Protokoll der Sitzung vom 28.01.2009

Vielen Dank, Herr Kollege Löttgen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Engel das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Regierungsübernahme ist das Volumen des kommunalen

Steuerverbundes kontinuierlich auf fast 8 Milliarden € gestiegen; das sind im Vergleich zum für die Kommunen guten Jahr 2000 weit über 800 Millionen € mehr. Ein leichtes Plus gegenüber 2000 wurde bereits im letzten Jahr erreicht; nun hat sich das Volumen noch einmal deutlich um 400 Millionen € gesteigert. Gegenüber dem Zeitpunkt der Haushaltseinbringung, zu dem das vollständige Steueraufkommen aus dem Berechnungszeitraum noch nicht bekannt war, ist es noch einmal zu einem deutlichen Aufwuchs um weitere 240 Millionen € gekommen.

Die Entscheidung zur Umstellung des Berechnungszeitraums für den kommunalen Steuerverbund auf einen Ist-Berechnungszeitraum ist daher durchaus der richtige Schritt gewesen. Zeitnah nach dem Erhebungszeitraum erfolgt die Mittelausschüttung über den Steuerverbund an die kommunale Familie. So können die Steuereinnahmen schnell wieder für neue Investitionen vor Ort bereitgestellt werden. Gerade in einem Krisenjahr ist es mehr denn je wichtig, die Wirtschaft durch Investitionen der öffentlichen Hand anzukurbeln.

In diesem Zusammenhang ist es auch richtig, dass die Bildungspauschale, die im Haushalt 2008 um 80 Millionen € auf 540 Millionen € aufgestockt worden ist, jetzt noch einmal um weitere 60 Millionen € auf 600 Millionen € erhöht wird. Dies greift sofort. So können unsere Schulen und Kindergärten bzw. Kindertageseinrichtungen zeitnah bedarfsgerecht ausgebaut und zukunftsfähig modernisiert werden. Zusätzliche Dynamik wird die Lockerung der Vergaberegeln bringen, so wie es angekündigt wurde.

Von der durch den Finanz-Tsunami gebeutelten Wirtschaft gibt es in Nordrhein-Westfalen kleine Anzeichen für eine leichte Besserung auf der Seite der kommunalen Finanzlage. Diese erkennbaren Besserungstendenzen schlagen sich aber leider nicht flächendeckend nieder. Insgesamt befanden sich mit Stand vom 19. November 2008 116 Kommunen in der Haushaltssicherung. Davon hatten 71 ein genehmigtes Haushaltssicherungskonzept, lediglich 45 befanden sich im Nothaushalt.

Das ist eine Besserung gegenüber den Vorjahren und darf nicht kleingeredet werden. Ich möchte daran erinnern, dass wir 2005, im Jahr des Regierungswechsels, noch 197 Kommunen in der Haushaltssicherung und davon 115 Kommunen im Nothaushalt hatten. Darin erkennt man offensichtlich eine günstige Tendenz. Sicherlich verdankt ein Großteil der Kommunen, die aus dem HSK oder dem Nothaushalt heraus sind, dies der Umstellung auf das NKF, also das Neue Kommunale Finanzmanagement.

(Horst Becker [GRÜNE]: Aha!)

Das habe ich hier immer wieder betont.

Elf Kommunen im kreisangehörigen Raum haben im vergangenen Jahr aber einen echten strukturel

len Haushaltsausgleich erreicht. Diese Kommunen wie zum Beispiel Warendorf oder Dormagen sind wieder handlungsfähig und können eigenständig, also ohne die Kommunalaufsicht, ihre Ausgabenprioritäten setzen.

(Beifall von der FDP)

Das könnte von der Opposition auch einmal anerkannt werden.

Bei den finanziell äußerst schwachen Kommunen hat sich seit den 80er-Jahren bis heute ein Finanzierungsdefizit aufgebaut. Dieses ist parallel mit Abschmelzung des Anteils am Steuerverbund von 28,5 % im Jahr 1981 auf 23 % im Jahr 1986 gewachsen. Das vorhandene Finanzierungsdefizit, das die Kassenkredite auf mittlerweile über 14 Milliarden € in Nordrhein-Westfalen wuchern lässt, ist also über Jahrzehnte entstanden.

Jetzt fordert die Opposition für die Kommunen mit desaströsen Haushalten eilfertig besondere Finanzhilfen. Eine solche Forderung ist in mehrfacher Hinsicht mit Vorsicht zu betrachten; das haben wir hier immer wieder betont. Sie geht für einige unserer 396 Städte und Gemeinden zunächst auf Kosten des Landes, also auf Kosten aller 18 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Es wäre auch eine Ohrfeige für alle Kommunen, die eigenständig den Weg aus dem Haushaltssicherungskonzept geschafft haben.

Darüber hinaus hat es einen ähnlichen Versuch mit dem Ausgleichstock schon einmal in den 80erJahren gegeben. In diesem Zusammenhang erinnere ich an eine Anhörung dieses Landtags. Frau Kuban vom Städtetag NRW berichtete hierzu eindrucksvoll und schilderte auch genau, wie der positive Zweck der finanziellen Stabilisierung der angeschlagenen Kommunen damals schnell wieder verpufft ist. Also Vorsicht an der Bahnsteigkante mit solchen Vorschlägen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb braucht es bei den Kommunen – in der Kommunalverwaltung, im Verwaltungsvorstand, im Rat und im Kreistag – einen wirklichen Mentalitätswechsel: weg von der Verschuldungspolitik, hin zu einem Masterplan zur Wiedererlangung der finanziellen Handlungsfreiheit, also hin zu ausgeglichenen Haushalten.

Zugegebenermaßen kann das dauern – in Oberhausen zum Beispiel etwa 23 Jahre bis zum Haushaltsausgleich, wie Finanzfachleute sagen. Das Wichtigste ist: Es geht. Man muss es nur wollen.

(Markus Töns [SPD]: Das ist schlichtweg an der Realität vorbei, Herr Engel!)

Ein Masterplan, wie wir ihn in der Kommunalverwaltung kennen, bedeutete immer – angefangen von der Ortskernsanierung über Ortsumgehungsstraßen bis hin zum Bau von Bundesstraßen, Herr Töns – 20 bis 30 Jahre langes Warten, Planen und Arbei

ten über Parteigrenzen hinweg. Es hat aber am Ende funktioniert.

Warum soll man ein solches Instrument, das mit den Bürgern gemeinsam über die Parteigrenzen hinweg verabredet wird,

(Markus Töns [SPD]: Bar jeder Vernunft, Herr Engel!)

nicht auch einmal zur Konsolidierung solcher desaströsen Finanzhaushalte in Augenschein nehmen?

(Markus Töns [SPD]: Gehen Sie einmal nach Oberhausen und lassen sich das richtig erklä- ren!)

Herr Töns, hören Sie zu. Sie können sich auch zu Wort melden. Dann können Sie hierzu reden.

Es kann nicht sein, dass zum Beispiel eine überschuldete Kommune aufgrund einer sogenannten Vergeblichkeitsfalle finanzielle Unterstützung verlangt, sich aber gleichzeitig weigert – wohlgemerkt: sich weigert –, Konsolidierungsmaßnahmen in Betracht zu ziehen

(Sören Link [SPD]: Welche meinen Sie denn?)

das ist nur ein Beispiel –, und sich darüber hinaus mit über 45 Millionen € an einem untergegangenen Theater beteiligt. Man könnte auch sagen: sich dieses Theater ans Bein bindet.

Bei Hilferufen an das Land muss vor Ort auch erkennbar der Wille zur Veränderung vorhanden sein. Diesen Willen sehe ich zurzeit insbesondere im Fall Oberhausen noch nicht.

Deshalb lautet meine Anregung: Schaffung eines Masterplans über die Parteigrenzen hinweg – da wiederhole ich mich – in enger Abstimmung mit der Bürgerschaft.

Herr Kollege Engel, entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie unterbreche. Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Nell-Paul?

Keine Zwischenfrage. – Auf der Ausgabenseite können die Kommunen ein breit gefächertes Konsolidierungsspektrum umsetzen, zum Beispiel die gemeinsame Aufgabenerfüllung durch zwischengemeindliche Kooperationen.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Auf der Einnahmeseite sind die Handlungsmöglichkeiten eher eingeschränkt und – Sie ahnen schon, was jetzt kommt; das wiederhole ich wie eine tibetanische Gebetsmühle – wegen der konjunkturabhängigen und unkalkulierbaren Gewerbesteuer unsicher. Sie bleiben auch unsicher.

Die Gewerbesteuer muss durch eine planbare kommunaleigene Steuer ersetzt werden. Hierzu gibt es seit Jahren ein Modell der FDP. Dieses sieht die Abschaffung der Gewerbesteuer und den Ersatz durch ein kommunaleigenes Hebesatzrecht auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer vor.

(Beifall von der FDP)

Diese Steuer ist dem Wettbewerb ausgesetzt. Das ist auch die Bremse, die man dann braucht.

Darüber hinaus sollen die Kommunen von der Umsatzsteuer statt 2 % wie bisher in Zukunft 12 % erhalten. Dafür wollen wir uns in Berlin einsetzen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Engel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun der Kollege Becker.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten schon heute Morgen im Rahmen der Debatte zum Dritten Nachtragshaushaltsgesetz 2008, aber auch in den letzten Jahren die Gelegenheit, die gleiche Debatte zu führen, die wir dieses Jahr zum Haushalt 2009 zu führen haben.

Die Zuhörer fragen sich vielleicht, wie es zu so unterschiedlichen Beschreibungen kommen kann. Diese sind sehr einfach möglich. Wenn die einen beschreiben, dass es in absoluten Zahlen etwas mehr Geld für die Kommunen gibt, und die anderen kritisieren, dass den Kommunen anteilsmäßig nicht das gegeben wird, was ihnen zusteht, dann kommt es zu einer solchen Diskrepanz, meine Damen und Herren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Diese Anteile sind natürlich nicht das, was man gemeinhin mit Peanuts bezeichnet, sondern ganz massive Beträge.

Ich will zunächst feststellen, dass wir uns die Mühe gemacht haben, einmal auszurechnen, wie viel den Kommunen nach dem alten GFG, das Sie übernommen haben, zugewiesen worden wäre und wie viel Sie den Kommunen jetzt überweisen. Dazwischen besteht eine interessante Diskrepanz. Sie passt ziemlich genau mit dem überein, was wir in den letzten Jahren immer wieder deutlich gemacht haben, als wir Ihnen gesagt haben, dass Sie den Kommunen strukturell 1,2 Milliarden € entzogen haben. Tatsächlich sind es sogar 1,3 Milliarden €, Herr Löttgen. Statt 8,2 Milliarden € bekommen sie nämlich nur noch 6,9 Milliarden €. Das ist ein wichtiger Fakt. Sie sollten auch nicht immer darum herumreden und so tun, als ob es ihn nicht gäbe.

Ich stelle also zunächst einmal fest: Wäre weiter nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz – GFG – verfahren worden, das Sie bei Ihrem Regierungsan

tritt übernommen haben, wäre heute jede einzelne Kommune in Nordrhein-Westfalen deutlich besser gestellt – in der Summe um 1,3 Milliarden €.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das ist aber noch nicht die ganze Wahrheit. Damit wir die Ausgangslage weiter verklaren und nicht immer wieder mit Nebel verunklaren, weise ich darauf hin, dass Sie den Kommunen zusätzliche Aufgaben aufgebürdet haben und sie zudem in die Situation brachten, dass sie zum Beispiel Elternbeiträge anheben mussten.

Ich will Ihnen das an zwei Punkten nachweisen. Wenn Sie einen Moment lang innehielten und nachdächten, kämen Sie auch selbst schnell zu dem Ergebnis, dass es mindestens eher so ist, wie ich es beschreibe, als so, wie Sie es darstellen. Der eine Punkt, den ich nennen will, betrifft die Versorgungsverwaltung, der andere die Umweltverwaltung. In beiden Fällen gibt es Klagen der Kommunen bzw. der kommunalen Spitzenverbände. Wenn Sie einmal ins Land schauen, werden Sie feststellen, dass es sich bei der Mehrzahl derjenigen, die klagen und Beschwerde über Ihre Politik in Nordrhein-Westfalen führen, um Ihre Parteifreunde handelt.