Protokoll der Sitzung vom 18.09.2008

Dafür gibt es keinerlei empirischen Belege.

Es ist im Gegenteil richtig: Die Briefwahlmöglichkeiten sind durch den Bundesgesetzgeber, also den Bundestag, ausdrücklich erleichtert worden, und zwar hat man vor dem Hintergrund der ansonsten immer geführten Debatte über Briefwahlgeheimnis diese Passagen, nämlich die besondere Begründungspflicht, herausgenommen, weil man will, dass die Leute ihr demokratisches Recht auf Wahl auch wirklich ausüben. Man hat es nicht weiter erschwert, sondern hat es bei der Briefwahl sogar erleichtert. Warum das hier nicht gelten soll, kann – mit Verlaub – nur jemand meinen, der sich die Gründe an den Haaren herbeizieht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Damit sind wir an dem entscheidenden Punkt. Die SPD ist konsequent bei einem falschen Standpunkt. Das sind wir an der einen oder anderen Stelle von ihr gewohnt.

(Bodo Wißen [SPD]: Aha!)

Sie macht das hier durchgängig. Wir sind genauso konsequent bei dem richtigen Standpunkt. Wir bedauern, dass Sie von der CDU in diesem Fall, wo Sie ausnahmsweise einen richtigen Standpunkt hatten, zum falschen gewechselt sind. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Wolf das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion über Kumulieren und Panaschieren hat eine lange Historie, die ich nicht noch einmal aufarbeiten möchte. Ich möchte nur festhalten, dass wir uns bei der Änderung des Kommunalwahlgesetzes im Oktober 2007 nach intensiver Prüfung und Beratung für diese Wahlperiode bewusst entschieden haben, auf die Einführung des Mehrstimmensystems von Kumulieren und Panaschieren zu verzichten.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Aber in der nächsten kommt es!)

Wir werden an dieser Stelle von der SPD erkennbar unterstützt. Die Grünen sind – wie nicht selten – allein im Haus und auch erst so mutig, seitdem sie nicht mehr in der Regierung sind.

Wenn man sich die alten Plenarprotokolle anschaut, sieht man, dass die Töne sehr viel moderater waren. Frau Düker hat damals gesagt: Ich persönlich kann aus Sicht unseres Koalitionspartners viele Argumente gegen das Kumulieren und Panaschieren nachvollziehen. – Hört, hört! Das sollte man vielleicht auch heute noch gelten lassen. Es ist eben eine Abwägungsnotwendigkeit gegeben. Man muss überlegen: Was passt? Was passt nicht?

Hier geht es um das süddeutsche Modell aus Hessen. Da ist die Auffassung erkennbar, dass dieses nicht auf unser nordrhein-westfälisches System aufgepfropft werden kann. Wir hatten eine kommunale Neugliederung, die viele Länder in Deutschland noch vor sich haben.

(Monika Düker [GRÜNE] zeigt ein Plakat mit dem Bild von Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers und der Aufschrift „Wahlverspre- chen halten!“)

Entschuldigen Sie bitte, Herr Minister, dass ich Sie unterbreche. – Frau Kollegin Düker, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dieses Plakat wieder zusammenfalten würden. – Danke schön.Dr. Ingo Wolf, Innenminister: Vielen Dank, Frau Präsidentin.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Frau Düker, Sie hatten schon die Gelegenheit, hier vorne zu sprechen. Jetzt bin ich an der Reihe.

NRW hat 30 Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Nur 13 % der 396 nordrhein-westfälischen Gemeinden haben eine Größenordnung von bis zu 10.000 Einwohnern. In Ländern des süddeutschen Modells, meine Damen und Herren, liegt der Anteil der Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnern zwischen 77 und 98 %. Dort finden sich jeweils nur vier bis neun Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Das muss man als Fakt zur Kenntnis nehmen. Die Gebietsstruktur ist unterschiedlich.

Es ist deutlich geworden, meine Damen und Herren, dass der Bekanntheitsgrad eine Rolle spielt, die Nähe zum Wähler. Auf die Problematik mit den Wahlbezirken ist auch an verschiedenen Stellen schon hingewiesen worden. Außerdem stellt sich die Frage der möglichen Manipulation von Stimmzetteln. Zudem besteht die Gefahr – das ist ja real festzustellen –, dass die Zahl ungültiger Stimmen steigt, weil man sich dann auch einfach leichter vertun kann.

Meine Damen und Herren, letztendlich muss man abwägen, ob die Nachteile, die an dieser Stelle dräuen, tatsächlich als groß oder nicht so groß betrachtet werden im Verhältnis zu dem, was als möglicher Demokratiegewinn angesehen werden kann. Wir sagen, dass die Nachteile überwiegen, jedenfalls bei dem Hessenmodell. Und dieses steht ja bei der Volksinitiative auf der Tagesordnung.

Herr Minister!

Diesem Modell wollen wir jedenfalls für Nordrhein-Westfalen nicht folgen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung sind.

Wir kommen zur Abstimmung über die Empfehlung des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform in der Beschlussempfehlung Drucksache 14/7466. Der Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform empfiehlt dem Plenum erstens, dem Anliegen der Volksinitiative nicht zu folgen, und zweitens festzustellen, dass damit das Anliegen der Volksinitiative hier im Landtag abschließend behandelt ist. Ich lasse nun darüber abstimmen. Wer dieser Empfehlung folgen möchte, den bitte ich, die Hand zu heben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Abwesenheit des Kollegen Sagel

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Dann müssen Sie die Abwesenheit vieler anderer jetzt auch einmal nennen!)

angenommen und das Anliegen dieser Volksinitiative abschließend behandelt.

Meine Damen und Herren, wir kommen zum nächsten Tagesordnungspunkt unserer heutigen Plenarsitzung:

13 Rahmenbedingungen zur Umsetzung des Prostitutionsgesetzes in NRW schaffen!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/5220

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Frauenpolitik Drucksache 14/7129

Gemäß § 79 Abs. 2 b unserer Geschäftsordnung wurde dieser Antrag vom Plenum an den Ausschuss für Frauenpolitik mit der Maßgabe überwiesen, dass eine Beratung und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung im Plenum erfolgt. Diese Beschlussempfehlung liegt Ihnen nunmehr vor.

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Frau Kollegin Steffens das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will ganz kurz den Sachstand in Erinnerung rufen: Seit dem 1. Januar 2002 gilt bundesweit das Prostitutionsgesetz. Ziel und Zweck dieses Gesetzes war es, dass Prostitution als Arbeit anerkannt wird, dass damit Arbeitsverträge ermöglicht werden, dass Sozialversicherungen Prostituierten endlich zugänglich sind und dass damit der Makel der Sittenwidrigkeit endlich von diesem ältesten Gewerbe genommen wird und die Frauen unter einigermaßen guten Bedingungen arbeiten können.

Natürlich ist Prostitution kein Beruf wie jeder andere, sondern einer, der den Frauen viel abverlangt und in dem nicht alle Frauen aus freien Stücken arbeiten. Aber es gibt auch Frauen, die diesen Beruf aus Überzeugung ausüben. All diese Frauen sollen unter akzeptablen Bedingungen arbeiten können.

Wir haben im Ausschuss eine Anhörung zu der Evaluation auf Bundesebene beantragt und diese gemeinsam mit den anderen Fraktionen durchgeführt. Im Anschluss daran haben wir Grüne einen Antrag gestellt. Für uns war nämlich als Konsequenz aus dieser Evaluierung klar: Erstens. Das Gesetz ist in der Zielrichtung richtig. Zweitens. Das Gesetz ist in der Praxis nicht ausreichend umgesetzt. Da gibt es Defizite.

Wir haben deswegen eine Anhörung durchgeführt. Die Experten und Expertinnen in der Anhörung sind unisono – egal, ob von uns oder von den Regierungsfraktionen benannt – zu den gleichen Ergebnissen gekommen.

Klar ist: Wir brauchen landesweit einheitliche Regeln für das Prostitutionsgewerbe. Das forderten alle Sachverständigen, auch, wie gesagt, die von Ihnen benannten Experten.

Der zweite wesentliche Punkt war: Von Kommune zu Kommune werden die Vorschriften derzeit sehr unterschiedlich ausgelegt. Das betrifft zum Beispiel die Gewerbeanmeldung. Klar war – das haben alle Experten und Expertinnen gefordert –: Wir wollen, dass es von Kommune zu Kommune keine anderen Auslegungen gibt, sondern die Vorschriften einheitlich ausgelegt werden.

Weiterhin war klar – für die Finanzämter ist es ein Gewerbe, für die Gewerbeämter keines –, dass einheitliche Regelungen, NRW-weit einheitliche Standards notwendig sind. Das war die eindeutige Forderung.

Wir können als Ausschuss nicht sagen, wie die Standards aussehen sollen. Aber sowohl die Prostituierten als auch die Ämter, die Behörden und die Betreiber vor Ort müssen an einen Tisch geholt

werden in Anlehnung an das, was zum Beispiel in Dortmund oder in Bochum als runder Tisch installiert ist. Gemeinsam mit den politisch Verantwortlichen auf Landesebene muss versucht werden, einheitliche Wege zu finden.

Selbst der Experte Dr. Joachim Renzikowsi, der von den Koalitionsfraktionen benannt worden und Jurist an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ist, hat ganz klar gesagt: Uneinheitliche Vorschriften, wie wir sie derzeit haben, begünstigen illegale Prostitution. Er hat gefordert, ergänzende Landesgesetzgebung zu erarbeiten.

Der Wunsch aller Sachverständigen nach diesem runden Tisch war einheitlich. Entsetzt waren die Sachverständigen darüber, dass die CDU-Pressemitteilung noch während der Anhörung herausging, in der stand: Kein runder Tisch auf NRWEbene, das geht nur auf kommunaler Ebene.

Wir haben die Expertinnen und Experten angeschrieben und sie gefragt: Was sagen Sie zu dieser Pressemitteilung? – Die Antwort war: Diese Pressemitteilung hat nichts mit der Anhörung zu tun.

Deswegen bin ich ziemlich entsetzt und erstaunt darüber gewesen, wie mit dieser Anhörung, mit dieser Expertenmeinung umgegangen worden ist. Der Umgang war ganz klar und deutlich: Wir machen nichts, wir tun nichts. Das sollen die Kommunen machen. Was wir machen, reicht aus und passiert auch.

Wir haben uns als Grünen-Fraktionen entschieden, dass wir gemeinsam mit den Verbänden und mit den Interessierten diesen runden Tisch installieren werden. Wir werden dazu einladen. Wenn also dieser runde Tisch nicht doch noch vom Ministerium selber gemacht wird – was meine letzte Hoffnung wäre –, werden wir ihn als Grüne einrichten.

Mir ist in der Debatte im Ausschuss klar geworden: Die CDU-Fraktion interessiert nicht, was Experten sagen. Die CDU-Fraktion interessiert nicht, was für die Menschen und gerade für die Frauen im Land, die in diesen Bereichen arbeiten, notwendig wäre. Das ist schade. Die Anhörung wäre von Ihrer Seite wahrscheinlich gar nicht notwendig gewesen. Ihre Meinung stand vorher wie hinterher fest.

Für uns ist das alles nicht egal. Deswegen werden wir Sie mit den Ergebnissen dieses runden Tisches – wenn uns diese vorliegen – konfrontieren. Dann werden wir sehen, ob Sie für die Frauen etwas tun wollen oder ob Sie anstatt zu handeln nur weiter darüber reden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der CDU Frau Kollegin Westerhorstmann das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.