Protokoll der Sitzung vom 27.05.2009

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist völlig unbestreitbar, dass das Nachfolgepotenzial der öffentlichen Hand geeignet ist, nachhaltige Beschaffungsprozesse in unserer hochentwickelten Volkswirtschaft zu fördern.

Die Landesregierung hat deshalb sehr frühzeitig begonnen, Nachhaltigkeitserfordernissen bei der öffentlichen Beschaffung engagiert Rechnung zu tragen, allerdings mit dem unabdingbaren Zusatz, dass natürlich auch Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte angemessen zum Tragen kommen.

Die Behörden und Einrichtungen des Landes sind schon seit Langem per Erlass verpflichtet, bei Beschaffungen verstärkt Gesichtspunkte der Umweltfreundlichkeit zu beachten. Auch das Landesabfallgesetz verpflichtet die öffentliche Hand, bei der Beschaffung so weit wie möglich Gesichtspunkte des Ressourcenschutzes und der Umweltverträglichkeit zu berücksichtigen.

Mit der Neufassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die im April dieses Jahres in Kraft getreten ist, haben die öffentlichen Auftraggeber nun eine gesetzlich festgeschriebene Möglichkeit, soziale, umweltorientierte und innovative Aspekte, die im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen oder sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben, bei der öffentlichen Beschaffung zu fordern.

Neben diesen bestehenden rechtlichen Möglichkeiten ist eine ausreichende Information über umweltfreundliche Produkte und Verfahren wichtig, damit diese auch in der Praxis genutzt werden. Diese wichtige Aufgabe erfüllt das Vergabeportal des Landes, indem es die Behörden und Einrichtungen des Landes umfassend über die Möglichkeiten einer ökologisch ausgerichteten Beschaffung in Nordrhein-Westfalen informiert.

Das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen hat außerdem im Februar dieses Jahres allen Ressorts eine McKinsey-Studie vorgestellt, die die Potenziale der öffentlichen Beschaffung für ökologische Industriepolitik und Klimaschutz aufzeigt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Haushaltsordnungen des Landes und der Gemeinden verpflichten die öffentlichen Auftraggeber zur wirtschaftlichen Verwendung der finanziellen Mittel. Eine verpflichtende Vorgabe zur Beachtung vergabefremder Kriterien birgt die Gefahr in sich, dass dieser Hauptzweck der öffentlichen Beschaffung unterlaufen wird, und zwar ohne dass der Einzelfall in angemessener Weise gewürdigt und behandelt werden könnte. Eine undifferenzierte Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Beschaffungskriterien ist daher nicht sinnvoll.

Nach unserer Überzeugung wissen die Kommunen und die öffentlichen Beschaffungsstellen, wie sie die Möglichkeiten der nachhaltigen Beschaffung zum sparsamen und wirtschaftlichen Einkauf von Waren und Leistungen einsetzen können. Eine schematische und formularmäßige Einbeziehung sozialer und umweltbezogener Aspekte erzeugt Bürokratie,

schränkt den Wettbewerb ein und öffnet willkürlichen Vergabeentscheidungen Tür und Tor.

Dabei steht doch außer Frage, dass die Zielsetzung, nämlich den Bedarf der öffentlichen Hand auf wirtschaftliche Art und Weise zu decken, gar nicht in Widerspruch zu ökologischen Zielsetzungen steht. Im Gegenteil: In vielen Fällen wird eine Beschaffung, die die Nachhaltigkeit zum Beispiel über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes berücksichtigt, gerade die wirtschaftliche Beschaffung darstellen.

Die mit dem Antrag geforderte verbindliche Festlegung von sozialen oder ökologischen Beschaffungskriterien würde aber die notwendigen Spielräume der öffentlichen Auftraggeber unnötig und unangemessen beeinträchtigen. Die öffentliche Hand könnte die Leistungskriterien im konkreten Einzelfall nicht mehr in angemessener Weise bestimmen.

Vor diesem Hintergrund, verehrte Kolleginnen und Kollegen, entbehrt die im Antrag geforderte Verschärfung von Beschaffungskriterien jeder vernünftigen Grundlage. Die bestehenden Regelungen eröffnen genügend Möglichkeiten, ökologische und soziale Kriterien zu berücksichtigen. Wenn man darüber hinaus den Auftraggebern zwingende Verpflichtungen auferlegen würde, würde man den handelnden Verwaltungen jede Flexibilität zu sachnahen und vernünftigen Entscheidungen nehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Vergaberecht ist wegen seiner förmlichen Ausgestaltung ohnehin schon kompliziert genug für die öffentlichen Auftraggeber und auch für die anbietende, überwiegend mittelständisch geprägte Wirtschaft. Die Landesregierung hat sich übrigens im schwierigen und kontroversen Vergaberechtsreformprozess auf Bundesebene massiv für mittelstandsfreundliche und verfahrensvereinfachende Regelungen eingesetzt.

In die umfangreiche Stellungnahme des Bundesrates sind zahlreiche Initiativanträge der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen eingeflossen. Die mit dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verfolgte Zielsetzung schafft aber Unmengen von Regulierungen.

Diese Landesregierung verfolgt eine andere Zielsetzung. Wir werden nicht zulassen, dass eine effiziente und zügige Beschaffung durch die öffentliche Hand, die Nachhaltigkeit berücksichtigt, durch undifferenzierte und bürokratische Vorgaben ernsthaft in Gefahr gebracht wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das Thema „Milch und Wochenblatt“ machen wir morgen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, es gibt keine

weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Beratung.

Wir stimmen ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/9264 an den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend – und an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform – mitberatend. Die abschließende Beratung und Abstimmung wird im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Alle haben dafür gestimmt.

Wir haben noch zwei Tagesordnungspunkte. Wenn wir die zügig abhandeln, meine Damen und Herren – der Rest ist ohne Debatte –, dann können Sie auch bald zu dem parlamentarischen Empfang gehen.

Ich rufe auf

14 Mehr Frauen in die Aufsichtsräte

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/9267

Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/9311

Ich eröffne die Beratung. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Kieninger das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Unser Arbeitsmarkt ist nach wie vor gespalten: in einen besseren Arbeitsmarkt für Männer und einen schlechteren für Frauen. Das ist mittlerweile allgemein bekannt und auch völlig unstrittig. Frauen bekommen in diesem Land immer noch 23 % weniger als Männer, verdienen aber eigentlich mehr –

(Zustimmung von der SPD)

ganz zu schweigen davon, dass die meisten Beschäftigten im Niedriglohnbereich und in den ungeschützten Beschäftigungsverhältnissen sowie in Teilzeitbeschäftigungen Frauen sind oder dass Migrantinnen, ältere Arbeitnehmerinnen und Frauen mit Behinderung nochmals schlechtere Chancen haben.

Junge Frauen haben heute die besseren Schulabschlüsse, aber die schlechteren Aussichten im Beruf, in Führungspositionen, in Vorständen oder in Aufsichtsräten. Ein Grund für die bestehende Benachteiligung von Frauen bei Entlohnung und Führungsposition ist die Männerdominanz in Aufsichtsräten und Vorständen. Das ist skandalös. Aber heu

te reden wir über Frauen in Führungspositionen. Frauen in Führungspositionen: je höher, desto seltener. Hier zeigen alle aktuellen Zahlen, dass es keine gleichen Chancen für Frauen gibt.

Die Hans-Böckler-Stiftung hat in diesem Monat folgende Ergebnisse veröffentlicht: In den 160 wichtigsten Aktiengesellschaften an der deutschen Börse ist nur in 16 Vorständen mindestens eine Frau vertreten. Insgesamt liegt der Frauenanteil in den Vorständen bei gerade einmal 3 %. Unverändert gilt: je höher das Börsensegment, desto niedriger der Frauenanteil. Im DAX-30 arbeitet in nur einem Unternehmen überhaupt eine Frau im Vorstand. Und auch in den Aufsichtsräten der umsatzstärksten Unternehmen sind Frauen nach wie vor stark unterrepräsentiert. In nur etwa 10 % aller Aufsichtsräte sind Frauen vertreten.

Bemerkenswert ist übrigens, dass in Unternehmen ohne Mitbestimmung nur 2,6 % der Aufsichtsratsmitglieder weiblich sind, in mitbestimmten Unternehmen sind Frauen dagegen zu 11,7 % in den Aufsichtsräten vertreten. Auch hier zeigt sich mal wieder der positive Effekt der betrieblichen Mitbestimmung. Aber wir brauchen viel mehr Frauen in unseren Aufsichtsräten, da eine Vielfalt gerade im Bereich der Kontrolle den Unternehmen gut tut. Das wissen auch die Frauen in der CDU inzwischen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet am 24. März dieses Jahres von einem Positionspapier der Abgeordneten Milz, Rühl und Doppmeier. In diesem orientieren sie sich an der seit 2002 in Norwegen gültigen Vereinbarung. Innerhalb der nächsten zehn Jahre soll demnach der Frauenanteil in Aufsichtsräten auf 40 % erhöht werden.

(Zuruf von der SPD: Mindestens!)

Das kann nur eines bedeuten: Auch die Frauen in der CDU haben erkannt, dass es nicht ausreicht, auf Selbstverspflichtung der Wirtschaft zu setzen. Alle Appelle und Selbstverspflichtungserklärungen der Wirtschaft, Frauen den Zugang zur Führungsebene zu erleichtern, haben versagt. Das kann man leicht aus den Zahlen ablesen, die ich vorgetragen habe. In Norwegen war die Situation vor Einführung der gesetzlichen Geschlechterquote – von 40 % in Aufsichtsräten – vergleichbar mit der in Deutschland heute. Auch in Norwegen hatte die Freiwilligkeit keinen Erfolg. Erst das Gesetz von 2006 brachte die Wende.

Unser gemeinsames Ziel lautet: Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten auf 40 %. Die Zukunft der deutschen Wirtschaft hängt nämlich auch davon ab, dass alle Potenziale, die von Frauen und von Männern, effektiv genutzt werden. Den Frauen in der Union bieten wir unsere Unterstützung an, ihr Ziel zu erreichen. Dafür unser Antrag heute. Stimmen Sie ihm zu! – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kieninger. – Für die CDU-Fraktion erhält Frau Kollegin Milz das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Wahlprogramm der CDU zur anstehenden Europawahl kann man mit Verweis auf die Entwicklung in der Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau lesen:

Um die Gleichstellung von Frauen und Männern zu verbessern, setzen wir uns für Lohngleichheit, eine ausgewogene Präsenz von Frauen in Führungspositionen in Politik und Wirtschaft sowie für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein.

Ich glaube, diesen Satz unterschreiben Frauen und Männer gerne. Die konkrete Ausgestaltung, wie diese Präsenz von Frauen in Führungspositionen gesteigert werden soll, ist nicht so einfach. Viele Ideen, wie sie zum Beispiel in Norwegen erfolgreich umgesetzt wurden, finden dann schon nicht mehr alle Frauen und Männer gut. Den Antrag der SPDFraktion wiederum finden die Koalitionsfraktionen nicht gut,

(Zurufe von der SPD: Oh!)

weil Norwegen eben nicht Deutschland ist und sicherlich auch nicht 1:1 umgesetzt werden kann.

(Unruhe bei der SPD)

Den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen finde ich persönlich ziemlich gut. Das reicht aber leider nicht für die Mehrheit. Frei nach Luther: „Hier stehe ich und kann nicht anders!“, werde ich heute daher leider auch gegen diesen Antrag stimmen müssen.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind derzeit noch nicht so weit. Ich sage das ganz ehrlich. Ich wäre gern weiter, wir sind es aber nicht. Es gibt Klärungsbedarf sowohl in der Koalition als auch innerhalb der CDU-Fraktion. Das gebe ich zu, weil das so ist.

(Beifall von der CDU)

Ich bin jedoch zuversichtlich, dass bis zu den Verhandlungen über den Koalitionsvertrag im kommenden Jahr die notwendige Abstimmung bzw. Klärung erfolgt ist.

Was könnte denn zum Beispiel nach unserer Auffassung oder vielleicht auch nach der Auffassung der CDU-Frauen in unserer Fraktion Gegenstand sein? Was wollen wir da reinschreiben? – Ich darf ja hier und heute einmal träumen und fange mit dem