Protokoll der Sitzung vom 23.10.2008

Ich stimme an einer Stelle ausdrücklich zu, hätte mich allerdings gefreut, wenn Sie dabei auch die besonderen Bemühungen des Westdeutschen Rundfunks erwähnt hätten. Der Westdeutsche Rundfunk hat ja gerade mit den Verbraucherzentralen in Nordrhein-Westfalen eine neue Kultur des Miteinanders zum Gebührenzahler organisiert wie auch der Norddeutsche Rundfunk und Radio Bremen. Das ist der richtige Weg, den Gebührenzahler stärker in den Fokus zu nehmen; es muss dann aber auch vernünftig gemacht werden.

Die Ministerpräsidenten haben heute in Dresden den Entwurf zum Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag mit großer Übereinstimmung zustimmend zur Kenntnis genommen haben; Herr Krautscheid, ich glaube, das ist die Formulierung. Jetzt gibt es noch eine Anhörung, aber am Ende wird man sagen – das an die Adresse all derjenigen, die sagen, das ist alles zu wenig, es reicht nicht –: In der föderalen Medienpolitik haben wir ein hervorragendes Mediensystem organisiert.

Der Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird faire Spielregeln bedeuten. Dass gerade mit Blick auf die Digitalisierung eine Menge im Fluss ist und manche Regelung, die heute in einem Kompromiss gefunden wird, vielleicht nicht so lange trägt, ist völlig richtig. Aber damit die Politik insgesamt infrage zu stellen, halte ich für falsch.

Mit Blick auf die Rundfunkfinanzierung will ich deutlich sagen: Ich habe eine große Erwartung, was den Finanzausgleich innerhalb des öffentlichenrechtlichen Rundfunks insgesamt anbelangt. Das, was die Intendanten in Bonn verabredet haben, wird nicht ausreichen. Die KEF hat jetzt auf Wunsch der Ministerpräsidenten einen Vorschlag gemacht – ich versteige mich nicht in der Formulierung, die da lautet: judex non calculat –, der vielleicht nicht so ganz hilfreich war. Es ist auch ein schwieriges Un

terfangen. Wir brauchen dringend einen richtigen Finanzausgleich, damit die ARD die Chance hat, die regionale Vielfalt, die wir im Ersten Programm haben wollen, richtig abbilden zu können.

Ich habe noch eine Minute und eine Sekunde. Die will ich auf drei Punkte verwenden, die mir wichtig sind:

Erstens. Der Elfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird, glaube ich, mit der Zustimmung dieses Hauses über die Bühne gehen. Ich hoffe, dass alle anderen Länderparlamente das auch machen. Es steht ein neues Gebührenmodell im Raum, das die Ministerpräsidenten verabredet haben. Ich hoffe, das Kunststück gelingt, einen geeigneten, sattelfesten Weg zwischen Haushaltsgebühr und dem Gerätebezug hinzubekommen, damit wir endlich etwas Ruhe an der Front haben und nicht das Handyfernsehen auch noch mit der Rundfunkgebühr verteidigen müssen.

Zweitens. Aus aktuellem Anlass sollten wir medienpolitisch sehr schnell, Herr Minister Krautscheid, über die Situation auf dem Zeitungsmarkt in NordrheinWestfalen reden. Sie wissen, dass es gestern – das ist ein historisch einmaliger Vorgang – ein Gespräch mit Betriebsräten in der WAZ-Gruppe gegeben hat. Ich will hier ankündigen, dass die SPD-Fraktion das Thema „Situation auf dem Zeitungsmarkt“ für den nächsten Hauptausschuss beantragen wird. Wir sind mit unseren Großen Anfragen immer schon unterwegs gewesen. Jetzt gibt es die „Aachener Nachrichten“, die „Westfalenpost“, die „WAZ“. Es besteht großer Handlungsbedarf. Ich will den Betriebsräten im WAZ-Konzern von dieser Stelle aus ausdrücklich unsere Solidarität aussprechen. Es geht um die Qualität von journalistischer Arbeit.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Dafür setzen wir uns ein. Deswegen hier etwas sachfremd, so wie mein Kollege Jarzombek, diese Adresse an die Betriebsräte der WAZ. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Eumann.

(Thomas Jarzombek [CDU]: Muss man sich jetzt vor der Präsidentin verneigen? – Marc Jan Eumann [SPD]: Sie war sehr großherzig zu mir!)

Die Präsidentinnen und Präsidenten haben insgesamt ein großes Herz, man muss das aber auch nicht überstrapazieren. – Jetzt hat als nächster Redner für die Fraktion der FDP der Kollege Witzel das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zu

Redeschlachten an anderer Stelle kommt der Kollege Eumann heute richtig sanftmütig daher. Er hat auch schon seine Zustimmung signalisiert. Das ist vielleicht ein gutes Signal für die Zukunft.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Bei Ihnen kann man sich ja wirklich nicht sicher sein!)

Dennoch müssen wir die unterschiedlichen Auffassungen inhaltlich austragen. Der Elfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag betrifft im Wesentlichen die Erhöhung der Rundfunkgebühren im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag, so wie es die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, kurz KEF, auch vorgeschlagen hat.

Die Landesregierung hat diesem Vorhaben bekanntermaßen bereits zugestimmt. Deshalb gehe ich davon aus, dass der Landtag dies heute auch tun wird. Denn seit dem sogenannten KEF-Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht höchstrichterlich fest, dass die Politik die Berechnung der KEF aufgrund der Staatsferne des gebührenfinanzierten Rundfunks nicht generell, aber zumindest grundsätzlich so umzusetzen hat.

Nicht über die Festsetzung der Gebühren also, sondern über die konkrete Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Auftrags im Rundfunkstaatsvertrag selbst hat die Landespolitik damit die Höhe der dafür benötigten Gebührengelder zu steuern. Kurz gesagt: Je mehr wir im Zwölften, Dreizehnten und Vierzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag perspektivisch an Aufgaben für den gebührenfinanzierten Rundfunk festschreiben, umso teurer wird dies für den Gebührenzahler, wenn die KEF das nächste Mal den Finanzbedarf zur Erfüllung dieser Aufgaben ermittelt.

Denn eines wird immer gekonnt ausgeblendet: Dieser Auftrag stellt nicht nur eine Option und Möglichkeit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dar. Nein, meine Damen und Herren, der dort von den Ländern hineingeschriebene Auftrag der Politik begründet geradezu eine Pflicht an die Rundfunkanstalten, dem nachzukommen und entsprechende Angebote zu schaffen. Soweit nicht ohnehin bereits Tatsachen geschaffen wurden, gilt dies so.

Alle reden darüber: Was sollen ARD, ZDF und WDR dürfen und was nicht? Niemand fragt: Wer soll das eigentlich bezahlen? Bezahlen müssen es letzten Endes der private Bürger wie auch der Unternehmer als Gebührenzahler, die finanziell dann die Dummen sind, aber vom Fernsehen dafür schlau gemacht werden sollen.

Damit sind wir bei der Frage der Qualität im Rundfunk, also Fernsehen und Radio, die jüngst anlässlich der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises nicht wenige Gemüter erhitzte. Bekommt der Bürger heute, wo er mehr Gebühren zahlt, wirklich besseres, weil auch zahlreicheres Fernsehen als früher, als es örtlich nur drei öffentlich-rechtliche Sender gab?

Statt drei gibt es mittlerweile immerhin 24 überall in Deutschland empfangbare öffentlich-rechtliche Sender, die ihre Programme kaum aufeinander abgestimmt haben und sich mit ähnlichen Kochshows und Diskussionsrunden selbst Konkurrenz machen. Zudem macht das jeder von ihnen nicht nur mit einem Videotext, sondern mit einem umfangreichen Auftritt und Angebot im Internet und mit weiteren Zuschauerdiensten. Wie man sieht, wurden und werden immer mehr und neue Aufgaben im öffentlich-rechtlichen Rundfunk geschaffen, die am Ende des Tages bezahlt werden müssen.

Nehmen wir einmal den WDR. Das Budget des WDR für 2008 beträgt knapp 1,4 Milliarden €, davon 1,1 Milliarden € von den über 7 Milliarden € an jährlichen Rundfunkgebührenerträgen in Deutschland. Hinzu kommen 37,5 Millionen € Werbeerlöse, 120 Millionen € Betriebserträge, 10 Millionen € kalkulatorische Erträge und rund 75 Millionen € aus Kostenerstattungen, Kooperationsverträgen und Programmverwertungen.

Somit stammen nur knapp 82 % des WDRHaushalts aus Rundfunkgebühren – und das, obwohl sich die Rundfunkgebühren seit dem Jahre 1996 von 4,7 Milliarden auf mittlerweile 7,2 Milliarden € im Jahr 2008 erhöht haben. Somit kam es zu einer immer höheren Belastung der Bürger mit Rundfunkgebühren, die sich von rund 13 € auf heute 17,03 € und bald auf 17,98 € erhöht haben. Trotzdem will man das Angebot immer weiter ausbauen. Der WDR möchte großartige Programme anbieten,

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das tut er!)

hohen Ansprüchen gerecht werden und Unabhängigkeit, Transparenz und Glaubwürdigkeit garantieren. Wie Sie wissen, Herr Eumann, ist das von mir gerade Erwähnte ein wörtliches Zitat aus dem WDR-Budgetbericht 2008. Sie haben das auswendig gelernt und nicken deshalb so freundlich.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Ich lese zwi- schendurch ein bisschen!)

Sie sind auch des Lesens kundig; da habe ich keinen Zweifel. – Ein Qualitätsanspruch ist gut und richtig und wird von uns in der aktuellen Debatte, aber selbstverständlich auch darüber hinaus ausdrücklich unterstützt. Denn öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es nicht um seiner selbst willen, sondern für die Zuschauer. Auch da, Herr Eumann, werden Sie mir sicherlich zustimmen.

Vielfaltsicherung bedeutet nicht schlicht ein Mehr an Angeboten, sondern der vom Zuschauer deutlich registrierte Qualitätsverlust bei einigen Programmen kann von den Machern nicht einfach auf den vermeintlichen Willen des Zuschauers geschoben werden. Diese aktuelle Debatte führen wir medial. Deshalb darf die Entwicklungsperspektive aus Sicht der FDP-Landtagsfraktion nicht heißen, einen Blanko

scheck zulasten der Gebührenzahler, Verleger und privaten Anbieter auszustellen.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Wovon reden Sie eigentlich?)

Wir als FDP-Landtagsfraktion, Herr Eumann, sagen: Lieber drei gute öffentlich-rechtliche Fernsehsender als 24-mal Mittelmaß. Lieber einen schlanken, attraktiven, aber leistungsfähigen und qualitativ hochwertigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit gutem und abwechslungsreichem Hauptprogramm

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

als einen überdimensionierten Programmabenteuerspielplatz ohne Gesicht und Format. Wir müssen uns auf die Kernaufgaben konzentrieren. Qualität ist auch in der Zukunft die Rechtfertigung für Rundfunkgebühren und öffentlich-rechtlichen Rundfunk. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. Auch große Herzen müssen nicht überstrapaziert werden. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kollege Keymis das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich habe des Rätsels Lösung erfahren. Denn es haben sich drei Fraktionen hier im Hause gefragt, warum wir ausgerechnet zum Elften Rundfunkänderungsstaatsvertrag eine Diskussion führen. Jetzt ist es raus, Herr Kollege Witzel: Es muss an den Ausführungen gelegen haben, die Sie unbedingt noch einmal vortragen wollten. Sie haben aber gar nichts Neues gesagt, jedenfalls nicht im Namen ihrer Fraktion in Bezug auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Ihre Einschätzung dazu, sondern Sie haben wiederholt, was Sie immer an dieser Stelle sagen: Sie sind nicht zufrieden mit dem, was passiert.

Die Zahlung von Gebühren halten Sie prinzipiell für Zwangszahlungen. Und im Grunde wissen Sie nicht, worüber Sie reden, wenn Sie sagen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk lässt an Qualität zu wünschen übrig. Wenn Sie einen Vergleich mit dem Angebot vieler anstellen, die Privatrundfunk betreiben, merkt man den Unterschied sehr schnell. Vor diesem Hintergrund diskutieren wir auch heute diese Gebührenanpassung.

Ich finde es bedauerlich – Herr Jarzombek, das gilt ein Stück weit auch für Sie –, dass Sie auf der einen Seite von der Schnüffeltruppe der GEZ sprechen. Man muss mit den Begriffen vorsichtig sein. Die Leute machen ihren Job; das ist so vorgeschrieben. Ich finde es auch nicht gut, dass es so passiert, und wie lästig das oft ist, wissen wir auch. Aber wenn auf der anderen Seite – Kollege Garbrecht wies in einem Zuruf zu Recht darauf hin – hinter Leuten

hergeforscht wird, die ALG II beantragen, wird zumindest von Ihnen nicht in dieser Diktion formuliert, sondern da sind Sie wesentlich vorsichtiger. Sie sind im Gegenteil sogar dafür – wie viele hier im Hause –, das noch strenger und stärker zu beschnüffeln, was Menschen in der Tasche haben, bevor sie zum Amt gehen. Insofern muss man da vorsichtig sein.

Leider beantwortet auch dieser Gebührenstaatsvertrag folgende Frage nicht: Gibt es eigentlich eine Lösung für die Menschen, die aus eigener Kraft arbeiten und etwas leisten, aber letztlich nur auf ein Einkommen kommen, das etwa dem entspricht, was ein ALG-II-Empfänger oder eine ALG-II-Empfängerin auch bekommt? Da haben wir ein Problem. Denn die einen werden von den Gebühren befreit – das ist gut; das sehen wir als richtig an –, aber die anderen nicht. Unser Petitionsausschuss ist damit seit Längerem intensiv befasst. Es muss dringend eine Lösung gefunden werden, die die soziale Gerechtigkeit auch für den Rundfunkempfang organisiert.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das ist ein wichtiger Punkt, den wir beim nächsten Gebührenstaatsvertrag berücksichtigen müssen.

Der zweite Punkt, der berücksichtigt werden sollte, ist: Wir müssen endlich von der geräteabhängigen Gebühr wegkommen hin zu einer Mediengebühr, einer vereinheitlichten Abgabe.

Ich glaube auch, wir müssen intensiver über die Frage der Werbefreiheit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk diskutieren und die Werbung denen überlassen, die damit ihr Geld verdienen.

Jetzt komme ich zu einem Punkt, Herr Witzel, den Sie von der Systematik her für mein Empfinden immer noch nicht begriffen haben. Sie sagen, den Menschen wird für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk das Geld aus der Tasche gezogen.

(Ralf Witzel [FDP]: Ja!)

Sie sagen aber nicht, wie viel Geld den Menschen für Werbung aus der Tasche gezogen wird, weil jeder, der irgendein Produkt kauft, auch den Privatrundfunk mitfinanziert. Das ist doch Pott wie Deckel.

(Beifall von den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Sie können doch No-Name-Produkte kaufen!)