Protokoll der Sitzung vom 18.09.2008

Das ist zu wenig, meine sehr geehrten Damen und Herren. Deshalb appelliere ich an Sie: Finden Sie den Mut zur echten Weiterentwicklung der Bildungsregionen. Verschenken Sie nicht unser aller Zeit mit solchen Schauanträgen. Denn gerade für die Schulpolitik gilt: Stillstand ist Rückschritt. – Danke sehr.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Kollege Link. – Für die Grünen spricht jetzt Frau Abgeordnete Beer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kaiser, ich würde gerne das zusammenfassen, was Sie ausgeführt haben, und in der Konzentration dem Ergebnis, zu dem Sie gekommen sind, ausdrücklich zustimmen:

Erstens. Gute Schulen werden vor Ort gemacht, sie können nicht zentral verordnet werden.

Zweitens. Man muss den regionalen Gegebenheiten Rechnung tragen. Dabei müssen alle Akteure ernst genommen werden und sich einbringen können.

Wenn wir darin übereinstimmen, warum lassen Sie den Kommunen keine Gestaltungsfreiheit bei der Entwicklung ihrer Schullandschaft?

(Beifall von den GRÜNEN)

Warum werden dann in diesem Land Anträge wie in Bezug auf die Schulen in Horstmar und Schöppingen nicht genehmigt? Wenn Sie es ernst meinen, Herr Kaiser, müssten Sie endlich all die Sperrfeuer beiseitenehmen und den Kommunen Gestaltungsfreiheit geben. Das fordern die Schulträger ein, die sich ihrer Bildungsverantwortung sehr bewusst sind. Die Kommunen fühlen sich nicht ernst genommen. Genau diese Diskussion erleben Sie, wenn Sie im Land unterwegs sind, Herr Kaiser.

Ich muss Ihnen auch vorhalten, dass Sie mit Ihrem Antrag positiv gestartet sind, Herr Kaiser, dann wird es aber leider wieder sehr restriktiv gehandhabt.

Der Umgang der Landesregierung – das müssen Sie doch zugeben – mit dem Erbe des Modellvorhabens „Selbstständige Schule“ ist eher ein Trauerspiel und kein Fall zum Jubeln. Nordrhein-Westfalen – damals unterstützt durch die Bertelsmann Stiftung – war Vor

reiter im Ausbau der Eigenverantwortlichkeit von Schulen; das ist keine Erfindung von Schwarz-Gelb. Es war auch Vorreiter, eine grundsätzlich andere Steuerung im System zu verankern. Andere Bundesländer haben sich an uns orientiert. Fast überall sind nun Modellvorhaben eingerichtet worden, und es werden Modelle regionaler Bildungslandschaften entwickelt.

„Selbstständige Schule“ in Nordrhein-Westfalen, eingebettet in regionale Bildungslandschaften, hatte richtig Fahrt aufgenommen. Die Zielperspektive war sehr deutlich: Selbstständigkeit ist kein Selbstzweck, sondern dient der Verbesserung der Unterrichtsqualität, der Schulkultur, der Verbesserung von Leben und Lernen in der Schule.

Auch die Vernetzung innerhalb der Bildungslandschaft muss klaren Zielen dienen: Gestaltung von Bildungswegen ohne Brüche, kein Kind darf verloren gehen. Deshalb müssen alle Akteure eng miteinander kooperieren.

Wie ich eben schon ausgeführt habe: Genau das haben Sie zurückgeführt. Sie richten neue Lernbarrieren auf, Sie versagen den Kommunen Gestaltungsfreiheit, und deswegen kann man wahrhaftig nicht von regionalen Bildungsnetzwerken sprechen, die ernst genommen werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Selbstständige Schule und die vielfältigen Entwicklungen, die wir in Gang gesetzt haben, wurden von der schwarz-gelben Regierung hart ausgebremst. Das wirkt nach, und es wird heute thematisiert. Die Landesregierung traut den Schulen vor Ort offensichtlich doch nicht.

Herr Kaiser, Sie haben zu Recht auf die gemeinsamen Bildungsstandards und die zentralen Prüfungen verwiesen. Aber welche Zwangsmaßnahmen werden umgesetzt?

Es gibt den Zwang zur Vergabe von Kopfnoten und den Zwang zur Abschaffung des integrierten naturwissenschaftlichen Unterrichts. Noch heute sind Gymnasien auf den Barrikaden, weil sie sich dafür in die Lehrerfortbildung begeben haben und dies zwangsweise aufgeben mussten. Es gibt doch eine qualitative Studie über die Evaluation des integrierten naturwissenschaftlichen Unterrichts an Gymnasien, Frau Ministerin, die zurzeit nicht veröffentlicht wird. Warum eigentlich nicht? Damit würde belegt, wie erfolgreich dies begonnen hat und wie sehr sich die Schulen darüber geärgert haben, dass sie es aufgegeben mussten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dazu gehört auch die Abschaffung der Drittelparität in den Schulkonferenzen – wir wollen auch über das Thema Schulkultur und Mitbestimmung reden.

(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])

Entweder Sie nehmen die Akteure ernst, Herr Kaiser, oder nicht! Zu den Akteuren gehören auch die Eltern und die Schülerinnen und Schüler. Dann muss man sie mit den entsprechenden Beteiligungsrechten ausstatten und das nicht wieder zurückführen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vor wem haben Sie eigentlich Angst?

(Horst Becker [GRÜNE]: Herr Kaiser nimmt das Volk nicht ernst!)

Wenn Sie Selbstverantwortung und Gestaltung von unten zulassen und sagen, dass gute Schule vor Ort gemacht wird, dann nehmen Sie das bitte auch ernst. Ich habe es heute schon einmal gesagt und verweise immer wieder gerne auf Toronto: Was macht die Qualität dieses Bildungsdistrikts aus? – Die Schulkultur, das Schulklima, das Ernstnehmen von Eltern, die Unterstützungsleistung an Eltern. Was sollen dann solche restriktiven Maßnahmen? Sie sprechen den Eltern das Vertrauen offensichtlich ab.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ihre Minimalvariante „Selbstständige Schule“ bringt es leider nicht, das ist sehr eingeschränkt. Wir erwarten viel mehr innerhalb der lokalen Bildungsnetzwerke, keine Schmalspurausführung. Vor allen Dingen haben Sie leider auch im Bereich der Schulaufsicht entsprechend gegengesteuert. Auch das ist kein Vertrauensbeweis für die Schulen.

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Dort werden wir noch viel darüber zu reden haben, wie man offensiv regionale Schullandschaft gestalten kann.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die Landesregierung erhält Frau Ministerin Sommer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns in einer Zielsetzung einig: Wir wollen Schulen noch besser machen. Dazu setzen wir auf die Zusammenarbeit vieler Partner. Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, Eltern und alle an Bildung Beteiligten brauchen in der Zukunft mehr Unterstützung – nicht, weil sie es nicht alleine schaffen können. Vielmehr brauchen sie unsere Unterstützung, weil man zusammen ein Stück weit stärker ist.

Darum haben wir am 23. Juni 2008 mit 19 Kreisen und kreisfreien Städten, die bereits beim Modellversuch Selbstständige Schule dabei waren, eine Kooperation abgeschlossen. Frau Beer, ich hatte die Freude, an der entsprechenden Veranstaltung teilzunehmen. Dort ist einem nicht etwa aufgefallen,

dass diese Partner irgendwie bedrückt oder komisch reagieren, sondern man hat gesehen, dass sie sich freuen. Sie freuen sich richtig darüber, dass sie jetzt Kooperationspartner sind und an diesem Projekt teilnehmen.

Lassen Sie uns auch einmal in die Zukunft blicken. Wir fangen jetzt mit 19 Partnern an. Weitere 15 sind bereits in der Pipeline; bis Februar nächsten Jahres haben wir sie aufgenommen. Es ist also schon absehbar, wann wir die Zahl von 54 erreicht haben. Das ist wirklich etwas, was voranbringt und was Freude macht.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, wir wollen alle Kräfte vor Ort zur Unterstützung der Schulen bündeln. Als Beispiele kann man die Kirchen, die Volkshochschulen und die Einrichtungen der Jugendhilfe nennen, aber auch die Kompetenzzentren für sonderpädagogische Förderung, die wir neu installiert haben. So können wir es schaffen, die vorhandenen Mittel für die Begleitung der Bildungsbiografien unserer Kinder und Jugendlichen effektiver einzusetzen.

Ich hoffe, dass in Zukunft auch noch Familienzentren und Bildungsnetzwerke eng miteinander verbunden werden und zusammenarbeiten. Dann entstehen nämlich Synergieeffekte, die sich wirklich sehen lassen können.

Regionale Bildungsnetzwerke schaffen darüber hinaus für die Schulen, für die Kommunen und auch für die Schulaufsicht neue Möglichkeiten von Informations- und Kommunikationsplattformen. Wir wollen, dass die Schulen sich schulformübergreifend vernetzen und noch enger mit den Schulträgern und der Schulaufsicht zusammenarbeiten. So können sie zum Beispiel den Fortbildungsbedarf unbürokratisch abstimmen.

Es wird auch verschiedene Steuerungsgremien geben. Ich nenne Ihnen hier eines dieser drei Gremien, auf das ich besonders setze, nämlich die regionale Bildungskonferenz. Frau Beer, da wird vieles möglich sein. Ich appelliere geradezu an den Erfindungsreichtum unserer Schulen und denke auch, dass wir an dieser Stelle ein Instrument schaffen werden, das die Eigenkräfte der Schulen freisetzen wird.

Durch diese drei Steuerungsgremien schaffen wir eine verlässliche Struktur für alle Bildungsnetzwerke. Darum ist es auch richtig und wichtig, die Kompetenzteams besser mit den Bildungsnetzwerken zu verzahnen.

Wie die Arbeit eines Bildungsnetzwerkes aussehen kann und wie damit auch die individuelle Förderung verbessert werden kann, zeigt ein Beispiel aus der Bildungsregion Gütersloh. Hier haben Schulen, Stadt und Kreis gemeinsam ein bewegungsorientiertes Programm zur Lese- und Rechtschreibförderung entwickelt. Die Schulen haben bei der Umset

zung und Evaluation eng zusammengearbeitet. Anschließend haben sie das Programm veröffentlicht, sodass andere Schulen davon profitieren können. Zu dem Programm wurde auch eine Fortbildung erarbeitet, die von Eltern, Tageseinrichtungen und Grundschulen übernommen wurde.

Inzwischen ist dieses Programm zur individuellen Lese-Rechtschreib-Förderung, das zu überdurchschnittlichen Lernzuwächsen führt, evaluiert. Es wird von fast allen Grundschulen der Region Gütersloh und zunehmend auch von weiterführenden Schulen genutzt. Mittlerweile ist es auch ein erfolgreicher Baustein im Zusammenhang mit der Elternzusammenarbeit an den Schulen der Stadt geworden. Außerdem gibt es – das ist ebenfalls sehr erfreulich – überregionale Anfragen. So soll es sein, meine Damen und Herren.

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Dieses beeindruckende Beispiel zeigt auch, wie Bildungsnetzwerke arbeiten können und wie Bildungsnetzwerke arbeiten werden. Ich finde Bildungsnetzwerke sinnvoll. Sie sind lebendig, zielführend und vorbildlich. Nach meiner Einschätzung können wir auch auf ihr eigenverantwortliches Tun setzen. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Redezeiten sind auch erschöpft. Damit schließe ich die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 14/7458 an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung. Dort wird die abschließende Beratung und Abstimmung in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Ist jemand dagegen? – Enthaltungen? – Dann haben wir dies einstimmig so beschlossen.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, muss ich Ihnen noch Folgendes mitteilen – daran erkennen Sie, dass dieses Präsidium immer sehr objektiv arbeitet –: Der Abgeordnete Sagel hat in der Plenarsitzung am 18. Juni 2008 zum Tagesordnungspunkt 6 einen Zwischenruf getätigt, der im Protokoll mit „Stasi-Taktik“ festgehalten wurde. Unser Präsidiumskollege Vizepräsident Keymis hat diesen Zwischenruf am nächsten Tag gerügt.