Austausch. So hat Ministerin Hamburg schon mehrfach darauf hingewiesen, dass sie intensive Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden führt. Es ist bekannt, dass wir an den Schulen vor großen Herausforderungen stehen. Aber die Ist-Soll-Analyse gelingt nicht durch Umfragen, sondern durch direkten und persönlichen Dialog. Wir wollen die Schulen nicht blockieren, sondern mit ihnen gemeinsam an Lösungen arbeiten.
Zum Beispiel zum Thema Inklusion, welches Sie unter Nr. 1 f aufführen: Gestern Abend war ich mit meiner Kollegin Lange bei einem sehr informativen Austausch der GEW Hannover. Vor Ort waren Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Schulformen, und es wurde berichtet, wie Inklusion an Schulen schon gelebt wird und vor welchen Herausforderungen die Umsetzung noch steht. Erst letzte Woche war ich mit unserem Ministerpräsidenten an einer Grundschule in meinem Wahlkreis, um über deren Konzept der Inklusion zu sprechen und die Umsetzung vor Ort anzuschauen.
Solche Dialoge sind viel zielführender als standardisierte Erhebungen. Abgesehen davon könnte das komplexe Thema der Inklusion alleiniger Untersuchungsgegenstand einer Umfrage sein. Nur so kann gemeinsam und zielgerichtet an Verbesserungen gearbeitet werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Da ich mich gar nicht so lange mit solchen absurden Ideen beschäftigen möchte, lediglich ein paar abschließende Worte:
Der vorliegende Antrag möchte Ressourcen binden, die wir an anderen Stellen dringend benötigen. Wir brauchen nicht noch mehr Bürokratie an Schulen. Was wir brauchen, sind zielgerichtete Lösungsansätze, von denen unsere Kinder schnell profitieren. Das gelingt nur durch einen stetigen Austausch mit allen beteiligten Akteurinnen und Akteuren und nicht durch ein ressourcenverschlingendes, bürokratisches Großprojekt.
Viel zielführender wäre es aber, wenn wir dem Ausschuss nicht die Zeit für die wirklich dringenden Themen an den Schulen rauben würden.
Nun nur noch eine persönliche Anmerkung: Ich bin auch nicht traurig darüber, dass Grant Tonne nicht mehr Kultusminister ist - nicht, weil ich nicht zufrieden mit ihm gewesen wäre, sondern weil ich ihn jetzt als ganz tollen Fraktionsvorsitzenden habe.
Die nächste Wortmeldung nach allgemeiner Heiterkeit liegt aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, vom Kollegen Pascal Mennen.
Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Kolleg*innen! Die Junge Alternative wird vom Bundesverfassungsgericht als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.
(Jens-Christoph Brockmann [AfD]: Stehe ich vorm Bundesverfassungsge- richt? - Weitere Zurufe von der AfD - Gegenruf von Wiard Siebels [SPD]: Hallo! Beruhigen Sie sich mal! - Glocke des Präsidenten)
Wenn nun also ihre geistigen Väter mit uns über Bildung sprechen und die „Schulen auf den Prüfstand“ stellen wollen, dann bin ich - und das sollten wir alle hier im Haus sein - besonders aufmerksam.
Einen kleinen Moment, bitte, Herr Mennen! - Herr Mennen hat jetzt das Wort, und die AfD-Fraktion hätte sogar noch 31 Sekunden Zeit, um darauf zu reagieren. Darum bitte ich Sie, den Redner jetzt ausführen zu lassen.
Es passt hervorragend zu dem, was Herr Reinken gerade eben zu Ihnen gesagt hat. Kompetenzorientierung ist etwas, was spätestens seit Einführung der Bildungsstandards 2003 wissenschaftlich erwiesen in den Schulen angekommen ist. Eine zusätzliche Verankerung zum Fachwissen im Bereich des Könnens, also des Erlernens und Erprobens des Fachwissens - Handlungskompetenz nennt man das -, ist unter Lehrkräften überhaupt nicht umstritten und in der Wissenschaft auch nicht. Die stellen Sie mal wieder, hervorragend belegt durch Ihr Klatschen gerade eben, infrage.
(Beifall bei den GRÜNEN - Klaus Wichmann [AfD]: Oh ja! Es gibt auch andere Stimmen in der Wissenschaft! Die wollen Sie nur nicht hören!)
Sie fordern in Ihrem Antrag die Erhebung einer riesigen Menge an Daten. Ich kann Ihnen schon heute sagen, dass Sie diese Daten zu einem Großteil bereits einmal pro Jahr aus dem Kultusministerium bekommen. Da müssen Sie nicht immer Kleine Anfragen stellen. Die Veröffentlichung „Zahlen und Daten zum Schuljahr XY“ erscheint einmal im Jahr. Da ist der allergrößte Teil von dem, was Sie fordern, bereits enthalten.
Ich würde ganz klar sagen: Wir brauchen nicht mehr Daten, wir müssen den Lehrkräften und Schulleitungen zuhören und die vorhandenen Daten nutzen.
Ich besuche im Schnitt jede Woche eine Schule und das, obwohl ich Lehrer bin und auch aus dem System komme. Das, was Sie in Ihrem Antrag „Prüfstand“ nennen, würde ich einen „Ideologie-TÜV“ nennen. Der funktioniert ganz nach Ihrem verqueren Gusto. Wenn man sich diesen Antrag auf der Zunge zergehen lässt, dann erkennt man, dass das, was Sie erheben wollen, nebenbei auch Ihre erschütternde Unkenntnis über die vorliegenden Daten und die schulische Wirklichkeit offenbart.
Wenn ich sehe, dass Sie gleich mehrere Gremien bilden wollen, die sich mit diesem bürokratischen Monster, das Sie hier erschaffen, beschäftigen sollen, dann frage ich mich, wie wir die Zeit aufbringen
wollen, die wir für die Lösung der Probleme an den Schulen, von denen uns die Lehrkräfte und Schulleitungen jeden Tag erzählen, benötigen.
Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Antrag verkennt die Praxis und bringt sie in keiner Weise voran.
Federführend soll der Kultusausschuss sein, mitberatend soll der Ausschuss für Haushalt und Finanzen sein. Auch da bitte ich um Ihre Zustimmung - oder Ablehnung. - Herzlichen Dank.
Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung: Gute Personalausstattung im niedersächsischen Justizvollzug sicherstellen - belastbares Personalbemessungssystem entwickeln und umsetzen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 19/1238