Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU] – Zu- ruf von Karl Schultheis [SPD])

Deswegen wollen wir nachhaltig mehr Fachhochschulstudienplätze schaffen. Das ist die sozialste Politik, die man überhaupt machen kann. Wir reden nicht nur in Sonntagsreden von Aufsteigern, sondern wir wollen das durch Alltagshandeln möglich machen. Deswegen bauen wir die Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen aus.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir bauen sie auch in einem besonderen Schwerpunkt aus. Die Disziplinen der Naturwissenschaften und der Technik eröffnen gerade jungen Menschen mit Zuwanderungshintergrund bessere Aufstiegschancen, und sie sind gerade für die mittelständische Wirtschaft wichtig. Denn trotz der Krise haben wir einen massiven Fachkräftemangel in den Ingenieurbereichen, der sich im nächsten Aufschwung auch demografiebedingt in einer Weise verschärfen wird, dass der Standort Nordrhein-Westfalen nachhaltig negativ berührt würde, wenn wir an der Stelle nicht endlich Abhilfe schaffen.

Sie haben damals die Entscheidung getroffen, die Gesamthochschulen in Universitäten umzuwandeln. Sie haben einen Fachhochschulzugangsweg gekappt

(Zuruf von der SPD: Dann tun Sie etwas!)

und keine neuen Fachhochschulen geschaffen. Das hätten Sie damals schon tun können. Wir machen das zunächst einmal über den Hochschulpakt, indem wir die vorhandenen Fachhochschulen und Universitäten ausbauen, Herr Groth. 50 % der Hochschulpaktmittel fließen an die bestehenden Fachhochschulen, um sie mit mehr Plätzen auszustatten. Auch dabei liegt der Schwerpunkt auf den MINT-Fächern.

26.000 Studienanfängerplätze wollen wir nicht an den neuen Fachhochschulen schaffen, sondern wir schaffen sie in dem bestehenden System, Herr

Groth. Sie werden sehen, dass NordrheinWestfalen im Jahr 2011 dieses Ziel erreichen wird.

(Karl Schultheis [SPD]: Das werden Sie nicht! – Zuruf von Ewald Groth [GRÜNE])

Mit den anderen Ländern verhandeln wir gerade im Hochschulpakt Teil 2 darüber – die SPD hat das Vorhaben in der GWK leider zum Scheitern gebracht, sonst hätten wir es am Dienstag schon abschließen können –, bis 2015 weitere 90.000 Studienanfängerplätze bereitzustellen. Davon werden etwa 10.000 Plätze auf die neuen Fachhochschulen und 80.000 auf die vorhandenen Hochschulen entfallen, die es weiter auszubauen gilt.

Ich hatte Ihnen vorgetragen, dass wir mit dem Hochschulmodernisierungsprogramm in den nächsten Jahren ein milliardenschweres Programm durchführen, mit dem wir die vorhandenen Hochschulen in einer Weise modernisieren, wie Sie es damals schon längst hätten tun können. Sie haben uns einen riesigen Sanierungsstau hinterlassen, den wir abarbeiten wollen.

Indem wir das tun, nutzen wir überlappende Kapazitäten bestehender und neu errichteter Gebäude, um an vorhandenen Hochschulstandorten den doppelten Abiturjahrgängen und den zusätzlichen Studierenden, die wir Anfang des nächsten Jahrzehnts erwarten, qualitativ hochwertige Studienplätze in Nordrhein-Westfalen anbieten zu können.

Das ist ein großer Kraftakt für mehr soziale Mobilität. Das ist ein großer Kraftakt zur Stärkung der ingenieurwissenschaftlich-technischen Nachwuchskräfte in unserem Land, auf die wir dringend angewiesen sind.

Ich möchte Sie noch kurz über den Stand der Umsetzung informieren, der wahrlich mit hohem Tempo voranschreitet. Ich hatte Ihnen mit Einbringung des Gesetzes bereits mitteilen können, dass wir unmittelbar zu Jahresbeginn bereits Gründungsbeauftragte benannt haben. Wenn Sie das Gesetz im Hohen Hause verabschiedet haben und es zum 1. Mai in Kraft getreten ist, werden aus unseren Gründungsbeauftragten Gründungspräsidenten und -vizepräsidenten.

Diese Gründungsbeauftragten arbeiten bereits, und ich möchte mich ganz herzlich bei Prof. Klaus Zeppenfeld für Hamm-Lippstadt, bei Frau Prof. Marie-Luise Klotz für Rhein-Waal und bei Herrn Prof. Eberhard Menzel für die Flughafen Westliches Ruhrgebiet ganz herzlich für die in den letzten Wochen geleistete Aufbauarbeit bedanken.

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Wir sind mit den Worten angetreten: Die neuen Fachhochschulen werden ab Wintersemester 2010/2011 die ersten Studienanfänger aufnehmen. Alle drei Gründungsbeauftragten und ihre Teams haben gesagt: Das machen wir nicht erst 2010/2011, sondern schon zu diesem Wintersemes

ter. – Ich freue mich, Ihnen das heute mitteilen zu dürfen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich möchte mich bei den regionalen Akteuren, den Vertretern unserer Städte und Gemeinden, den Kreisen und der Wirtschaft in unserem Land bedanken, dass sie die Gründungsbeauftragten und ihre Teams so tatkräftig in dieser Aufbauleistung unterstützen. Auch das ist Ausdruck der Aufbruchstimmung, die wir in diesen Regionen erleben. Mittelständische Unternehmen, aber auch Weltfirmen beteiligen sich mit Stiftungsprofessuren und anderen Unterstützungen daran, dass diese neuen Fachhochschulen ein Erfolg werden.

Der Landrat des Kreises Wesel hat die Gründung der neuen Fachhochschulen einen einmaligen Vorgang genannt – einmalig vor allem, weil wir den Regionen so viel Spielraum bei der Ausgestaltung auch der Fachhochschulschwerpunkte lassen.

All das zeigt, dass die Fachhochschulen auf ein hervorragendes Echo stoßen, dass man sie als echte Chance zur Entwicklung unseres Landes begreift.

Lassen Sie mich abschließend den Mitgliedern der Jury ganz herzlich danken, die diese Entscheidung getroffen hat – eine Jury, hochkompetent besetzt mit Fachhochschulwissenschaftlern, Vertretern der Wirtschaft und langjährig profilierten Wissenschaftspolitikern. Diese Jury hat im Übrigen auch die Idee hervorgebracht, Studienorte uns, der Landesregierung, und Ihnen als Lantag anzuempfehlen – auch diese kleinen Standorte, von denen eben gesprochen wurde,

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Mikrostandorte!)

an denen vielleicht künftig nur 40 oder 50 Studierende ihr Studium aufnehmen werden. Ich frage Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete: Ist das nicht auch ein Stück Antwort auf Nordrhein-Westfalens Struktur. Nordrhein-Westfalen ist nicht nur von Metropolen und Großstädten geprägt, Nordrhein-Westfalen ist auch vom ländlichen Raum geprägt.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir haben hoch leistungsfähige mittelständische Unternehmen, das Rückgrat unserer Wirtschaft, das Rückgrat unseres Wohlstands. Hier werden die Arbeitsplätze geschaffen. Wenn wir als Land nicht die Voraussetzung dafür schaffen, dass der ländliche Raum in den nächsten Jahren und Jahrzehnten – auch vor dem Hintergrund der demografischen Herausforderung – so attraktiv bleibt, dass junge Menschen, die dort geboren werden, sagen: „Das ist auch für uns eine attraktive Heimat in der Zukunft“, werden wir erleben, dass uns die besten Köpfe abwandern, möglicherweise über die Grenzen Nordrhein-Westfalens hinaus.

(Beifall von CDU und FDP – Werner Jost- meier [CDU]: Sehr richtig!)

Andere Länder erleben das im Moment. Wir wollen das verhindern. Deswegen bin ich der Jury unter Vorsitz von Dr. Fritz Schaumann ausgesprochen dankbar, dass sie uns auch mit den Studienorten einen Weg gewiesen hat, wie wir es schaffen, den Hochschulstandort so zu entwickeln, dass auch der ländliche Raum eine dynamische Perspektive erfährt.

Ich danke dem Landtag sehr herzlich für die Unterstützung dieses Gesetzes.

(Beifall von CDU und FDP – Christof Rasche [FDP]: Hervorragend!)

Danke schön, Herr Minister Pinkwart. – Für die SPD hat Frau Gebhard das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Minister hat gerade ausgeführt, dass er meint erkannt zu haben, dass die Opposition ein Dilemma mit dem Fachhochschulgesetz hätte. Nein, wir haben – das kann ich Ihnen versichern – kein Dilemma damit. Wenn ein Wettbewerb stattfindet, ist es doch völlig normal und klar, dass es viele Bewerbungen gibt, dass es Gewinner und Verlierer gibt und dass die Gewinner sich freuen.

Welcher Kommune, welchen Kommunalpolitikern, egal welcher Couleur, sollte ich vorwerfen, sich zu freuen, wenn er oder sie zusätzliche Fachhochschulplätze bekommt. Das ist eine völlig normale Sache. Dazu kann ich jeder Kommune nur gratulieren, wenn sie denn zu den Gewinnern gehört.

Wir in diesem nordrhein-westfälischen Parlament haben aber eine ganz andere Aufgabe. Es geht doch nicht darum, an einigen Stellen im Land ein bisschen Freude zu bereiten und viel mehr Verlierer zu hinterlassen, sondern darum, ein ausgewogenes, ein schlüssiges Konzept vorzulegen. Sie meinen, in der Vergangenheit graben und uns anzuhängen zu müssen, in der Vergangenheit nicht ausreichend Fachhochschulplätze geschaffen zu haben.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Genau so ist es!)

Herr Kuhmichel, ganz ruhig! Das, was Sie jetzt an Argumenten bringen, holt Sie 2010 wieder ein. Daran sollten Sie denken. Wenn Sie Ihre Mehrheit wieder abgegeben haben, kriegen Sie alles wieder zurück.

(Lachen von CDU und FDP)

Seien Sie sehr vorsichtig, vor allen Dingen sehr vorsichtig, mit Bayern zu argumentieren. Es ist zwar richtig, was Sie sagen, wenn Sie sich, bezogen auf die Fachhochschulplätze, die Rosinen herauspi

cken. Wenn Sie sich aber die Gesamtstudienplätze anschauen, liegt Bayern nicht weit oben. Bayern können wir uns da überhaupt nicht zum Vorbild nehmen. Wenn Sie Bayern nennen, sollten Sie auch noch beachten, dass Bayern das Schlusslicht derjenigen Länder ist, die die jungen Menschen überhaupt qualifizieren und sie mit einer Zugangsberechtigung zum Studium ausstatten. Da ist Nordrhein-Westfalen spitze, und zwar nicht, seitdem Sie dran sind, sondern seitdem und solange die Sozialdemokraten in diesem Land mitregiert haben.

(Zuruf)

Ich brauche keinen Applaus der Opposition, ich weiß auch so, dass die mir zustimmen. Und dass Sie mir nicht applaudieren – ich bin ja schon froh, wenn Sie zuhören –, kann ich ertragen.

(Unruhe von CDU und FDP)

Was das Zuhören betrifft, Herr Lindner, so habe ich Ihnen sehr genau zugehört. Es gibt in der Tat zwei Dinge, bei denen ich Ihnen zustimmen kann. Erstens: Sie haben einen Gesetzentwurf vorgelegt. Zweitens: Sie haben gesagt, Sie hätten ein Projekt begonnen. Auch dem kann ich zustimmen.

Aber dem Rest, den Sie hier gesagt haben, kann man überhaupt nicht zustimmen. Beispielsweise führen Sie Ihre Wettbewerbsphilosophie genau an diesem Projekt ad absurdum. Sie haben einen Wettbewerb mit Kriterien ausgeschrieben, an die Sie sich anschließend nicht mehr gehalten haben.

(Zustimmung von der SPD)

Das führt zu großem Unmut im Land. Das hat die Anhörung mehr als deutlich bewiesen. Sie haben als ein Kriterium ausgelobt: 5.000 neue Plätze in vom Rückzug des Steinkohlebergbaus betroffenen Regionen. – Ich finde es schon sehr interessant, wie Sie diese Regionen anschließend definieren. Vor dem Hintergrund genau dieses Kriteriums haben sich Regionen aufgemacht und haben auch dem zweiten Kriterium Genüge getan, indem sie einen regionalen Konsens herbeiführten. Und was ist daraus geworden? – Im Papierkorb sind diese regionalen Konsense gelandet. Sie sind nicht berücksichtigt worden.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Vergegenwärtigen wir uns doch einmal, was der Bürgermeister der Stadt Kamp-Lintfort, Herr Dr. Christoph Landscheidt, in der Anhörung gesagt hat – mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich –:

Unsere Bewerbung ist das Ergebnis einer in dieser Form einzigartigen und langjährigen interkommunalen Zusammenarbeit von vier Städten auf dem Gebiet der Struktur- und Wirtschaftsförderung.