Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Im LWL gab es das schon, Frau Altenkamp. Wir verstehen uns da schon richtig. Es gab große Schwierigkeiten, und wir in Westfalen fühlten uns immer sehr benachteiligt, um es einmal so zu formulieren.

Ich komme auf das KiBiz zurück: Gerade das KiBiz hat sich ganz intensiv darum gekümmert, dass der Besuch von Kindern mit Handicaps Regelbesuch ist, der zwar finanziell besonders gefördert wird, bei dem aber eigentlich vorgesehen ist, dass Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam in den Kindergarten oder die Kindertageseinrichtung gehen.

Das KiBiz ist an der Stelle – da wäre ich, wenn ich Sie wäre, sehr vorsichtig – am allerwenigsten angreifbar.

Lassen Sie mich trotzdem noch einmal ein paar generelle Bemerkungen zu diesem Thema machen:

Für Kinder ist es wichtig, möglichst viele Facetten des Lebens kennenzulernen. Das heißt auch, Kinder kennenzulernen, die Handicaps haben, damit man einander besser kennenlernt. Dass man sich gegenseitig kennenlernen muss, gilt ganz besonders für Kinder mit besonderem Förderbedarf. Es

gibt Kinder, für die von vorneherein ein Förderbedarf festgestellt worden ist, aber es gibt auch Kinder, bei denen der Förderbedarf erst im Laufe des Besuchs einer Einrichtung festgestellt wird.

Dem Anliegen dient die gemeinsame Betreuung und Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung in den integrativ arbeitenden Gruppen in unseren Tageseinrichtungen für Kinder. Die Teilhabe behinderter Kinder und der Abbau von Barrieren sind uns gerade bei der Entstehung des Gesetzes ein wichtiges Anliegen gewesen. Das sind sie im Übrigen nach wie vor.

Deshalb haben wir mit dem KiBiz erstmals die erhöhte finanzielle Förderung von Kindern mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen gesetzlich festgeschrieben. Die Pauschale stellt sicher, dass nicht nur die Grundkosten, sondern auch Kosten für zusätzliche pädagogische Angebote und Hilfen erstattet werden. Die Förderung dieser Kinder wird durch Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII ergänzt. Zukünftig erhält der Träger für jedes Kind mit Behinderung in seiner Einrichtung außerhalb der heilpädagogischen Einrichtungen eine 3,5-fache Kindpauschale gemessen an der Kindpauschale für Kinder im Alter von drei Jahren und älter bei 35 Stunden Belegungszeit. Das entspricht einem Betrag in Höhe von 14.788,76 € pro Kind.

Der Vorwurf, dass es keine Regelung für die Kinder unter drei Jahren gibt, wie es in Ihrem Antrag behauptet wird, ist falsch. Die unter Dreijährigen mit einer wöchentlichen Betreuungszeit von 45 Stunden erhalten eine Pauschale von 15.215,20 €. Damit liegen wir über dem 3,5-fachen Satz nach „3 b“. Alle Kundigen des Kindergartengesetzes wissen, was damit gemeint ist.

Das ist allerdings die einzige Fallkonstellation, in der behinderte Kinder in gleicher Höhe gefördert werden wie nicht behinderte Kinder. Ansonsten liegen die Kindpauschalen für Kinder mit Behinderung um mindestens – ich nenne jetzt einmal eine gerundete Zahl – 3.000 € über dem Satz für Kinder ohne Behinderung. Ich weise noch einmal darauf hin: Das sind die Sätze für die pädagogische Betreuung. Alles, was ansonsten noch hinzukommt, wird seitens der Landschaftsverbände oder durch das Sozialgesetzbuch abgedeckt.

Auf diese Art verstärkt das KiBiz das Integrationsangebot und trägt dazu bei, dass mehr Kinder mit Behinderung in eine Tageseinrichtung aufgenommen und dort individuell gefördert werden. Wichtig ist, dass – so steht es im Gesetz – künftig kein Kind aufgrund seiner Behinderung von einem Besuch des Kindergartens ausgeschlossen wird. Das ist die eigentliche und wesentliche Neuerung im Kindergartengesetz zugunsten der Kinder mit Handicaps.

Die Feststellung in Ihrem Antrag, dass Kinder wegen ihrer Behinderung von einem Kindergarten abgelehnt oder nicht aufgenommen würden, kann

ich so nicht bestätigen. Ganz im Gegenteil: Ich habe Post von der Lebenshilfe bekommen, in der steht, dass Einrichtungen ihrer Meinung nach viel zu früh aufgenommen und jetzt das Gefühl haben, dass die Kinder nicht so adäquat gefördert werden, wie sie sich das eigentlich vorstellen. Man hat möglicherweise erkannt, dass es dort für das einzelne Kind mehr Geld gibt.

Es wird dringend eingefordert, dass in den Einrichtungen mehr Qualifikation der Erzieherinnen stattfindet.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das ist aber eine Bestätigung des Antrags!)

Man ist jetzt vielleicht ein bisschen vorsichtiger und sagt, dass man es nicht genau kann. Das bedeutet nicht, dass diese Kinder nicht aufgenommen werden sollen. Das liegt also nicht an einer Gesetzesänderung, sondern daran, wie es praktiziert wird. Darüber müssen wir uns vielleicht an anderer Stelle unterhalten.

Für bauliche Veränderungen, die absolut nicht unser Thema sind, haben wir schon lange eine Vorschrift: Bauliche Veränderungen in öffentlichen Gebäuden sollen immer schon barrierefrei und damit behindertengerecht sein.

Die Finanzierungssystematik des KiBiz ist deutlich: Die Jugendämter entscheiden nach § 19 Abs. 3 KiBiz im Rahmen der örtlichen Jugendhilfeplanung über Gruppenformen und Betreuungszeiten. Auf der Grundlage erfolgen die Meldungen an das Jugendamt zum 15. März.

Nicht ganz nachvollziehen kann ich daher den Vorwurf, dass – das haben Sie vorhin auch gesagt – Kinder, deren Förderbedarf während des laufenden Jahres festgestellt worden ist, keine zusätzliche Förderung erhalten. – Nach allen Informationen, die mir zugänglich sind, erhalten diese Kinder die Förderung.

Nur tun die beiden Landschaftsverbände im Moment das, was wir eigentlich nicht wollten: Sie verhalten sich unterschiedlich! Der Landschaftsverband Rheinland zahlt sofort aus, und der Landschaftsverband Westfalen-Lippe hält sich zurück. Das Ministerium hat, so meine ich, im Sinne des Gesetzes völlig ordentlich und klar geantwortet. Es geht sicherlich eher um eine Einstellung als eine Gesetzesinterpretationsfrage. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir Rheinland und Westfalen wieder zusammenbrächten. Es würde mich persönlich freuen, wenn sich die westfälische Lösung der rheinischen Lösung anpasste, kann ich nicht verhehlen.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Sie fordern in Ihrem Antrag noch etwas ganz Interessantes, nämlich die Festschreibung der Anzahl der Fachkräfte in den Gruppen. Ich bin diesbezüglich etwas vorsichtiger. Denn ich meine, dass wir uns damit ein Stück Flexibilität vergeben. Wenn wir

den geldwerten Vorteil gewähren, dann ist es meiner Meinung nach Aufgabe der Einrichtung, zu gucken, wie sie am besten mit ihren Fördermöglichkeiten umgeht und wo sie welche Kraft am besten einsetzen kann. Das ist besser, als feste Strukturen festzulegen.

Das Gleiche gilt meiner Ansicht nach für den Förderplan, den Sie fordern. Wir haben heute sehr deutlich gemacht, dass unsere Angebote für Kinder in Nordrhein-Westfalen von der Geburt bis zur Schule geregelt sind. Wir verfügen über ausreichende Möglichkeiten, um Kindern, die einen besonderen Förderbedarf haben, zur Seite zu stehen. Ich nenne beispielhaft die Frühförderstellen, die ihre Verantwortung abgeben, wenn die Kinder in eine Einrichtung gehen, die ihren Förderbedarf abdeckt. Sie agieren dann als Reserve. Auch mit Blick auf die Diskussion um Schule vorhin meine ich, dass man das zwar festschreiben kann, aber nicht festschreiben muss.

Der Regelungsbedarf besteht nicht im KiBiz, sondern eher in den Einrichtungen. Darüber sollten wir uns im Ausschuss unterhalten. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kastner. – Jetzt spricht Herr Lindner für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich habe bedauert, Frau Veldhues, dass Sie in Ihrem Antrag eingangs keine positive Würdigung des Kinderbildungsgesetzes vorgenommen haben. Das wäre diesem Problemkreis durchaus angemessen gewesen.

(Beifall von FDP und CDU – Britta Altenkamp [SPD]: Das ist aber nicht Ihr Ernst, oder? – Gegenruf von Ralf Witzel [FDP]: Das wäre anständig gewesen! – Gegenruf von Britta Al- tenkamp [SPD]: Herr Witzel, kommen Sie mir bitte nicht mit Anstand!)

Ich möchte zwei Aspekte benennen, die es wert gewesen wären, gewürdigt zu werden. – Zum einen hat das Kinderbildungsgesetz als klares Ziel des Gesetzgebers festgelegt, dass behinderte und nichtbehinderte Kinder integrativ gefördert werden sollen. Das ist eine neue Feststellung und eine deutliche Verbesserung gegenüber dem GTK.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Zum anderen hat das Kinderbildungsgesetz erstmals eine einheitliche Fördergrundlage in Nordrhein-Westfalen geschaffen. Es gab schließlich große Unterschiede zwischen dem Bereich des Landschaftsverbandes Rheinland und dem des LWL. Das Kinderbildungsgesetz hat erstmals bei

der Förderung von Kindern mit Handicap eine einheitliche Handhabung ermöglicht. Das trägt in der Praxis dazu bei, dass sich die Lebenschancen von Kindern mit Behinderung ganz konkret verbessern. Wir wollen diesen Kurs weiterfahren. Wir wollen weitere Schritte machen. Wir wollen Teilhabe für alle ermöglichen.

Jetzt komme ich zu den konkreten Aspekten, die Sie mit Ihrem Antrag zur Sprache gebracht haben und über die man sprechen muss.

Zum einen – darauf hat Frau Kastner schon hingewiesen – sind wir gegen einen festen Personalstandard, wie Sie ihn mit den zwei Fachkräften gefordert haben. Wir sagen nicht, dass der Standard nicht richtig sei, aber es erfolgt sehr viel häufiger als in der Vergangenheit Einzelintegration von Kindern mit Handicap in eine Gruppe, und dann muss auch im Einzelfall geprüft werden, welches der richtige Weg ist, um diesem Kind gerecht zu werden. Das kann auch eine Reduzierung der Gruppengröße bei gleichem Personalstandard sein. Also, Sie sind zu inflexibel. Sie gehen zu stark von bestehenden Gruppen aus, und genau das wollen wir nicht. Wir wollen Flexibilität auch für den Einzelfall.

Zum anderen sprechen Sie über die Abrechnung von Kindern mit Handicap, die erst im Laufe eines Kindergartenjahres als behindert identifiziert werden. Hier gibt es eine ganz klare Rechtspraxis durch das Kinderbildungsgesetz. Die Rechtspraxis heißt: Sich im Kindergartenjahr verändernde Sachverhalte werden zum 1. November abgerechnet. Dann erhalten die Träger von Kindertageseinrichtungen auch den erhöhten Fördersatz – aber eben nachträglich. Hier ist nun zu fragen: Gibt es eine besondere Begründung für diesen ganz konkreten Fall, dass quasi sofort zusätzliches Geld für die Kinder mit Behinderung verausgabt wird?

Darüber ist zu sprechen, und darüber werden bereits Gespräche geführt. Aber bitte tun Sie nicht so, als sei dies ein Fall, der sehr oft auftritt. Und bitte überschätzen Sie nicht die finanzielle Wirkung.

Häufig genug haben wir es in diesen Fällen mit Kindern im Alter von unter drei Jahren zu tun, die dann als unter dreijähriges Kind mit Handicap identifiziert werden. Sie wissen, dass die Unterschiede in der Förderung von Kindern unter drei Jahren ohne Behinderung oder mit Behinderung nicht so erheblich sind. Das ist also für die Liquidität einer Einrichtung nicht so entscheidend.

(Widerspruch von Britta Altenkamp [SPD])

Britta Altenkamp schüttelt mit dem Kopf.

(Elisabeth Veldhues [SPD]: Wir haben ande- re Zahlen!)

Es gibt sogar einen Fall, nämlich die Kindpauschale III b mit 45 Stunden. Da ist die Förderung für nichtbehinderte Kinder sogar höher als für behinderte

Kinder. Insofern kann es da kein so großes Gefälle geben.

Und in dem Fall, den ich gerade genannt habe, würde auch ein behindertes Kind die Pauschale für nichtbehinderte Kinder bekommen. Das will ich der Vollständigkeit halber auch sagen.

(Zuruf von Elisabeth Veldhues [SPD])

(Elisabeth Veldhues [SPD]: Und das soll aus- reichend sein?)

Danke. Das ist ein guter Hinweis. Frau Kollegin Veldhues, diejenigen, mit denen ich spreche – Sie sind ja eng damit verbunden, weil Sie seit vielen Jahren im LWL tätig sind; deshalb bekommen Sie vermutlich ähnliche Rückmeldungen wie ich –, sagen mir, dass der Betreuungsaufwand – präziser formuliert: der pflegerische Aufwand – für ein einjähriges Kind nicht fundamental davon abhängt, ob es eine Behinderung hat oder nicht.

(Widerspruch von Carina Gödecke [SPD])

Doch, Frau Gödecke.

(Carina Gödecke [SPD]: Ich weiß, wovon ich spreche!)