Protokoll der Sitzung vom 27.05.2009

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es herrscht Einigkeit im Hohen Haus, dass das Ehrenamt ein wichtiger Eckpfeiler unserer Gesellschaft ist und Dank, Lob und Anerkennung verdient, nicht zuletzt und besonders die Feuerwehren, die 24 Stunden am Tag 365 Tage im Jahr retten, löschen, bergen und schützen und von daher sicherlich ein hervorragendes Beispiel für das Ehrenamt sind.

Allerdings ist auch festzustellen, dass das, was die SPD zum Anlass nimmt, um diese Debatte zu führen, nämlich der vermeintliche Rückgang von Freiwilligen im Bereich der Feuerwehr, so nicht zutrifft. Wir hatten im Jahr 2008 fast 80.000 Freiwillige. Zur Zeit Ihrer Regierung, 2003, waren es 76.000. Über den Daumen gepeilt waren es also 3.000 weniger.

Es ist interessant, dass Ihre Initiative jetzt kommt – in der Opposition und auch in Wahlkampfzeiten. Es

ist sicherlich richtig, wenn Sie sagen, dass wir auch in Zukunft darauf achten müssen, dass wir genügend Freiwillige haben. Dafür ist Attraktion erforderlich; Beispiele sind genannt worden. Die technische Ausrüstung ist übrigens nicht nur eine Belastung, sondern häufig gerade auch ein Anreiz für junge Menschen, der Feuerwehr beizutreten. Gerade diese hochwertige Ausstattung ist ein großer Anreiz.

Es ist, wie gerade schon zu Recht gesagt worden ist, eben ein Ehrenamt, und ein Ehrenamt ist unentgeltlich, ohne Aussicht auf materielle Gegenleistungen und mit einem überobligationsmäßigen Einsatz. Das ist es, was dahintersteht. Das haben die Redner der Koalitionsfraktionen aus meiner Sicht richtig gesagt.

Schwierig ist bei dem Antrag der SPD-Fraktion auch das Thema „Differenzierung zwischen ehrenamtlichen Gruppierungen“. Ich glaube, jeder, der sich im kommunalen Bereich auskennt, weiß, dass es viele Aufgaben gibt: Pflichtaufgabe, freiwillige Aufgabe. Das verwischt sich am Ende alles, wenn es darum geht, Menschen zu helfen. Wo sich Private mit ihrem Engagement für die Allgemeinheit einsetzen, den einen sozusagen ein Stück herauszuheben, ist sicherlich nicht leicht zu begründen.

Rein auf die Feuerwehr gemünzt, haben wir zusätzliche Schwierigkeiten: Was machen wir mit ehemaligen Freiwilligen? Was ist mit denen aus der Ehrenabteilung, die schon früher 30 oder 40 Jahre lang gedient haben? Was machen wir mit der Einbeziehung von hauptamtlichen Feuerwehrleuten, die zusätzlich ehrenamtlich tätig sind? Auch das ist schon gefragt worden. All das sind, jedenfalls aus meiner Sicht, sehr schwer zu beantwortende Fragen.

Darüber hinaus – Herr Engel hat darauf hingewiesen – ist es eine kommunale Aufgabe. Angesichts der Hochachtung, die wir vor der kommunalen Selbstverwaltung haben, tun wir als Land gut daran, uns nicht an den Punkt der Zuständigkeitsanmaßung zu manövrieren, nicht zuletzt mit Blick darauf, dass die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland und die horrenden Einnahmeverluste der öffentlichen Haushalte auch die Frage aufwirft, ob das der richtige Zeitpunkt ist, um Anspruchsausweitungen vorzunehmen.

All das kann im Ausschuss sicherlich noch näher beraten und dann auch beschieden werden. Ich glaube jedenfalls, dass das insgesamt ein sehr schwieriges Kapitel ist, gerade mit Blick auf den Grundsatz des Benachteiligungsverbots, auch gegenüber anderen Ehrenamtlern. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/9272 an den Innenausschuss – federführend –, an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform und an den Haushalts- und Finanzausschuss. Die abschließende Beratung und Abstimmung wird im federführenden Innenausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Ist jemand dagegen? – Enthaltungen? – Damit hat das Plenum den Verfahrensbeschluss einstimmig gefasst.

Ich rufe auf:

7 Zeichen setzen gegen Schlankheitswahn und extremes Übergewicht!

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/9258

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende CDU-Fraktion Frau Westerhorstmann das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Junge Mädchen sind immer öfter unzufrieden mit ihrem Körper und ihrem Gewicht. Fast die Hälfte der 11- bis 17jährigen findet sich zu dick, so ein Ergebnis der Dr.Sommer-Studie für das Jugendmagazin „Bravo“.

Das sind nicht die Stimmen von wirklich übergewichtigen jungen Frauen, sondern das sind zum allergrößten Teil völlig normalgewichtige Menschen. Jungen sind übrigens nicht frei von solch fragwürdigen Schönheitsidealen. Sie gehen mit der Situation allerdings sehr viel entspannter um.

Wenn wir heute beklagen, dass immer mehr junge Frauen einem unrealistischen Schönheitsideal nachjagen, müssen wir feststellen, dass dies in vielen Fällen nicht zuletzt an dem Frauenbild in den Medien und der Modewelt. Die Gewichtskontrolle wird dann leider oft das Wichtigste im Leben. Man vergleicht den eigenen Körper mit dem Schönheitsideal und will diesem immer näher kommen.

Die Folge ist: Viele Menschen, vor allem Mädchen und Frauen, beurteilen ihr Äußeres und ihre Figur überkritisch und sind mit sich selbst unzufrieden. Die Folgen eines übertriebenen Schlankheitsideals sind Essstörungen und später eben auch Gesundheitsprobleme.

Wenn jemand ein gestörtes Essverhalten entwickelt, kommen häufig sehr viele Faktoren zusammen: zum Beispiel ein geringes Selbstwertgefühl, Selbstzweifel, Leistungsdruck, Versagensängste,

familiäre Probleme und Belastungen und eben auch Druck unter Gleichaltrigen.

Meine Damen und Herren, es muss doch für uns alle ein Alarmzeichen sein, wenn ein Viertel der Mädchen an Magersucht und Ess-Brech-Sucht leidet. Leider ist die Tendenz steigend. Nicht selten führen solche Störungen sogar zum Tod.

Alarmzeichen dürfen nicht übersehen werden. Sie müssen von Eltern, Lehrern und Freunden ernst genommen werden. Hierzu wird viel Fingerspitzengefühl benötigt. Wir brauchen deshalb eine stärkere Sensibilisierung der Öffentlichkeit für ungesundes und auch für extremes Essverhalten.

Ich halte es auch für wichtig, dass wir die Begriffe „Schönheit“ und „Schlankheit“ entkoppeln. Jeder von uns kann und sollte mit einfachen Mitteln mithelfen. Wir können uns zum Beispiel Fernseh- und Zeitschriftenwerbung sehr viel genauer ansehen und uns fragen: Was ist hier eigentlich das Motiv, und was ist die Methode?

Die Auswirkungen auf Kinder bleiben nicht ohne Folgen. Ich bin davon überzeugt, dass wir unsere Gleichgültigkeit in der Debatte und auch im Hinblick auf die Auswirkungen auf Jugendliche nicht länger übersehen dürfen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Aus diesem Grund war es uns ein ernstes Anliegen, ein Zeichen gegen den Schlankheitswahn und gegen extremes Übergewicht zu setzen. Dieses Problemthema gehört in der Mode- und Werbebranche, in der Schule, in der Familie, in den Sportvereinen, bei den Allgemeinärzten und in der Politik auf die Dringlichkeitsliste.

Schönheitsideale sind immer auch das Ergebnis von gesellschaftlichen Prozessen. Doch schön ist, was der eigenen Person gerecht wird. Und wer in sich ruht, wird in der Regel nicht bloß nach äußerlichen Merkmalen beurteilt; denn sie oder er verleiten einen von ihrer Ausstrahlung her gar nicht dazu.

Die Wanderausstellung „Bildschöne Frauen“ der Frauenberatungsstelle Bielefeld zeigt sieben Schaufensterpuppen, die auf ein verzerrendes Bild der Frauen aufmerksam machen und zeigen, dass die Realität eine andere ist. Auf Postkarten werden provokante Fragen gestellt wie zum Beispiel: Wussten Sie, dass die Kleider zum Körper und nicht der Körper zu den Kleidern passen sollte?

Meine Damen und Herren, wir brauchen einen Bewusstseinswandel, wie er durch solche pfiffigen Aktionen propagiert wird. Deshalb appelliere ich zum Schluss an Sie alle: Helfen Sie mit, Schönheit und Schlankheit von Extremformen zu befreien! – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Westerhorstmann. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der FDP Frau Kollegin Pieper-von Heiden das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zahl der Jugendlichen mit Symptomen einer Essstörung steigt stetig an. Nicht nur Mädchen, sondern auch eine Vielzahl von Jungen sind davon betroffen. Es ist auch nicht nur die Zahl der Jugendlichen alarmierend, die einem krankhaften Schlankheitswahn nacheifern, sondern noch alarmierender sind die stetig steigenden Zahlen der übergewichtigen Kinder und Jugendlichen. Dies wird leider immer wieder vergessen, wenn beim Thema Essstörung nur an magersüchtige junge Mädchen gedacht wird.

Ein Grund hierfür ist sicherlich schnell gefunden. Gertenschlanke Zero-Size-Models lassen sich besser vermarkten. Zuletzt war das vor ein paar Tagen beim groß aufgemachten Finale einer bekannten Model-Casting-Show zur besten Sendezeit zu sehen.

Kaum laufen Sendungen und Shows dieser Art durch die Medien, ist auch schnell wieder das Thema Magersucht und Bulimie im Spiel, leider oft nicht mit der wissenschaftlichen und sachlichen Orientierung, mit der man sich mit diesem Thema beschäftigen sollte, sondern vielmehr als unschöne mediale Schlammschlacht.

Anders verhält es sich beim Thema Übergewicht. Medientechnisch scheint dieses Thema nicht so viel herzugeben; zumindest schafft es dieses Thema meist nicht über die polarisierend reißerischen Nachmittagsshows hinaus.

Alles in allem ist der öffentliche Umgang mit den Themen Schlankheitswahn und Übergewicht nicht erfreulich und nicht sachgerecht. Sehr oft wird der Ernst der Lage im Einzelfall verkannt. Übergewichtige Kinder leiden oft unter Erkrankungen, die wir eigentlich erst von Erwachsenen kennen: Diabetes, Bluthochdruck, Bandscheibenschäden, um nur einige zu nennen.

Hinzu kommen weitere psychosomatische Probleme. Magersucht und Bulimie als wohl bekannteste Essstörungen sind Symptome einer psychischen Erkrankung, die ihren Ausdruck in einem krankhaft veränderten Ernährungsverhalten wie einem gestörten Verhältnis zum eigenen Körper finden. Kurz gesagt: Diese Kinder und Jugendlichen sind ernsthaft, teilweise lebensbedrohlich, erkrankt.

Meine Damen und Herren, unser Ziel muss es daher sein, daran mitzuwirken, dass sich alle gesellschaftlichen Kräfte ihrer Verantwortung gegenüber unseren Kindern und Jugendlichen bewusst werden. Nicht nur die Medien sind hier gefragt. Wir alle tragen hier einen Teil der Verantwortung mit. Politik muss hier die Rolle des Aufrüttelnden spielen, die

Problemlagen klar formulieren und als Moderator zwischen den einzelnen Interessengruppen fungieren.

Deshalb begrüßt die FDP-Landtagsfraktion, dass der vorliegende Antrag sich nicht nur auf einen zunehmend zu beobachtenden Schlankheitswahn fokussiert, sondern auch das Thema Übergewicht bis hin zu Adipositas – also beide Formen und Symptome von gestörtem Essverhalten und psychischen Problemen – gleichgewichtet aufgreift.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen gemeinsam nach Wegen suchen, wie das Bewusstsein für einen gesunden und ausgewogenen Lebensstil verbessert werden kann. Eltern und Familie sind hier in der Pflicht. Sie bedürfen aber auch der bestmöglichen Unterstützung durch uns. Werbe- und Showverbote oder die oft geforderte Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln helfen da wenig.

Neben der Förderung der Ernährungskompetenz und den Programmen zur Förderung der körperlichen Bewegung in Kitas und Schulen und der Sensibilisierung der dortigen Akteure muss die Problematik verstärkt in die Jugendarbeit Einzug halten und in sachlicher Art und Weise auch gesellschaftlich wahrgenommen werden. Wir setzen uns daher nachdrücklich für einen verstärkten Ausbau der Netzwerkarbeit in diesen Bereichen ein.

Die FDP schaut hierbei auch gerne über den Tellerrand hinaus und begrüßt nicht nur gute Initiativen aus anderen Bundesländern, sondern auch aus unseren europäischen Nachbarländern. Dies ist auch sinnvoll und notwendig; denn insbesondere Fernsehbilder machen nicht vor Staatsgrenzen halt. Die Probleme sind überall ähnlich. Deshalb gilt es, voneinander zu lernen und miteinander zu arbeiten.

Die Landesregierung hat bereits einiges angestoßen. Die Einrichtung von Bewegungskindergärten und die Landesprogramme zur Verbesserung der Ernährungsbildung sind Schritte in die richtige Richtung. Sie müssen konsequent weiterverfolgt und ausgebaut werden.

Wir möchten darüber hinaus mithilfe dieses Antrags alle Verantwortlichen aus Bund, Land und Wirtschaft zum sachlichen Dialog einladen, um gemeinsam eine breite Öffentlichkeit zu erreichen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, wie wir unsere Kinder und Jugendlichen sowohl vor unrealistischen Schönheitsidealen als auch vor den Folgen von extremem Übergewicht bewahren können. Aber es muss auch klar sein: Ohne psychische Störungen gibt es auch keine Magersucht. Das ist ein ganz wichtiger Ansatzpunkt. Daher gibt es andere Felder, wo man weit im Voraus auf der Hut und wachsam sein muss, um diesen Kindern und Jugendlichen zu helfen.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper-von Heiden. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD Frau Kollegin Meurer das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! „Verdamp lang her“ – so singt BAP. Sie meinten damit zwar nicht die Enquetekommission „Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW“, die vom Mai 2001 bis Juli 2004 zu dem Thema arbeitete. Wolfgang Nideggen würde bestimmt eine Textbearbeitung vornehmen, wenn er wüsste, wie die Landesregierung mit wichtigen Themen umgeht.

Einige Kolleginnen aus dieser Zeit sitzen auch heute noch im Landtag von NRW. Die Kollegin Doppmeier könnte sich sicher, wenn sie jetzt anwesend wäre, noch an das Kapitel 4.9.2 – Essstörungen – und auch an die Handlungsempfehlungen auf Seite 225 ff. des Berichtes erinnern. Was Sie von dieser Landesregierung der Täuschung und Enttäuschung erbitten, hätte sie schon längst durchführen und umsetzen müssen.