Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Sie kehren mit Ihrer Argumentation, Herr Becker, von der dezentralen Luftverkehrsinfrastruktur ab. Dies hätte die eben geschilderten gravierenden Folgen: Die Wachstumsmotoren in Dortmund, in Paderborn/Lippstadt oder überall da, wo Sie einen Flughafen schließen wollen, würden abgewürgt. Und dort, wo die Flughäfen bestehen blieben, würde erheblich mehr Verkehr entstehen. Die Emissionen würden deutlich zunehmen, und die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel in der Nähe des Flughafens Köln/Bonn und Düsseldorf würden durch Grünen-Politik extrem gesteigert.

Meine Damen und Herren, das Vorwort zur Großen Anfrage und die verschiedenen Fragen belegen eindrucksvoll, wie die Grünen gerade im Verkehrsbereich sehr einseitig Politik machen: Unzutreffende Annahmen, unrichtige Behauptungen, falsche Zitate und suggestive Schlussfolgerungen ziehen sich wie ein roter oder grüner Faden durch die gesamte Große Anfrage.

Ich möchte als Beispiel fünf Behauptungen anführen, wie die Grünen sehr einseitig Politik betreiben:

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Behauptung 1: Luftverkehr hat den höchsten Primärenergieverbrauch aller Verkehrsträger.

Tatsache ist: Moderne Flugzeuge sind mit dem Straßen- und Schienenverkehr vergleichbar. Von 1991 bis 2008 ist der spezifische Kraftstoff

verbrauch um knapp 2 l pro 100 Passagierkilometer auf 4,4 l gesunken. Innovative Großraumflugzeuge, die auch Herrn Becker bekannt sind, der nächsten Generation werden bei deutlich unter 4 l pro 100 Passagierkilometer liegen.

Behauptung 2 – es wird immer irrer –: Der Flugverkehr hat eine stärker klimaschädigende Wirkung als der Autoverkehr.

Tatsache ist: 85 % der Emissionen der Verkehrsträger kommen vom Straßenverkehr. Der Anteil des Luftverkehrs beträgt lediglich 9 %. Herr Becker, wie können Sie so etwas behaupten?

Behauptung 3: Der Luftverkehr wird subventioniert, da er nicht der Mineralölsteuer und im Auslandsverkehr nicht der Mehrwertsteuer unterliegt.

Tatsache: Im Unterschied zum steuerfinanzierten Straßen- und Schienenverkehrausbau – allein die Deutsche Bahn wird jährlich mit rund 20 Milliarden € aus Steuergeldern subventioniert – zahlt der Luftverkehr seine Infrastruktur selber. Herr Becker, wo machen Sie denn da Unterschiede?

(Horst Becker [GRÜNE]: Ich habe doch die Beispiele genannt!)

In die Schiene fließen 20 Milliarden € Steuergelder pro Jahr, und Sie reden davon, dass der Luftverkehrausbau steuerlich subventioniert wird. Selbst wenn Sie hier und da einen Euro finden würden – Landesgeld fließt dort nicht.

Behauptung 4, um die Wählerinnen und Wähler, Bürgerinnen und Bürger zu verunsichern: Am Flughafen Köln/Bonn finden europaweit die meisten Nachtflüge statt.

Tatsache: Am Flughafen Frankfurt finden weit mehr Nachtflüge statt. Weitere Tatsache: In Leipzig ist das Nachtflugverhalten ähnlich groß wie in Köln/Bonn. Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Zahlen haben. Da Sie im allgemeinen, Herr Becker, gut informiert sind, scheint hier etwas mit Ihren Aussagen nicht zu stimmen.

(Horst Becker [GRÜNE]: Sie müssen richtig nachlesen!)

Behauptung 5: Der Flughafen Köln/Bonn hat keine publizierte Beschwerdehotline. Das steht schwarz auf weiß in Ihrer Großen Anfrage.

Tatsache: Die Nummer 02203 404030 der Beschwerdestelle ist der Bevölkerung bekannt und für jeden auf der Homepage des Flughafens nachzulesen.

Reihenweise beschreiben Sie also in Ihrer Anfrage falsche Tatsachen, mal in Frageform, mal als Behauptung, und versuchen auf diese Art und Weise, ein gewisses Klientel an Wählerinnen und Wählern an sich zu binden. Dadurch bringen Sie die gesamte Luftverkehrspolitik völlig ungerecht in Misskredit, nur um Ihre Spielereien zu betreiben.

Herr Rasche, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage von Herrn Becker. Wollen Sie die zulassen?

Herr Becker, bitte.

Herr Kollege Rasche, würden Sie bezüglich des Nachtflugverkehrs in Frankfurt zur Kenntnis nehmen, dass es die Nachtflüge in den sogenannten Nachtrandzeiten, also in den Zeiten 5 bis 6 Uhr und 22 bis 23 Uhr, sind. Sobald Sie in die Kernnachtzeiten gehen, ist exakt das der Fall, was ich vorgetragen habe und was in allen Statistiken nachlesbar ist. Ist Ihnen das bekannt, oder gehen Sie davon aus, dass die Flüge in den Nachtrandzeiten und Nachtkernzeiten einfach zusammengerechnet werden?

Herr Becker, diese Frage war typisch für die Grünen und auch für Sie. Reden Sie mit Personen, die sich im Luftverkehr auskennen, bringen Sie Argumente, die teilweise sogar stimmen. Reden Sie allgemein wie in der Großen Anfrage, arbeiten Sie mit Halbwahrheiten und Unwahrheiten, um die Leute zu beeinflussen.

(Horst Becker [GRÜNE]: Das ist doch belegt!)

Ein typisches Beispiel ist der Flughafen Köln/Bonn. Wenn es um Arbeitsplätze geht und die Grünen angegriffen werden, sagen Sie: Wir sind am Flughafen Köln/Bonn nur gegen das Nachtflugverbot im Personenverkehr. Aber Sie würden natürlich den Nachtflugverkehr im Bereich des Gütertransports unterstützen.

(Horst Becker [GRÜNE]: Hat kein Mensch gesagt!)

Tatsache ist, Sie haben 2005 mit breiter Mehrheit ein Wahlprogramm beschlossen, in dem Sie das komplette Nachtflugverbot für den Flughafen Köln/Bonn fordern. In einzelnen Kreisen der Wirtschaftspolitik verneinen Sie das immer.

(Horst Becker [GRÜNE]: Ist doch nicht wahr!)

Das ist die gespaltene Zunge der Grünen und auch von Herrn Becker im Bereich der Luftverkehrspolitik. Das haben Sie doch zehn Jahre lang in der Politik der Koalition so getan.

(Horst Becker [GRÜNE]: Antworten Sie auf die Frage! Können Sie nicht!)

Die SPD hat eine vernünftige Luftverkehrspolitik gemacht oder zumindest angestrebt. Mit den Grünen war das nicht zu machen, weil sie eine unehrliche Luftverkehrspolitik betreiben.

Ich komme zum Schluss. Die Grünen bekämpfen den Luftverkehr in Nordrhein-Westfalen gerade jetzt in diesem Wahlmarathon, um Stimmen zu gewinnen. Die Luftverkehrspolitik der Grünen – ich sage es noch einmal ganz deutlich – ist ungerecht und unehrlich.

Mobilität und wachsende Verkehre auf der einen Seite, Klima- und Umweltschutz auf der anderen Seite müssen und dürfen keine Gegensätze sein. Für die Koalition sind Umwelt-, Klima- und Lärmschutz integrale Bestandteile einer zukunftsweisenden und nachhaltigen Luftverkehrspolitik. Es gibt keine einseitige Luftverkehrspolitik dieser Koalition. Die einzige Partei, die überaus einseitig und verantwortungslos in der Luftverkehrspolitik vorgeht, sind die Grünen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Danke schön, Herr Rasche. – Für die Landesregierung spricht jetzt Minister Lienenkämper.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung, Herr Kollege Becker. Die Luftverkehrspolitik der Landesregierung richtet sich nicht einseitig an den Interessen von Luftverkehrsunternehmen oder Flughafenbetreibern aus, sondern an der Luftverkehrskonzeption 2010, die mit den Stimmen Ihrer damaligen Fraktion in diesem Hause beschlossen worden ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist doch die Wahrheit. Diese Konzeption ist einvernehmlich von allen Fraktionen in diesem Hause beschlossen worden. Daran richten wir uns aus. Sie alle hätten diese Konzeption damals nicht mitbeschlossen, wenn Sie nicht der Auffassung gewesen wären, dass es sich um eine ausgewogene Konzeption handelt, die die verschiedenen zu berücksichtigenden Interessen miteinander in Übereinstimmung bringt, soweit das geht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie einer Konzeption zugestimmt haben, die Sie selber für unausgewogen, falsch oder für das Land Nordrhein-Westfalen schädlich halten.

Zwischendurch scheint bei Ihnen aber ein Meinungswechsel stattgefunden zu haben; denn wenn ich mir die Fragen in der Großen Anfrage richtig angucke, stelle ich fest, dass daraus eigentlich die Kritik am eigenen Konzept spricht. Das machen wir nicht mit. Wir stehen weiter zum Luftverkehrskonzept 2010, das noch bis Ende nächsten Jahres läuft. Es ist ein völlig vernünftiges Konzept, das im Interesse des Landes Nordrhein-Westfalen liegt.

Meine Damen und Herren, unrichtig ist auch die Behauptung, der Luftverkehr werde vom Land Nord

rhein-Westfalen subventioniert, da er nicht von der Mineralölsteuer und im Auslandsverkehr nicht von der Mehrwertsteuer betroffen ist. Im Gegensatz zum steuerfinanzierten Straßen- und Schienennetz zahlt der Luftverkehr seine Infrastruktur- und Wegekosten über Gebühren und Entgelte nämlich selber. Dazu gehören die Start- und Landegebühren, die Fluggast- und Frachtterminals und die Flugsicherung.

Nur zur Erinnerung: Die Deutsche Bahn wird jährlich mit rund 20 Milliarden € aus Steuergeldern subventioniert. Der Europäische Gerichtshof hat daher im April 2006 die Klage der Deutschen Bahn AG gegen die EU-Kommission wegen angeblich ungerechtfertigter Begünstigung des Luftverkehrs gegenüber der Bahn abgewiesen. Das ist die Wahrheit, bestätigt vom obersten Gericht in der Europäischen Union.

Ihre Große Anfrage zeichnet ein wirklichkeitsfernes Bild der Luftverkehrspolitik dieser Landesregierung. Diese bleibt daran ausgerichtet, dass leistungsfähige Verkehrssysteme die notwendige Grundlage für die Funktionsfähigkeit einer modernen Gesellschaft und Wirtschaft sind. Sie leisten einen wichtigen Beitrag für Mobilität, Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand.

Neben gut ausgebauten Straßen-, Schienen- und Wasserstraßennetzen kommt bei wachsender Globalisierung dem Luftverkehr nun einmal eine hohe und weiter zunehmende Bedeutung zu. Der Luftverkehr gewährleistet den schnellstmöglichen Transport von Menschen und Gütern und ermöglicht internationale und interkontinentale Verbindungen für die Exportwirtschaft und für den Tourismus.

Wie in der gesamten Bundesrepublik Deutschland ist auch in Nordrhein-Westfalen die dezentrale Struktur Voraussetzung dafür, dass sich die Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen aufkommensnah entwickeln kann und lange Anfahrten vermieden werden.

Von 2000 bis 2008 – Herr Kollege Rasche hat es gerade zitiert – ist die Zahl der Fluggäste auf unseren Flughäfen von 26,2 auf 35 Millionen gestiegen. Das ist ein Plus von rund 34 %. Entsprechend ist die Zahl der Arbeitsplätze gestiegen – im Übrigen auch die Zahl der indirekten Arbeitsplätze rund um die Flughäfen.

Deshalb betrachten wir es weiterhin als unsere Aufgabe, die Voraussetzungen für die Bereitstellung und Weiterentwicklung ausreichender Flughafenkapazitäten in Nordrhein-Westfalen zu schaffen, um im Wettbewerb der europäischen Metropolregionen weiter bestehen zu können.

Zu unserer Luftverkehrspolitik gehört auch und gerade der Schutz von Natur, Umwelt und Klima. Dies behält die Landesregierung bei ihrem Handeln stets im Auge. Deshalb werden in allen luftrechtlichen Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren die möglichen Beeinträchtigungen von Natur und Um

welt durch den Luftverkehr sorgfältig geprüft und abgewogen.