Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Unsere Bewerbung ist das Ergebnis einer in dieser Form einzigartigen und langjährigen interkommunalen Zusammenarbeit von vier Städten auf dem Gebiet der Struktur- und Wirtschaftsförderung.

Herr Lindner, nehmen Sie sich das zu Herzen. –

Die vier Städte Moers, Rheinberg, Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn repräsentieren das Steinkohlerückzugsgebiet am linken Niederrhein. … Die gemeinsame Bewerbung der vier Städte um eine Fachhochschule war maßgeblich durch die Aussage der Landesregierung in der Ausschreibung motiviert, dass bis zu 5.000 Studienplätzen in den unmittelbar vom Kohlerückzug betroffenen Städten geschaffen werden sollten.

Diese Städte haben Tausende Arbeitsplätze im Bergwerk verloren. Sie wissen, Bergwerk West steht jetzt auch noch an. Da gehen weitere 4.600 Arbeitsplätze verloren. Sie wissen, dass durch die Schließung des BenQ-Werks in Kamp-Lintfort Arbeitsplätze verlorengegangen sind. Und dann müssen die zur Kenntnis nehmen: Nein, ihr regionaler Konsens wird zerschlagen, Kamp-Lintfort wird Annex von Kleve, weil Kleve der Hauptsitz wird und eben nicht Kamp-Lintfort. – Dann gehen auch noch die Zahlen durch die Öffentlichkeit, dass KampLintfort möglicherweise noch 500 Plätze bekommt und dass 2.000 nach Kleve gehen. Das ist, meine ich, der Punkt, der Unmut schafft und wo Sie sich nicht an Ihre eigenen Kriterien halten.

(Beifall von der SPD)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, jetzt nicht.

Sie gestatten keine Zwischenfrage.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Man kann sich auch die nächste Frage anschauen. Genauso ist es der Emscher-Lippe-Region ergangen. Der Oberbürgermeister der Stadt Gelsenkirchen hat uns in der Anhörung gesagt, dass ein regionaler Konsens – moderiert von dem Regierungspräsidenten und schriftlich niedergelegt – ausdrücklich herbeigeführt worden ist. Und dass es sich bei dieser Region um ein Steinkohlerückzugsgebiet handelt, kann man nun wirklich nicht bezweifeln. Und was wird berücksichtigt? Was wird entschieden? – 40 Plätze in Ahaus – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – sollen dafür bereitgestellt werden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Damit haben Sie, meine ich, den Anspruch, Wettbewerbe ordentlich durchzuführen, längst verspielt.

Wenn klare Fragen gestellt werden, wie: „Warum findet eine Ungleichbehandlung statt?“, „Warum wird Kleve geraten, sich mit den Nachbarhochschulen abzustimmen?“ und „Warum wird Kleve aber nicht geraten, sich mit Abteilungsstandort Bocholt

der Fachhochschule Gelsenkirchen zu beraten, obwohl dort die gleichen Studiengänge vorhanden sind?“, dann ist der Juryvorsitzende nicht in der Lage, sie zu beantworten.

Wenn gefragt wird „Warum wird der Antrag von Gelsenkirchen als fundiert bezeichnet, aber trotzdem nicht berücksichtigt?“, wird keine Begründung gegeben. Wenn gefragt wird „Warum wird, wenn eine Entscheidung zugunsten Mülheim-Bottrop ausfällt, nicht wie an anderen Standorten der Auftrag erteilt, sich mit der Nachbarfachhochschule Gelsenkirchen abzustimmen?“, gibt es keine Antwort.

Warum gibt es denn keine Antwort? – Es kann nur eine Begründung geben: Es wäre Ihnen selbst peinlich, weil es das Ganze keine Logik hat, sondern politisch so gewollt war.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Und infolgedessen kann man nicht von einem dollen Erfolg dieser Maßnahme sprechen. Es ist eine politische Gießkanne, die Sie ausgeschüttet haben, aber es ist kein vernünftiges hochschulpolitisches Konzept. – Danke schön.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gebhard. – Wie ich gehört habe, wünscht der Abgeordnete Groth noch einmal das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe extra gewartet, bis Sie wieder da sind. Es macht sonst auch gar keinen Spaß. Dass Sie den ganzen Tag bei einem so wichtigen Thema lieber in der Kantine sitzen …

(Unruhe bei CDU und FDP – Zuruf von der FDP: Das ist unverfroren!)

Der Minister spricht davon, die Abwanderung der besten Köpfe verhindern zu wollen. Dann tun Sie das auch, Herr Minister. Mit Ihren 5.000 zusätzlichen Studienanfängerplätzen schaffen Sie jedenfalls keine Lösung für die 50.000 jungen Menschen, die wir allein durch den Abiturjahrgang 2012/2013 mehr haben werden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Dann werden wir sogar 70.000 neue Studienanfänger haben im Vergleich zu 2005. Das ist keine Lösung. Das ist zu langsam und viel zu wenig. Da sind wir übrigens überhaupt nicht zerrissen. Ich habe gesagt, als Grüne begrüßen wir jeden Studienplatz – ganz egal, wo er geschaffen wird –, weil wir ihn nötig haben, vielleicht nötiger, als Sie wissen. Deshalb reden wir darüber, dass Sie schneller machen müssen. Sie müssen wirklich endlich einmal ernst nehmen, was Sie selbst dauernd sagen, nämlich „Tem

po, Tempo!“. Ich erlebe, dass Sie zu langsam und zu kurz springen.

Wenn es um Nachhaltigkeit geht, Herr Minister, lassen Sie sich das ins Stammbuch schreiben: Nachhaltigkeit hat etwas mit Verlässlichkeit und am Ende auch mit Durchhalten zu tun. Was passiert denn mit den Ministudienorten? – Die haben keine Mensa, keine Bibliothek, keine Labore; dort sind vielleicht 40 Studentinnen und Studenten. Was glauben Sie denn, was passiert? Was werden Sie denn tun, wenn die demografische Kurve in Bezug auf die Studienanfängerzahl nicht mehr hochgeht wie im Moment. Schaffen Sie die Studienplätze in der entsprechenden Anzahl da, wo es sinnvoll und kostengünstig ist, und machen Sie nicht solche kleinen Dinger, die am Ende nichts bringen und worauf sich die Studentinnen und Studenten nicht verlassen können, dass sie in zehn oder 15 Jahren dort noch studieren können, wenn die demografische Kurve wieder heruntergeht.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Ralf Witzel [FDP]: Das nennt man zukunftsweisenden Strukturwandel!)

Sie schaffen sich heute ein Problem, das sie am Ende nicht lösen können.

Zu den Fragen des Verfahrens, was die Kommission eigentlich gemacht hat und wie am Ende entschieden worden ist, hat Frau Gebhard Ihnen schon einiges gesagt. Dieses Verfahren war nicht transparent. Am Ende sind mehr Fragen offen, als Antworten gegeben worden sind. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Lieber Herr Groth, ich habe die herzliche Bitte – ich glaube, ich spreche für das ganze Parlament –, denjenigen, die nicht im Plenarsaal sitzen, nicht zu unterstellen, sie würden in der Kantine sitzen.

(Beifall von CDU, FDP und GRÜNEN – Zu- stimmung von Ewald Groth [GRÜNE])

Im Übrigen hatten Sie darauf hingewiesen, dass Sie eine getrennte Abstimmung haben wollten, Herr Kollege Groth. Dazu haben Sie jetzt nichts gesagt.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Das hat er eben schon gesagt! – Ewald Groth [GRÜNE]: Wir möchten eine getrennte Abstimmung!)

Sie wollen eine getrennte Abstimmung. – Herr Prof. Pinkwart, bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Groth, falsche Argumente werden nicht dadurch besser, dass man sie wiederholt.

(Beifall von CDU und FDP)

Deswegen weise ich für die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen zurück, dass es kein Konzept für den Bedarf an neuen Studienanfängerplätzen im kommenden Jahrzehnt geben würde. Wir sind das letzte große Flächenland mit dem doppelten Abiturjahrgang im Jahr 2013 und waren das erste, das mit dem Instrument Hochschulpakt genau den Masterplan für Deutschland insgesamt mit angemahnt und vorbereitet hat.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn das von Ihnen mitregierte Bremen und die SPD-Länder es diese Woche nicht verhindert hätten, hätten wir auch schon Teil zwei beschließen können. Das ist die Wirklichkeit.

(Beifall von CDU und FDP – Karl Schultheis [SPD]: Welcher Masterplan?)

Dann empfehle ich den von Ihnen mitgetragenen Regierungen, nachzuarbeiten, wie dort versucht wird, erneut den Flächenländern die notwendigen Kofinanzierungsmittel des Bundes streitig zu machen, weil Sie an der Stelle des Aufwuchses von Studienplätzen Ihre Finanzausgleichsinteressen maximieren wollen, statt die Interessen der Studierenden im Blick zu haben. Das ist die Wirklichkeit, mit der Sie sich einmal auseinandersetzen sollten.

(Beifall von CDU und FDP – Widerspruch von Karl Schultheis [SPD])

Ein zweiter Punkt, lieber Herr Groth, und das ist wirklich ganz toll gewesen. Weil das Wetter so schön ist, möchte ich das zur Erheiterung abschließend sagen: Sie halten uns vor, wir planten Studienorte, die den heute und in den nächsten Jahren dort Studierenden nicht die Sicherheit geben würden, dass sie noch in 15 oder 20 Jahren dort studieren könnten. Ich glaube, das ist nicht die Fragestellung, die wir betrachten sollten, wenn es uns um eine gute Zukunft der jungen Menschen geht.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Dann versprechen Sie das doch! Geben Sie endlich die Zusa- ge!)

Das war damals Ihre Perspektive, weil es Ihnen egal war, wie lange die jungen Menschen studieren mussten, um zu einem Abschluss zu kommen.

(Beifall von der CDU)

Wir wollen, dass diejenigen, die ein Studium anfangen, es innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu einem Abschluss bringen. 15 Jahre brauchen sie bei uns in Zukunft nicht mehr! – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP – Heiterkeit von Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart – Karl Schultheis [SPD]: Sie lachen über sich selbst!)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit kommen wir zur Abstimmung.